Asiaten handeln jetzt freier

GLOBALISIERUNG China und Südostasien gründen die größte Freihandelszone der Welt. Importzölle drastisch gesenkt; auf 90 Prozent der Waren gibt es gar keine Zölle mehr

China hofft durch die Handelszone auf neue Absatzmärkte für Computer und Autos

AUS PEKING JUTTA LIETSCH

Palmöl aus Malaysia, Hemden aus Indonesien, Computer aus China und rund 7.000 weitere Produktgruppen zollfrei über die Grenzen verkaufen: Während die Wirtschaft in Europa und in den USA weiter schwächelt, entsteht in Asien derzeit für fast 1,9 Milliarden Menschen die größte Freihandelszone der Welt.

Seit 1. Januar ist ein entsprechendes Abkommen zwischen China und den zehn Staaten der südostasiatischen Gemeinschaft Asean in Kraft. Damit wurde ein neuer Wirtschaftsblock (Cafta) mit einem internen Handelswert von rund 450 Milliarden Dollar geschaffen. Nur innerhalb der EU-Staaten und der nordamerikanischen Nafta – den beiden anderen großen Wirtschaftsblöcken – werden bislang noch mehr Waren verkauft.

Der Wegfall der Zollschranken zwischen China und Südostasien werde „den Einfluss der Region in der Welt stärken“ und die Weltwirtschaft ankurbeln, prophezeite der thailändische Chef der Südostasiatischen Ländergruppe, Surin Pitsuwan. Das Zentrum des globalen Wachstums werde sich nach Asien verlagern.

Schon jetzt sind China, das für 2010 mit einem Wachstum von über 9 Prozent rechnet, und seine asiatischen Nachbarn eng miteinander verknüpft. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Handel zwischen der Volksrepublik und der Asean auf fast 200 Milliarden US-Dollar versechsfacht.

Nun sollen Zölle und Handelsschranken stufenweise verschwinden: Ab Januar wollen China und die sechs Gründungsstaaten der Asean – Indonesien, Thailand, Philippinen, Malaysia, Singapur und Brunei – 90 Prozent ihrer Handelswaren ohne Importzölle ins Land lassen. Dies gilt vor allem für Produkte, auf denen ohnehin relativ niedrige Tarife von durchschnittlich 5 Prozent lagen. Insgesamt sollen die Einfuhrzölle für Güter aus China von 12,8 auf 0,6 Prozent sinken. Umgekehrt reduziert Peking die Tarife auf Waren aus der Asean-Region im Schnitt von 9,8 auf 0,1 Prozent. Die vier Asean-Mitglieder Vietnam, Laos, Kambodscha und Birma (Myanmar) haben noch bis 2015 Zeit, die Einfuhrzölle für Waren aus der Region abzubauen.

Die Öffnung der Märkte hat vielerorts aber nicht nur Hoffnungen auf bessere Geschäfte, sondern auch Sorgen geweckt, der ausländischen Konkurrenz nicht gewachsen zu sein: So streiten sich Thailand und die Philippinen darüber, ob Reis ebenfalls zollfrei eingeführt werden darf. In Indonesien forderten Industrieverbände von der Regierung, ein neues Abkommen auszuhandeln, weil die heimischen Textil- und Stahlfirmen durch chinesische Importe vom Markt gefegt würden. Ihr Vorwurf: China subventioniere die Herstellung vieler Güter, verursache durch billige Kredite eine Überschussproduktion, die oft unter dem Herstellungspreis jenseits der Grenzen losgeschlagen werde. Asean-Chef Surin warnte die Cafta-Staaten jetzt davor, den örtlichen Unternehmen nachzugeben und statt der Einfuhrzölle andere Handelsbarrieren aufzubauen.

Beschlossen wurde das Freihandelsabkommen im Jahr 2002. Die Erfahrungen der großen asiatischen Finanzkrise von 1998 waren noch in frischer Erinnerung. Damals setzte sich in der – ursprünglich als antikommunistischer Staatenverband gegründeten – Asean der Eindruck durch, dass Amerikaner und Europäer auf die Dauer keine zuverlässigen Partner seien und sich bei künftigen Wirtschaftseinbrüchen vor der asiatischen Konkurrenz abschotten könnten. Gleichzeitig erschien das lange gefürchtete kommunistische China vielen in der Region in neuem, günstigem Licht.

Chinas Wirtschaftspolitiker wollen mit Südostasien nicht zuletzt deshalb enger zusammenarbeiten, weil sie dort wichtige Rohstoffe – wie zum Beispiel Palmöl oder Kautschuk aus Malaysia – für ihre Fabriken kaufen. Zugleich setzen sie auf neue Absatzmärkte für ihre Computer und Autos, um weniger stark von den Märkten in den USA und Europa abhängig zu sein.

Südostasiens Politiker und Kaufleute wiederum hoffen auf chinesische Investoren mit prallen Brieftaschen, um neue Fabriken, Straßen und Eisenbahnstrecken zu bauen sowie Energiequellen zu erschließen.