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Zukünftiger Verfassungsschutz-ChefMit lautem Rumms

Der zukünftige Verfassungschutzchef Hans-Georg Maaßen reagiert auf die Kritik, die ihm von vielen Seiten entgegenschlägt: „Es ist mir schnurz, ob ich Honorarprofessor bin“.

„Keiner will in einer Behörde arbeiten, die in der Öffentlichkeit als Deppenbehörde verschrien ist“, Maaßen am Donnerstag in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz | Am Donnerstagnachmittag sitzt Hans-Georg Maaßen an einem runden Konferenztisch im Bundesinnenministerium, weil er reden will. Er arbeitet hier im Haus in der Abteilung „Öffentliche Sicherheit“ als Leiter der zweiten Unterabteilung „Terrorismusbekämpfung“. In knapp zwei Wochen wird er Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Und jetzt schon ist die Kritik an dem Juristen heftig, als „empathieloser Technokrat“ wurde er bezeichnet, als Jurist mit „menschlicher Kälte“. Zwar hat ihn sein Dienstherr, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), in Schutz genommen. Aber Maaßen hat auch das Bedürfnis, sich selbst zu rechtfertigen.

Für Gewöhnlich wird in solchen Runden nur „im Hintergrund“ mit Journalisten geredet. Maaßen hat heute das Bedürfnis, offen zu sprechen, obwohl ihm seine Leute davon abgeraten haben. Maaßen will seine Sicht schildern auf sein Gutachten aus dem Jahr 2002 im Fall des Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz, das ihm jetzt vorgehalten wird. Und wie er es mit der Honorarprofessorenwürde hält, die ihm die Freie Universität Berlin verweigerte.

In der Gutachtensache, sagt Maaßen, habe er sich nichts vorzuwerfen. Er habe damals lediglich die rechtliche Regelung des Ausländerrechts beschrieben. Und die sei eben so strikt: Wer länger als sechs Monate im Ausland ist, dessen Aufenthaltsgenehmigung erlischt. Es gebe da im Gesetz keine Ausnahmen oder Härtefallregelungen. „Die Norm“, sagt Maaßen, „ist überhaupt nicht auslegungsfähig“. Und sie sei auch später so in das Zuwanderungsgesetz übernommen worden. Und es bedeute doch gar nicht, dass Kurnaz nicht hätte nach Deutschland einreisen dürfen, wenn es politisch gewollt gewesen wäre. Man hätte ihm ein Visum ausstellen können oder eine neue Aufenthaltsgenehmigung. Aber dafür sei das Innenministerium doch gar nicht zuständig gewesen. Maaßen wird lauter, während er spricht, und als er fertig ist, pfeffert er das Gesetzbuch, das er in der Hand hatte, mit einem lauten Rumms zurück auf den Tisch.

Hobby-Professur

Der 49-Jährige erzählt, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass er Honorarprofessor werden sollte. Seit 2001 war er Lehrbeauftragter an der Juristischen Fakultät der Freien Universität. „Für mich war es immer ein Spaß gewesen“, sagt er, ein Hobby. Seminare abhalten, Abschlussarbeiten betreuen, mündliche Prüfungen abnehmen.

Im Sommer 2008 habe man ihm gesagt, dass man ihn gerne als Honorarprofessor vorschlagen würde. Er habe natürlich „ja“ gesagt, warum auch nicht? Im Januar 2011 habe die Juristische Fakultät den Beschluss gefasst. Ein paar Wochen später, irgendwann im Frühjahr 2011, habe er dann zum ersten Mal gehört, dass es Widerstände an seiner Bestellung zum Honorarprofessor gibt. Eigentlich ist die Zustimmung des Akademischen Rates, in dem Professoren, Unimitarbeiter und Studenten sitzen, eine Formalie. Im Fall Maaßen vertagt das Gremium den Punkt immer wieder. Bis es vergangene Woche Maaßen den Professorentitel mit knapper Mehrheit verweigerte – aus politischen Gründen. Weil es Kritik gab an der Art und Weise, wie er 2002 als Referatsleiter Ausländerrecht agierte.

Er bedauere die Entscheidung der FU, sagt Maaßen. Ihm gehe es aber nicht um den Titel: „Es ist mir schnurz, ob ich Honororarprofessor bin.“ Er brauche ihn nicht, hätte ihn aber angenommen, aus Verbundenheit mit der Universität. Maaßen stört, dass es gar nicht um seine wissenschaftliche Reputation ging. Dass nicht er als Person angegriffen worden sei, „sondern in meiner Funktion“ – als leitender Beamter des Sicherheitsapparates.

Im Ministerium ist man erbost über die Kritik an Maaßen. Das sei eine „große Schweinerei gegenüber einem unserer besten Leute“, heißt es in Sicherheitskreisen. Maaßen sei kein Unmensch, genau das Gegenteil. Er habe sich etwa dafür eingesetzt, dass zwei Guantánamo-Häftlinge in der Bundesrepublik aufgenommen wurden, die mit Deutschland gar nichts zu tun hatten. Obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, es zu verhindern.

Maaßen selbst will trotz aller Kritik sein Amt antreten. „Ich möchte gerne Verfassungsschutzpräsident werden“, sagt er. Es sei doch eine „große Herausforderung“ eine Behörde zu leiten, die in der Bevölkerung viel an Vertrauen verloren habe. Auch im Ausland müsse der Verfassungsschutz wieder an Ansehen gewinnen. Und vor allem seien auch die Mitarbeiter zu motivieren. Denn keiner, sagt Maaßen, wolle doch in einer Behörde arbeiten, die in der Öffentlichkeit als Deppenbehörde verschrien ist.

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10 Kommentare

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  • W
    Weinberg

    Für den gescheiterten Honorarprofessor tröstende(?)Worte von Albert Einstein:

     

    „Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0.

