„Nur bei den Gebühren sind wir super“

KITA Schleswig-Holsteins Kitas liegen weit hinten bei der Integration von Migranten und beim Ausbau von Krippenplätzen. Experten wollen Eltern auf Ermäßigungen hinweisen und kulturelles Misstrauen abbauen

„Viele Eltern halten ihre Drei- oder Vierjährigen für zu jung“

Stephan Esser, GEW

Nur 60 Prozent der Kinder aus Migrantenfamilien in Schleswig-Holstein besuchen eine Kita, so wenige wie in keinem anderen westdeutschen Bundesland. Dies ergibt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Das Ergebnis sei „alles andere als überraschend“, sagt Markus Potten, Geschäftsführer des Verbands Evangelischer Kindertageseinrichtungen (VEK). Denn in fast allen Untersuchungen landeten die Kitas im Norden auf hinteren Plätzen. „Nur bei den Gebühren sind wir super“, meint Potten ironisch: In Schleswig-Holstein zahlen die Eltern besonders viel. Das wirke sich auf alle Familien aus, sagt Stephan Esser vom Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: „Nur rund 65 Prozent aller Dreijährigen gehen in die Kita. Die Zahlen steigen zum dritten Jahr hin an.“ Dann besuchen 91 Prozent der deutschen Kinder eine Einrichtung. Ein Grund sei, dass Eltern dafür keine Gebühren zahlen, aber das allein entscheide nicht, meint Esser: „Viele Eltern halten ihre Drei- oder Vierjährigen für zu jung – dabei sollte Förderung so früh wie möglich ansetzen.“ Die GEW und andere Gruppen hatten daher gefordert, das erste Kita-Jahr kostenfrei zu gestalten, die CDU, damals in der Koalition mit der SPD, hatte das dritte Jahr durchgesetzt. Anette Stein von der Bertelsmann-Stiftung sieht mehrere Gründe, warum Migranten-Kinder der Kita fernbleiben: niedriges Bildungs- und Einkommensniveau der Eltern sowie Misstrauen: „Wir brauchen interkulturelle Konzepte, damit die Eltern nicht befürchten, dass Kinder gegen ihre Kultur erzogen werden.“ Es sei wichtig, einkommensschwache Familien auf Gebührenbefreiung oder Ermäßigung hinzuweisen, sagt Stein. Doch damit tun sich die Kommunen in Schleswig-Holstein schwer: Die Städte und Kreise plagt zurzeit eher die Furcht, zu viele Kinder könnten in die Einrichtungen strömen: Jochen von Allwörden, Vorsitzender des Städteverbandes, hält es für fraglich, ob der gesetzlich vorgesehene Ausbau der Krippenplätze bis 2013 möglich ist – auch in diesem Bereich ist Schleswig-Holstein unterdurchschnittlich.

„Das zeigt, dass Kitas in Schleswig-Holstein nicht den Wert haben, den sie haben sollten“, sagt Markus Potten vom VEK. Das System müsse nicht nur durch mehr Geld, sondern auch durch neue Konzepte verbessert werden. Kein Problem sieht er darin, muslimische Kinder für evangelische Kitas zu begeistern. Denn dort werde darauf geachtet, die Feiertage aller Konfessionen zu begehen und über Glauben zu sprechen: „Wir wissen, dass religiöse Eltern eher eine christliche als eine konfessionslose Kita wählen.“ ESTHER GEISSLINGER