DEUTSCH-TÜRKISCHE KRISE
: Der Teufel

„Ich hatte nichts gegen Türken. Ich habe einen geheiratet“, sagt sie

Zwischen Prinzenstraße und Hallesches Tor bummelt die U-Bahn im Schritttempo dahin. Zeit genug für eine ausführliche Szene: Eine mittelalte Frau, etwas aus der Form gegangen, beklagt sich bei einem jungen, ihr offenbar unbekannten Türken über ihr Leben, und das sehr laut. Die anderen grinsen verlegen. „Ich habe ja nichts gegen Türken gehabt“, erklärt sie. „Aber was mir passiert ist. Ich war mit einem verheiratet. Und das war der Teufel. Der Teufel! Er hat mich schikaniert, er hat mich kontrolliert, er hat mich beleidigt, er hat mich total fertiggemacht. Der Teufel! Ich war so kaputt, ich konnte nicht mehr arbeiten, ja, ich bin jetzt arbeitsunfähig. Er hat mich ruiniert. Ich hatte gar nichts gegen Türken. Ich mochte eure Leute, ich mochte die Lebensart, alles wunderbar. Aber dann hat der Teufel mich zugrunde gerichtet.“

Ich verspüre eine sozialpädagogischen Impuls: Nur anderen die Schuld geben ist nicht gut, denkt mein vorbildlich geschultes Ich. Und den jungen Türken in Kollektivhaftung nehmen, also nein. Die Frau aber ist nicht zu bremsen, sie wird immer lauter, als falle ihr Unglück ihr selbst erst jetzt so richtig auf. „Er hat mein Leben zerstört! Schauen Sie mich doch an. So wie ich aussehe, krieg ich doch im Leben keinen Mann mehr!“ Na ja, ein bisschen abnehmen und eine ordentliche Frisur, denkt das sozialpädagogische Ich weiter, das mir langsam auf die Nerven geht, und es pult auch noch den Begriff „rassistisch“ hervor. Aber nur kurz und nebenbei, weil es der Frau doch immerhin schlechtgeht.

Die U-Bahn bummelt vor sich hin, das Hallesche Tor kommt in Sicht. Der junge Türke lächelt verlegen. Reagiert er? Und wie? Fühlt er sich angemacht? Die Türken diffamiert? „Das war der Teufel!“, hebt die Sirene wieder an. Schließlich, als sich die Türen schon öffnen wollen und alles in Bewegung gerät, antwortet der junge Mann. „Pech gehabt!“, sagt er hilflos, aber freundlich. HEIDE OESTREICH