Leipziger Denkmal für 1989: Podeste zum Mitnehmen
Leipzig plant ein Denkmal, das an die "friedliche Revolution" von 1989 erinnert. Doch vielen Bürgern missfällt der Entwurf für das Kunstwerk, den eine Jury prämiert hat.
LEIPZIG taz | Ein Platz, so groß wie ein Fußballfeld, bedeckt mit 70.000 verschiedenfarbigen Keramikfeldern. Darauf befinden sich ebenso viele Podeste, ebenfalls in bunten Farben, die jeder mitnehmen kann. Die Zahl 70.000 soll für die Demonstranten stehen, die mit ihren Montagsdemonstrationen halfen, die DDR im Herbst 1989 zu Fall zu bringen, die Farben für die daran beteiligten Individuen.
Leipzig könnte damit um ein Denkmal reicher werden. Zum 25. Jahrestag der friedlichen Revolution, im Jahr 2014, soll das Freiheits- und Einheitsdenkmal eröffnet werden.
Doch seit die drei Preisträger-Entwürfe des Wettbewerbs bekannt sind, streiten die Bürgerinnen und Bürger der Stadt darüber, ob ihr Aufstand, der bei den Leipziger Montagsdemonstrationen seinen Anfang nahm, damit angemessen dargestellt wird.
„Für mich war der 9. Oktober 1989 der höchste politische Augenblick in meinem Leben. Jetzt sehe ich diese Entwürfe und empfinde sie als eine Verniedlichung dieses Ereignisses“, warf jüngst ein älterer Herr bei der Einwohnerversammlung in Leipzigs Neuen Rathaus ein. „Das kann ich nicht ertragen.“ Für diesen Einwurf erntete er im Publikum viel Applaus.
Zwar schmeichelt manchen Leipzigern die Idee, dass die bunten Podeste bald auf ganzen Welt verteilt sein und dort an Leipzigs Sternstunde in der Weltgeschichte erinnern könnten. Es sei ein Denkmal, das eine Gebrauchsanweisung brauche, bemängeln hingegen die Kritiker. Außerdem würden sich die Farben abnutzen und zu viel Pflege benötigen.
Hinzu kommen Vorwürfe, dass die Entscheidung für den Entwurf des Münchner Büros M + M, der bei dem Wettbewerb den ersten Platz davontrug, undemokratisch gefallen sei.
Der Deutsche Bundestag will das Denkmal mit bis zu 5 Millionen Euro fördern, weitere 1,5 Millionen Euro kommen vom Freistaat Sachsen. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung nennt dieses Geld ein „Geschenk“.
Bürger wollen mitentscheiden
Aber die Förderung bedeutet auch, dass die Bürger nicht selbst über die Gestaltung des Denkmals entscheiden dürfen.
„Es muss gesichert werden, dass eine Fachjury einen solchen Entwurf beurteilt und eine Empfehlung gibt“, erklärt er. „Über den Vergabeausschuss der Stadt wird dann später eine endgültige Entscheidung getroffen.“
Dagegen wandten sich manche Bürger auf der Einwohnerversammlung. „Was ist aus den Leipzigern geworden, dass sie sich nun die bereits getroffenen Entscheidungen erklären lassen, anstatt sie selbst zu treffen?“, fragte einer. Der Bürgerrechtler und Regisseur Konrad Weiß saß mit in der Jury, deren Urteil nun kritisiert wird.
Der Regisseur hat den Hut auf
„Ich habe viele Jahre als Regisseur beim Film gearbeitet. Da wird sehr lange über alles diskutiert, und jeder kann sich einbringen“, erklärte er den rund 400 im Neuen Rathaus versammelten Einwohnern. „Am Schluss aber hat einer den Hut auf – das ist der Regisseur. Dieser Regisseur ist nun die Stadt Leipzig“, befand er.
Die mangelnde Bürgerbeteiligung soll nun im Netz ausgeglichen werden. Unter www.denkmaldialog-leipzig.de können Hinweise gegeben werden, die in die weitere Diskussion einfließen sollen.
Doch dieses Portal soll nur noch bis Anfang August freigeschaltet sein – mitten in der Urlaubszeit. Fraglich, ob das allen Leipzigern reicht.
Leser*innenkommentare
manfredo
Gast
@ womue:
sehr geile idee! hätten sie mal bei dem wettbewerb mitgemacht.
es gibt noch alternativen:
z.B. : "Die Posaune von Leipzig"
http://www.youtube.com/watch?v=y_i3fo2y31M
womue
Gast
Warum nicht die Mitglieder des ZK der SED als Gartenzwerge in einem Brunnen, wo ihnen das Wasser immer bis zum Hals steht...
