piwik no script img

Gesundheit NordGeld für Kliniken gesucht

Der Keimbefall am Klinikum Mitte bringt den städtischen Klinik-Konzern finanziell in echte Not: Zehn Prozent weniger PatientInnen.

Kinderheikunde? Wo man hinguckt ist der Wurm drin. Bild: dpa

Es kommt nicht oft vor, dass ein Unternehmen zu einer Pressekonferenz einlädt, nur um mitzuteilen, wie schlecht das Geschäft läuft und dass zum Jahresende mehrere Millionen Euro fehlen werden. Aber die Gesundheit Nord (Geno), die gestern diese Botschaft verkündete, ist nicht irgendeine Firma, sondern die Dachgesellschaft der vier städtischen Bremer Krankenhäuser. Die Öffentlichkeit, der diese Kliniken quasi gehören, soll also darauf vorbereitet werden, dass sie zahlen muss – wenn keine Klinik geschlossen oder privatisiert werden soll.

Doch wie teuer die Rettung der Geno wird und woher das Geld kommen soll – das konnten die Geno-Geschäftsführerin Jutta Dernedde und die Vorsitzende des Aufsichtsrats, die Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper, gestern nicht sagen. „Darüber müssen wir jetzt verhandeln“, sagte Dernedde. Zuvor hatten beide die ökonomische Schieflage des Konzerns beschrieben. Acht Millionen Euro werden am Ende des Jahres im Klinikum Nord fehlen. Das größere Problem ist aber das Klinikum Mitte. Wegen des Keimbefalls auf dessen Intensivstation für Frühgeborene – mindestens drei Neugeborene waren 2011 daran gestorben – blieb die Kundschaft weg. In den ersten drei Monaten dieses Jahres seien in Mitte rund 1.500 PatientInnen weniger behandelt worden als geplant, rechnete der kaufmännische Geschäftsführer der Geno, Tomislav Gmajnic, vor. Zwei Drittel gehen dabei auf das Konto aller Stationen, die Schwangere, Babys oder Kinder aufnehmen.

Damit fehlten der Klinik zehn Prozent aller Behandlungsfälle, was einen Fehlbetrag von sechs Millionen Euro ausmache, sagte Gmajnic. Er gehe nicht davon aus, dass die Patientenzahlen bis zum Jahresende wieder so steigen werden, dass sich das Defizit nennenswert verringere. Daher solle mit anderen Maßnahmen „gegengesteuert“ werden. So sollen die Kapazitäten für Operationen ausgebaut werden. Laut der Senatorin Jürgens-Pieper gibt es in einigen Bereichen Wartelisten. Außerdem sollen „Patientenströme umgeleitet“ werden, wie sich Gmajnic ausdrückte. Jürgens-Pieper erklärte dazu, das Klinikum Links der Weser solle Patienten mit Magen-, Darm und Lebererkrankungen an das Klinikum Mitte verweisen sowie solche, die sich an Gefäßen operieren lassen müssen. Damit nehme nicht ein Klinikum dem anderen etwas weg, sagte sie, sondern im Klinikum Links der Weser werde Platz geschaffen für die geburtshilfliche Abteilung. Der werde dort dringend benötigt, seitdem diese Station am Klinikum Mitte geschlossen ist. Und Links der Weser ein Fünftel mehr Geburten verzeichnet als in den Vorjahren. Wann Frauen auch am Klinikum Mitte wieder Kinder gebären können, ist noch offen, wie die Geno-Geschäftsführerin Dernedde bestätigte. Ebenso die Frage, wie das Vertrauen in das Klinikum wieder zurückgewonnen werden kann. „Es wird Jahre dauern, bis wir uns davon erholen“, sagte sie. Und: „Der ökonomische Schaden ist gigantisch.“

Die Keimbelastung führt auch dazu, dass die Kosten für den Klinikneubau weiter steigen – vermutlich um 35 auf 265 Millionen Euro. Wie das finanziert werden soll, ist unklar. Hygiene-ExpertInnen hatten zu verschiedenen Maßnahmen geraten, die eine Neuplanung nötig gemacht hatten. In Betrieb genommen werden kann der Neubau jetzt erst voraussichtlich im Jahr 2016, zwei Jahre später als geplant. Schuld an der Verzögerung sind aber nicht nur die Keime, sondern auch Schwierigkeiten bei der Vergabe von Bauaufträgen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • T
    titakjang

    Ich kann´s den Leuten nicht verdenken, dass sie da nicht mehr hinwollen. Meine beiden Eltern sind im KH St.Jürgen-Str. verstorben, außer vorbildlicher menschlicher Betreuung durchs Pflegepersonal ist mir wenig Gutes von diesem Haus in Erinnerung geblieben. Die Abrechung ein total inkompetenter Sauhaufen, die Hygienestandards suboptimal, die Ärzte total überlastet, das Ambiente trostlos, ein freundlicher aber vorgestriger Saftladen. Mit zwanzig Jahren ärztlicher Berufserfahrung im Großraum München würde ich sagen: stünde das Haus hier, müsste es wegen mangelnder Konkurrenzfähigkeit dicht machen.

  • W
    Weinberg

    Offenbar zahlen sich die durch die "Hygiene-Reduzierung" erzielten Gewinne letztendlich nicht aus.

     

    Merke: Gesundheit ist keine Ware!