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Kommentar Assad-InterviewDer freundliche Herr Assad

Ines Kappert
Kommentar von Ines Kappert

Jürgen Todenhöfer hat für die ARD ein Interview mit Baschar al-Assad geführt. Kritische Fragen stellt er keine. Wenigstens analysieren Experten hinterher Assads Antworten.

A m Ende des Interviews blickt Jürgen Todenhöfer seinem Gesprächspartner tief in die Augen, und Baschar al-Assad lacht glücklich auf. Das Interview ist gut für ihn gelaufen. Das Publikum schüttelt sich, so viel Zynismus war lange nicht im Fernsehen. Schnitt.

Warum versuchen sich die Journalisten immer wieder an den Diktatoren? Noch keinem ist es gelungen, die Propaganda im laufenden Gespräch bloßzustellen. Todenhöfer selbst verlegt sich aufs Persönliche und erklärt, er wolle, dass die Menschen „ihren Hauptfeind“ besser kennenlernten. Allen unangenehmen Nachfragen zum Trotz sei der syrische Präsident immer so freundlich geblieben, sagt er tags darauf der Bild und ist offenkundig entzückt von der Höflichkeit der Macht.

Wir lernen also: Assad weiß sich zu kontrollieren. Und wir lernen auch: Todenhöfer stellt keine einzige kritische Nachfrage, sondern suhlt sich in der Aufmerksamkeit, die Assad ihm gewährt. Das ist Aufklärung wider Willen. Aber macht sich die ARD mit dieser Dialektik nicht zum Spielball des syrischen Diktators? Skandal? Ein bisschen.

Wolfgang Borrs
Ines Kappert

leitet das Meinungsressort der taz.

Denn ganz einfach macht es sich der „Weltspiegel“ ja nicht. So wagt die Redaktion einen sehr ungewöhnlichen Schritt: Sie zeigt sich selbstkritisch. Im Anschluss an das unsägliche Interview nehmen der hauseigene Korrespondent und ein Kollege vom Spiegel sämtliche Aussagen von Assad auseinander. Sie klären dort auf, wo Todenhöfer im Dienste der Eitelkeit schamlos verdunkelt. Mit diesem Verfahren macht die ARD ihr Problem, das ein allgemeines ist, öffentlich.

Denn Diktatoren sprechen nur mit Leuten, die keine lästigen Fragen stellen. Das weiß die ARD natürlich und zerpflückt die Aussagen von Assad nicht direkt im Interview, sondern eben direkt danach. Todenhöfer aber laden sie nicht zur anschließenden Analyse ein. Ihn, den Kollegen, ihn, die lange Leitung zu Promischurken, mit Fakten zu konfrontieren, das trauen sie sich dann doch nicht.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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6 Kommentare

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  • D
    Dana

    Die taz wird mehr und mehr eine Zeitung für Soldaten und Kameraden... Kriegshetze von "links" sozusagen. Dass hinter Assad ein ganzes System steht, scheint Frau Kappert noch nicht verstanden zu haben. Dass Verhandlungen Menschenleben retten können ebenso wenig.

  • NF
    Norbert F. Schaaf

    Welcher Journalist fragt eigentlich mal bei Jürgen Todenhöfer nach, was ihn seinerzeit um 1980 geritten hat, sich als CDU-MdB auf der Grenzlinie zwischen Pakistan und Afghanistan mit einem hoch in die Luft gereckten Gewehr fotografieren zu lassen? Das Foto schlummert irgendwo in den Archiven; heute würde es im Internet kursieren.

  • T
    theVoice

    Seltsam finde ich, wie man in den deutschen Mainstreammedien dem Bürger vorkaut, wie er zu denken habe. Oder besser gesagt, nachkaut. Der Reporter fargt, der Staatschef antwortet. Daraus könnte man sich doch einen Meinung bilden. Nein - nachher muss 'eingeordnet' werden, denn der von der Presse aufgebaute Tyrann soll schliesslich ein Tyrann bleiben. Ein sachlicher und höflicher Tyrann ... so haben ihn wohl die meisten wahrgenommen, aber weil der Eindruck stehenbleiben könnte, muss ARD, Spiegel und natürlich auch die TAZ gleich ideologisch zurechtrücken.

     

    Todenhöfer habe schamlos verdunkelt. Schlimm !

    Dass die ARD wiederholt und bewiesen geschauspielerte Videoclips in ihren Nachrichten zeigte, die angeblich Syrien zeigen aber nicht in Wirklichkeit ... das kehrt man unter den Teppich. Stattdessen gleich wieder den Mythos des syrischen Tyrannen untermauern.

     

    Diktatoren sprechen nur mit Leuten, die keine lästigen Fragen stellen

    .. steht da.

    Ich würde Ines Kappert gern mal ermutigen, selbst krtitische Fragen zu stellen.

    Und zwar an unsere Meinungsdiktatoren. An die Bosse von Springer und ARD.

    Und falls die TAZ das Budget hat, könnte sie mal jemanden in den Nahen Osten schicken, der unvoreingenommen berichtet. Die FAZ konnte das auch, Rainer Hermann ging rein ins Land und schickte Berichte, welche die Mainstream-Einheits-Meinungsbildung auf den Kopf stellen.

    Das ist Journalismus.

    Anstelle abschreiben und mitschwimmen.

  • VL
    vergessene Liebe

    Das Interview war- im Lichte der Fakten in Syrien.. doch sehr `objektiv´ !!! Assad versucht, sein Volk bei der Stange zu halten... Die Möglichkeit von realer Demokratie ist- wie in Lybien- im Gewusel der Stämme und religiöser Gruppierungen irgendwie umöglich... Und die `sogenannten´ Rebellen in Syria?

    Erscheinen wie sektiererische Gruppen- denen Einhalt geboten werden muss - damit Syrien- als imerhin funtionierender Staat nicht in der Destruktion eines Bürgerkrieges versinkt ! Assad hat offensichtlich in den letzten Jahren notwendige Reformen versäumt...

  • L
    Leser_09

    Ich habe das Interview ganz gesehen, fand es angemessen in der Art der Fragestellung, im Ton. Man sollte nicht vergessen, dass da der Staatspräsident eines souveränen Landes sitzt, kein Angeklagter, wie es vielleicht manche, die der einseitigen Propaganda Glauben schenken, gerne hätten.

     

    Welche kritischen Fragen haben Sie denn vermisst, Frau Kappert?

  • FK
    Frits Kool

    Die ARD-Nachlese mit den beiden Korrespondenten von ARD und SPIEGEL kam mir so vor wie die Bewertung einer Eiskunstlaufkür durch Jury-Mitglieder: Nicht nachvollziehbar! Beide Parteien des Bürgerkriegs sind mitverantwortlich für Gräuel, aber die Regierung doch mehr als die Opposition. Aufklärung durch Fakten: ZERO