WWF-kritisches Buch: Der Panda-Streit geht weiter
Fast haben sich die Naturschutzorganisation und der Verlag in der Auseinandersetzung um ein kritisches Buch geeinigt. Doch dann gibt es Ärger und man setzt die Gespräche aus.
BERLIN taz | Auf dem Titel des Buches ist eine Erdkugel abgebildet, die eine Hälfte blüht und gedeiht, die andere ist kahl und zerstört. Auch ein Panda ist vorne drauf, er sieht traurig aus. Um die Titelgestaltung des „Schwarzbuch WWF“ gibt es keinen Streit, aber um vieles von dem, was auf den 256 Seiten folgt. Schon seit Monaten. Am Freitag sah es danach aus, dass sich die Naturschutzorganisation und der Verlag geeinigt hätten. Doch kurz vor Unterzeichnung der außergerichtlichen Einigung kam es zum Krach. Die Gespräche wurden vertagt.
Je nach Sichtweise lag es an einer „fragwürdigen Informationspolitik des WWF“ (so der Verlag) oder an einer „etwas dünnhäutigen Reaktion des Verlags“ (so der WWF).
Der WWF verschickte am Freitag vorab eine ausführliche Pressemitteilung an Redaktionen – ausdrücklich noch nicht zur Veröffentlichung. Die Journalisten sollten sich schon eimal einlesen können, damit sie gleich berichten können, wenn die Einigung endgültig besiegelt ist. Random House bekam Wind davon und reagierte verärgert.
„Mit großer Verwunderung“
Der Streit sei mitnichten beigelegt, verkündete eine Verlagssprecherin eilig per Pressemitteilung. Man nehme es „mit großer Verwunderung zur Kenntnis“, dass der WWF bereits eine Presseinformation versandt habe, „in der von einer Einigung die Rede ist“. In der Sache selbst sei man sich einig gewesen, bestätigt der Justiziar des Verlages, Rainer Dresen. In der Tat habe man vorgehabt, am Nachmittag die Vereinbarung zu unterzeichnen.
Es geht um mehr als 20 Stellen, die geändert werden sollten, einige Passagen auch ganz gestrichen. Die Änderungen sollten für die nächste, die 3. Auflage des Buches gelten. Huismann, so sah es die nun geplatze Einigung laut WWF vor, darf nun nicht weiter behaupten, dass es eine „Kooperation“ mit Unternehmen ist, wenn der WWF mit Konzernen an einem „runden Tisch“ sitzt. Keine „Kooperation“ also mit dem Gentechnik-Konzern Monsanto, keine „Kooperation“ und auch kein Geld vom umstrittenen Palmölproduzenten Wilmar. Änderungen auch bei den Themen Waldschutz oder Zusammenarbeit mit indigenen Organisationen.
Der Autor und Filmemacher Wilfried Huismann geht in seinem Buch hart mit dem WWF ins Gericht. Er wirft dem WWF eine Nähe zur Industrie vor und beschreibt, wie die Organisation sich auch an ökologisch umstrittenen Projekten beteilige. Die Umweltschützer, so die Kritik, förderten indirekt Umweltzerstörung. Huismann hatte stets betont, alle Aussagen auch belegen zu können. Noch bevor es zu einer Gerichtsverhandlung kam, nahmen viele große Händler das Buch auf Drängen des WWF aus dem Sortiment.
Keine Seite im Recht
Als sich beide Seiten am 15. Juni zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Köln trafen, kam in einem Punkt bereits ein Vergleich zu Stande: Die Aussage einer bestimmten WWF-Vertreterin durfte in der zweiten Auflage nicht wiederholt werden. Zu den übrigen Punkten ließ das Gericht durchblicken, dass keine Seite vollständig Recht bekommen würde – und empfahl eine gütliche Einigung.
Die stand nun also kurz bevor, als die Verlagsleute Wind von der Aussage bekamen, mit der sich Marco Vollmar, Mitglied der Geschäftsleitung des WWF Deutschland, in der Pressemitteilung zitieren ließ. Auch nach den vereinbarten Änderungen zeichne der Buchautor „ein Zerrbild aus falschen Aussagen, Diffamierungen und Übertreibungen“, so Vollmar.
Das wollte Random House nicht auf sich sitzen lassen. Man sei dem WWF doch schon weit entgegengekommen, schimpft Dresen, weit über die ursprünglichen Forderungen hinaus: „Dieser Versuch, den Streit wenn nicht juristisch, so auf diese Weise publizistisch gewinnen zu wollen, ist unlauter.“ Gäbe es im Buch Falschaussagen und Diffamierungen, wären die doch vom Gericht kurzerhand verboten worden, argumentiert der Verlag.
„Diffamierung“ als streitbarer Begriff
WWF-Sprecher Jörn Ehlers zeigte sich am Freitagabend verwundert darüber, dass der Verlag die Aussage des WWF-Vertreters nicht aushalte. Dann versuchte er, die Sache etwas herunter zu kühlen. Über das Wort „Diffamierung“ könne man vielleicht streiten.
Auf gewisse Weise haben beide Seiten bislang auch von dem Streit profitiert. Von dem Buch wurde laut Verlag eine Anzahl „im niederen fünfstelligen Bereich“ verkauft. Sicherlich mehr als wenn es keinen Rechtsstreit gegeben hätte, heißt es bei Random House. Auch der WWF hat nach eigener Aussage nicht unter der negativen Darstellung gelitten, zumindest was die Zahl seiner Förderer angeht. Unterm Strich habe man sogar Unterstützer hinzugewinnen können, teilte die Organisation mit.
„Der Ball liegt jetzt beim WWF“, so Verlagsjustiziar Dresen. Man werde in der nächsten Woche mit der Gegenseite über die „Unterstellungen“ sprechen. „Ich gehe davon aus, dass wir uns in der kommenden Woche endgültig einigen“, sagte WWF-Sprecher Ehlers. Wenn das nicht klappt, ist wieder das Landgericht Köln an der Reihe. Denn die von ihm gesetzte Frist für eine außergerichtliche Einigung endet am 20. Juli.
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