WIDERSPRÜCHE BEI UNIGEBÜHREN SIND EINE CHANCE FÜR STUDIERENDE
: Länderchaos ermöglicht neue Debatte

Eigentlich müssten die Studenten verzweifeln. Demnächst werden Studiengebühren eingeführt – und die Lage ist chaotisch, wie eine Analyse des Studentenwerks jetzt zeigt. Typisch Föderalismus, hat sich jedes Bundesland sein eigenes Gebührenmodell zurechtgebastelt. Konsequenz: Die Studenten werden an das Land gefesselt, in dem sie ihr Studium begonnen haben. Zudem werden viele ihre ganze Freizeit damit verbringen müssen, die Gebühren zu verdienen. Denn auch sozial schwache Bafög-Empfänger sollen zahlen.

Das Chaos ist dennoch zu begrüßen, eröffnet es doch die Möglichkeit, erneut über die Studiengebühren zu debattieren. Vor knapp zwei Jahren war es den Studenten nämlich nicht gelungen, mit ihren Argumenten in der Öffentlichkeit durchzudringen. Das lag auch an der großen Medienmacht der Bertelsmannstiftung. Ihr „Centrum für Hochschulentwicklung“ hatte jahrelang Lobbyarbeit für Studiengebühren betrieben. Dabei wurden auch Erkenntnisse der Werbepsychologie eingesetzt – und gezielt „Begriffsdesign“ betrieben. So wurde etwa in einer Endlosschleife wiederholt, dass Studiengebühren doch „sozial gerecht“ seien, weil Akademiker später mehr Aufstiegschancen hätten. Dabei ging völlig unter, dass man einen solchen Sozialausgleich auch über höhere Spitzensteuersätze erreichen könnte. Gleichzeitig wurde der Bildungsbegriff auf die reine Berufsqualifikation verengt – ein weiteres seltsames Resultat dieser gesteuerten Debatte.

Universitäten sind mehr als nur eine Station der Karriere; sie sind Ausgangspunkt gesellschaftlicher Bewegungen. Die 68er wären mit Studiengebühren gar nicht denkbar gewesen, weil statt Politik zu machen Studierende als Hostessen auf Kongressen bedient oder im Call-Center Tipps für Waschmaschine weitergereicht hätten. Die widersprüchlichen Gebührenmodelle sind nun eine unerwartete Chance für die Studenten, doch noch aus der Defensive herauszukommen. Die Beweislast ist umgekehrt und liegt jetzt bei den Ländern. Es dürfte ihnen schwer fallen, jetzt noch zu begründen, warum Gebühren gerecht sein sollen. HAUKE RITZ