    Und das nennen sie ihren Standpunkt.“

  • D
    daweed

    Dass sich an Maaßens Ansichten seither wenig geändert haben dürfte, lässt sich nachlesen: In der „Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik“, die er mitherausgibt, bedauert der designierte Verfassungsschutzchef Anfang 2011 in einem Aufsatz über „Staatsangehörigkeitsrechtliche Fragen der Terrorismusbekämpfung“ die aus seiner Sicht mangelhaften Möglichkeiten, radikalismusverdächtigen Muslimen die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Es sei „unbefriedigend“, dass das geltende Staatsangehörigkeitsrecht für beides so „wenig Handlungsspielraum“ biete.

     

    http://www.cicero.de/berliner-republik/hans-georg-maassen-kuenftiger-verfassungsschutz-chef-gilt-als-hardliner/51289

  • N
    noevil

    Einem Menschen sein persönliches Vertrauen zu schenken ist die eine Sache. Dazu muss man ihn kennengelernt haben. Ihm in seiner dienstlichen Eigenschaft Vertrauen zu schenken ist die andere. Ob seine Berufung in das Amt ihm einen Vertrauensvorschuss der Öffentlichkeit zugesteht, dürfte nach den Vorkommnissen der vergangenen Jahre ziemlich fraglich sein.

     

    Es liegt an ihm, der Öffentlichkeit durch transparente Amtsführung zu beweisen, dass er es verdient. Vorschussvertrauen wird er wohl nicht bekommen. Das muss er nicht einmal persönlich nehmen, vielleicht ist ihm das auch schnurz. Besser sollte er es als Ansporn, als Chance und als Aufgabe sehen.

     

    Er steht künftig dem Amt als Präsident vor - aber er hat in erster Linie dem Staat und dem Wohl dessen Bürger zu dienen. Dazu gehört neben all den ihm zugesprochenen Qualitäten auch ein Quäntchen Demut. Das sollte er nicht vergessen. Der Bürger vergisst es auch nicht.

  • DA
    Danke an die FU ...

    ... die ansonsten (meiner Beobachtung nach) Verhaltensweisen von Neolibs nicht zu selten blicken lassen, so, wie ich die stets erlebe. Aber bei den Rechtswissenschaften, also, alle Hochachtung.

    Danke!!!

  • SK
    Siegfried Koslowski

    Wer erwartet eigentlich von den Schlapphüten, dass einer von ihnen ein nicht "empathieloser Technokrat“ sein könnte. Der Stall gehört ausgemistet und unter die Kontrolle des (Wunschdenken) demokratischen Parlaments gestellt!

    S. Koslowski

  • DB
    Dafür bekam Mitterand den Euro

    Armes Deutschland: Schamlos und widerstandslos regiert von der Massenmörderin von Kundus, mit einer nie vom Volk ratifizierten "Verfassung" - dem Grunzgesetz - nie bezahlter Kriegsschulden in Höhe von 162 MRD vor Zinsen - selbst die Nazis fingen an ihre Kriegszwangsanleihen zu begleichen! - und dafür beging Kphl auch noch dreist Reparationsbetrug und zauberte aus der Wiedervereiterung den Beitritt, denn bis nach der Wiedervereinigung wollten die Gläubiger laut Pariser Verträgen großzügig warten und dabei hatte man die Schulden sogar noch zu 50% gestrichen.

    Das einzige was dem Pack mit den blonden Augen einfällt, ist widerliches eiskaltes Gegrinse, während sie diese dreisten Gläubiger aus dem Euro drängen, um billig Altersruhesitze abzugreifen.

    Man stelle sich vor dieses Land wäre Israel: Dann ständen schon längst Panzer in Frankfurt und Berlin, um die Schulden einzutreiben.

  • G
    Georg

    Die Denkweise, die sich bei Herrn Maaßen widerspiegelt, ist leider auch in diesem Kulturkreis immer wieder zu finden und hat Tradition. Ein positivistisches Denken ohne jeden humanistischen Ansatz. Die Radbruchsche Formel hat nie Einzug gehalten in diesem Denken und wird es leider wohl auch nicht.

     

    MfG Georgios Margaritis

  • J
    Jaheira

    Hatte Herr Maßen in sein Gutachten geschrieben, dass die alte Aufenthaltsgenemigung zwar formal abgelaufen war, aber eine Einreise mit einem Visum oder einer neuen Auftenthaltsgenehmigung problemlos möglich sei? Oder hatte er eher geschrieben: jepp, Ihr müsst den nicht mehr reinlassen?

    Wieso ist das Innenministerium nicht zuständig für Menschen, die hier lebten, bis sie des Terrorismus verdächtigt wurden? Und auch für die Frage, wer hier ohne deutschen Pass leben darf?

     

    Ich finde es gut, dass die Berliner FU ihm die Ehre der Honorarprofessur verweigert hat.

     

    Noch was: im Innenministerium wurde die Vernichtung von evt. interessanten Akten angeordnet. Wen genau möchte Herr Maaßen motivieren, damit besser gearbeitet wird?

  • J
    janosch

    Der letzte Absatz ist dämliche Effekthascherei.

    Bei SpOn kann man das komplette Zitat zu lesen:

    "Wer möchte schon abends nach Hause kommen und seiner Frau sagen, ich arbeite bei einer 'Deppenbehörde'. Das ist auch keine solche Behörde."

     

    Wär jedoch nur halb so lustig gewesen, nicht wahr, Herr Erb?

  • SJ
    Schrecklicher Jurist!

    Der Mann bereitet mit markigen Sprüchen seinen Abgang vor, bevor er überhaupt nur im Amt ist. Ist mal was Neues.