Ist den Sachsen ihr Humor vergangen?
auch das noch
Gast
ddr - deutsche(russischer satellit)
demokratische(wie bitte????)
republik(lächerlich)
überall wird die ostzonale terrorgruppe
als ddr bezeichnet.
weiß ja nicht wo meine
ost-mit-zeitgenossen aufgewachesen sind?
da wo ich aufgewachsen bin, hieß es bei
nicht wenigen kindern z.b.:
braune augen, schwarzes haar, ist ein jude,
ist doch klar. als 8 jähriger war ich zu
tiefst erschrocken, bin ich heute noch.
sehr leichtgewichtige, dünne menschen,
waren kz-schablonen, umgangssprachlich.
wo die kinder und jugendlichen dies nur
aufgegriffen haben, in diesem heute gerne
als bildungsluxusparadies dargestellten
terrorpädogogen-apparat, unter oberster
führung von leuten mit psychosen aus
flucht, verstecken und auch jahrelangem
zuchthaus-aufenthalten.
ich bin dafür als denkmal eine banane und
einen videorecorder aufzustellen, weil ich
denke, daß dies den eigentlichen grund für
die proteste darstellt. der größte teil
konnte einfach nicht mithalten beim kampf
um stellungen innerhalb des westgeldadels
im ostzonalen feudalsystem.
die aufstellung von videorekorder und banane
würde die situation klar beschreiben,
das wäre die darstellung der WAHRHEIT
da bin ich mir absolut sicher, da wir aber
menschen sind, bleibt die wahrheit wie fast
immer, auf der strecke, umgangsprachlich.
ich spreche aus erfahrung, weil ich die
ereignisse von 88/89 hautnah miterlebt und
gestaltet habe. verbot des sputnik, reaktionen
einiger auf die ereignisse in china,
kontrolle der wahlauszählung mai 89 usw.
es gab so gut wie keinen menschen, der es
überhaupt gewagt hätte, wirklich klar die
wahrheit zu sagen (flüstern und hinter vor-
gehaltener hand schon eher) und zu handeln.
es war die nackte angst in diesem terrorregime.
oft ist es im nachhinein so, die, wo mensch
meinte, woah, der sagt und handelt richtig,
waren stasi gesteuert, im's. nicht immer,
aber doch viel zu oft, jetzt, mit meinem
wissen von 2012 gehört das hier noch mit dazu.
es ist wie mit adolf, wer sein kampf gelesen
hatte, wußte schon wohin die reise geht.
ulbricht zum start der nächsten staatlichen
terrorveranstaltung: es muß aussehen wie
demokratie genossen! alles klar, oder?
da hab ich noch lange nicht gelebt.
schlußkommentar: die kommunisten konnten im
anschluß an die nazimordmaschine nicht wirklich
die sau rauslassen. sonst hätten wir hier
ereignisse wie unter stalin, mao, polpot usw.
gehabt. die lager der sowjetischen besatzung
nach 45 waren ja ein hauch davon.
so werden dem arbeiterführer thälmann bis
heute gedenkstätten gewidmet.
Stev
Gast
Leipzig wird ein Denkmal verordnet
„Am Schluss aber hat einer den Hut auf – das ist der Regisseur. Dieser Regisseur ist nun die Stadt Leipzig“
Und den Einwohnern von Leipzig wird damit gesagt , daß sie eben nicht "Leipzig" sind.
Die Auswahl krankt neben des Ausschlusses der Leipziger bei der Entscheidungsfindung (in diversen Umfragen gab es übrigens immer eine Mehrheit dafür, überhaupt kein neues Denkmal aufzustellen, es gibt schon einige), dem vorgesehenen Platz, der keinen Bezug zu 1989 hat und gerade frei war, auch an den ziemlich inspirationslosen Entwürfen. Die konnten durchweg keine Begeisterung auslösen. Gewinnen wird irgendein Mittelmaß. Das wäre dann wiederum passend für die Zeit der Errichtung und das drumherum.
Interessant wäre eine Art Dokumentationswand zu den Leuten, die am 9.10.1989 zu jener Demonstration auf der Straße waren. Über ihre Ziele und Wünsche zu jener Zeit und was aus ihnen (den Personen und den Zielen) wurde. Das wurde mal kurz andiskutiert, war dann aber wohl zu heikel (politisch unerwünscht), da Sachen wie deutsche Einheit und erneute Fremdbestimmung zu jener Zeit noch lange nicht Thema waren.