Die Wahrheit: Voll wie die Nattern

Live-Sendungen im Fernsehen bergen ein gewisses Risiko. Die Iren werden sich lange an die Jubiläumssendung der „Late Late Show“ erinnern.

Live-Sendungen im Fernsehen bergen ein gewisses Risiko. Die Iren werden sich lange an die Jubiläumssendung der „Late Late Show“ erinnern, die seit 50 Jahren jeden Freitag live im irischen Fernsehen RTÉ läuft. Während dieser Zeit hat sie erst dreieinhalb Talkshowmaster verschlissen, und die waren beim Jubiläum dabei – bis auf den halben, Gerry Ryan, der nur einmal moderierte und inzwischen verstorben ist. Mehr als eine Million Menschen saßen vor dem Bildschirm. Die Show wurde auch in den USA, in Australien und anderen englischsprachigen Ländern übertragen, und die Zuschauer bekamen alle Klischees bestätigt, die sie über die Iren hegten.

Als der Hollywoodschauspieler Liam Neeson auftrat, merkte man bereits, in welche Richtung sich die Show entwickeln würde. Ihm quoll der Alkohol fast aus den Augen, als er über seinen bevorstehenden 60. Geburtstag sinnierte. Nach der Show filmte ihn jemand, wie er sich mühsam auf den Rücksitz eines Autos faltete und schnurstracks einschlief.

Der Komiker Tommy Tiernan gab sich gar keine Mühe, seinen Alkoholgenuss zu verschleiern. Er kam gleich mit einer Flasche Whiskey auf die Bühne und schenkte den drei Moderatoren großzügig ein. Die versuchten verzweifelt, die Sendung in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken und reminiszierten über die Höhepunkte der Sendung in den vergangenen 50 Jahren. Sie erinnerten an die Zeit, als Kondome in Irland gerade legalisiert worden waren, und Gay Byrne, der erste Talkshowmaster, sich ein Kondom über den Zeigefinger zog, um der Nation zu demonstrieren, wie man so etwas benutzt. Die Geburtenrate sank danach aber nicht, weil sich die Iren seitdem vor dem Geschlechtsverkehr vermutlich ein Präservativ über den Finger stülpen.

Als Nell McCafferty, Feministin und nordirische Bürgerrechtlerin, gefragt wurde, welchen Einfluss die Show auf die Frauenbewegung hatte, war man wieder beim alten Thema. McCafferty blaffte die Moderatoren an: „Ihr sitzt da und trinkt Whiskey, und keiner von euch hat mich gefragt, ob ich auch einen Mund habe.“ Sofort sprangen die Herren auf und gaben ihr das gewünschte Getränk in dreifacher Ausführung.

Als Gay Byrne treuherzig beteuerte, dass niemand betrunken sei, trat Bono, der Sänger der Dubliner Popkombo U2, auf und rief begeistert, dass hinter der Bühne eine tolle Party im Gange sei. Das stellte die Pantomimim Twink, die möglicherweise schon bei der Premiere der „Late Late Show“ dabei war, sogleich unter Beweis. Sie stolperte auf die Bühne, zeigte auf ihren Exehemann David Agnew, der im Orchester mitspielte, und sagte: „Er ist ein großartiger Musiker, aber als Ehemann war er ein Arschloch.“ Agnew sprang daraufhin auf und wollte aus dem Studio stürmen, während Twink ihm noch ein „Na, ist doch wahr!“ hinterherbrüllte, aber er wurde von den Moderatoren wieder eingefangen und auf seinen Orchesterstuhl gezerrt.

Die inzwischen wieder glatzköpfige Sängerin Sinéad O’Connor meinte zum Ende der Show: „Ich glaube, ich bin die Einzige, die noch Auto fahren kann.“

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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