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Fachkräftemangel bei OttoRückkehr der Rentner

Der Hamburger Otto-Konzern holt pensionierte Mitarbeiter zurück, um personelle Engpässe zu kompensieren. Ist der Einsatz der Alten ein Modell auch für andere Firmen?

Gealterte Fachkraft: Der Hamburger Otto-Konzern holt seine Pensionäre zurück. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eigentlich hat der Hamburger Otto-Konzern nur das Naheliegendste getan. Weil dem Versandhändler Fachkräfte fehlen, hat Otto eine Tochterfirma gegründet, über die pensionierte Mitarbeiter in Teilzeit wieder einsteigen können.

Die Rentner werden nach demselben Gehaltsschlüssel bezahlt, der auch für die nicht-pensionierten Kollegen gilt. Am Ende sind alle glücklich: Der Konzern kann seine personellen Engpässe beheben und von der Erfahrung der Rentner profitieren. Und die Rentner verdienen sich etwas Geld dazu und haben das gute Gefühl, gebraucht zu werden.

Ein Modell also auch für andere Firmen? Aus Sicht der Hamburger Handelskammer und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) eher nicht. Die Handelskammer hat zum Thema Fachkräftemangel eine Broschüre herausgebracht, in der die Schlagwörter „Senioren“ oder „Rentner“ nicht vorkommen. Stattdessen rät die Handelskammer unter anderem, Mitarbeiter entsprechend aus- und weiterzubilden und sie – vor allem im Fall von körperlich harter Arbeit – so rechtzeitig umzuschulen, dass sie den Beruf bis zum Rentenalter ausüben können.

Auch der DGB sieht die Aus- und Weiterbildung als die zentralen Instrumente an, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Ferner sollte es genügend Aufstiegschancen in den Firmen geben, damit „unten in der Arbeitspyramide eines Unternehmens mehr Platz, zum Beispiel für Auszubildende, entsteht“.

Sowohl der Handelskammer als auch dem DGB sind nur wenige Fälle bekannt, in denen eine Firma auf pensionierte Mitarbeiter zurückgreift. Das berühmteste Beispiel ist der Stuttgarter Autozulieferer Bosch, der allein letztes Jahr 600 so genannte Senior-Experten einsetzte. In der Drogeriekette Budnikowsky gibt es einen „Rentner-Pool“ von derzeit 16 Leuten, die bei Neueröffnungen oder Krankheitsfällen aushelfen. Und im Hamburger Airbus-Werk übernehmen pensionierte Mitarbeiter Führungen.

Das Otto-Modell

Beschäftigt werden die Ex-Mitarbeiter bei der eigens gegründeten Otto Group Senior Expert Consultancy GmbH.

Hauptsächlich gebraucht werden die Rentner im IT-Bereich. Denkbar sei aber auch ein Einsatz in den Bereichen Personal, Einkauf und Finanzen.

Engagiert werden sollen Rentner zwischen 65 und 75 Jahren.

Im ersten Jahr will der Otto-Konzern 50 bis 60 Senioren einsetzen. Insgesamt hat Otto rund 26.000 Mitarbeiter in Deutschland, weltweit sind es rund 53.000.

Dass der Rentner-Einsatz Seltenheitswert hat, mag auch an den Rentnern selbst liegen. In einer Forsa-Umfrage, die die Körber-Stiftung und der Stern in Auftrag gegeben haben, äußerten nur sieben Prozent der über 65-Jährigen den Wunsch, den alten Beruf weiterzuführen. Dafür lehnten 91 Prozent jegliche Verpflichtung im Alter ab.

Aus Sicht der Arbeitsmarktpolitik findet der Deutsche Gewerkschaftsbund den befristeten Einsatz von Rentnern bei Otto übrigens okay. „Klar sollte bei solchen Maßnahmen aber sein: Sie dürfen nie die Regel werden“, sagt Hamburgs DGB-Chef Uwe Grund. Dann nämlich könnten die Jobs der Stammbeschäftigten in Gefahr geraten.

Beim Otto-Konzern begegnet man dieser Sorge, indem man den Einsatz der Alten auf maximal 50 Tage im Jahr begrenzt. Es würden keine Vollzeit-Jobs durch Rentner besetzt, heißt es.

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4 Kommentare

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  • M
    Marko

    Ich finde das sehr gut. Sehe das sehr gut bei meinem Vater. Sein Leben lang gearbeitet, dann seit 3 Jahren Rentner. Aber seit März arbeitet er wieder in dem Betrieb wo er vorher über 30 Jahre gearbeitet hat. Ich persönlich könnte es mir auch nicht vorstellen als Rentner auf der faulen Haut zu liegen.

  • S
    silla

    Und damit (mit 50 Tagen im Jahr) werden die Mitarbeiter nach dem Gesetz vermutlich "kurzfristig" eingesetzt, sprich-es müssen keine Sozialabgaben vom Arbeitgeber gezahlt werden. ist doch äußerst praktisch für den Konzern :-).

  • G
    großmeister_b

    Im Prinzip finde ich es ja gut, wenn ältere Menschen als Arbeitskräfte noch gebraucht werden.

     

    Allerdings sollte man bezüglich "Fachkräftemangel" immer wieder mal kritisch nachfragen.

    Denn bei mir ist in so einem Fall immer der Verdacht da, dass man, wie so oft, Bewerber sucht, die ganz genau das können, was gebraucht wird, nicht mehr und nicht weniger, optimalerweise mit ca. 2 Jahren Berufserfahrung.

    Die Firmen wollen am liebsten Bewerber, die sie einfach an den Arbeitsplatz setzen können und die dann loslegen.

    Das ist natürlich nicht realistisch.

    Es bewerben sich Leute auf die Stelle, aber bei denen passt das Profil nicht genau, so dass Einarbeitung nötig ist: Wollen sie nicht, zu aufwändig.

    Oder der Bewerber kann mehr (mehr als 3 Jahre Berufserfahrung) und will auch entsprechend bezahlt werden. Das heißt dann für die Firmen: "überqualifiziert".

     

    Der kleine Rest sind dann die, die ganz genau auf die ausgeschriebene Stelle passen. Das sind aber nicht genug, um den Fachkräftebedarf zu decken.

    Und so kommt heutzutage der "Fachkräftemangel" zustande.

  • H
    HevoB

    ... und damit klauen die Rentner den jungen dann noch die Jobs.

     

    Das in Firmen Fachkräftemangel herrscht ist zumal den Firmen zuzuschreiben. Wer nicht ausbildet hat halt keien Mitarbeiter. Wenn man dann noch Rentner zurückruft, welche die attraktiveren Jobs besetzen muss man sich in der Konsequenz nicht wundern wenn die junge Generation nicht unbedingt hochmotiviert ist.

     

    Meines Erachtens ein höchst assoziales Verhalten der Rentner, erst Rente kassieren (welche ja von den jungen finanziert wird) und dann die Jobs klauen.