piwik no script img

Kommentar Außenpolitik der PiratenparteiDer Schwarm und seine Phrasen

Sebastian Erb
Kommentar von Sebastian Erb

Die Piratenpartei hat gute Chancen, 2013 in den Bundestag einzuziehen – höchste Zeit, dass sie sich mit Außenpolitik befasst. Das fällt ihr nicht leicht.

D ie Piratenpartei beschäftigt sich ein Wochenende lang auf einer Konferenz mit Außenpolitik: Allein das ist für viele schon überraschend. Müssen sich die Piraten doch immer vorwerfen lassen, sich mit wichtigen Themen gar nicht zu beschäftigen.

Jetzt zeigen die Piraten zumindest Interesse, die Lücken zu schließen. Und darin liegt für die Partei eine Chance: Mit deutlich formulierten Alternativen könnten sie Wähler für sich gewinnen. Etwa mit der Forderung nach mehr Transparenz und parlamentarischer Kontrolle bei Rüstungsexporten, wie sie die schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete und Ex-Grünen-Chefin Angelika Beer erhebt.

Deutliche Ansagen also sind nötig. Einfach wird das nicht. Auf der Tagung in Potsdam wird deutlich, mit welchen Schwierigkeiten die Basisdemokratie der Piraten behaftet ist. Es gibt keine Vorgaben von oben, die Basis soll das Vollprogramm für die Bundestagswahl schreiben. Doch die Zeit für die Schwarmintelligenz ist äußerst knapp.

Sebastian Erb

ist Redakteur im Inlandsressort der taz.

Ende November wollen die Piraten auf einem Parteitag in Bochum ihr Programm endgültig beschließen. Das Online-Werkzeug Liquid Feedback, mit dem die Piraten Anträge einbringen und abstimmen, ist dabei keine wirkliche Hilfe. Denn Liquid Feedback-Entscheidung ist nur begrenzt aussagefähig. Allenfalls ein paar hundert Mitglieder beteiligen sich, wenige „Superdelegierte“, denen viele Stimmen übertragen wurden, können das Ergebnis unter sich ausmachen.

Und einzelne Entscheidungen widersprechen sich. Die Piraten brauchen also Einzelpersonen und kleine Gruppen, die kompetent und zielgerichtet Programmbausteine erarbeiten. Der Schwarm, das wurde schon auf der vergleichsweise überschaubaren Konferenz deutlich, verliert sich allzu schnell in wolkigen Weltverbesserungsphrasen. Welche Punkte ins Programm aufgenommen werden, wird dann auf dem Parteitag entschieden. Und dort birgt der der radikale basisdemokratische Ansatz der jungen Partei enormes Überraschungspotenzial.

Denn die Piraten schicken keine Delegierten zu Parteitagen, jedes Parteimitglied kann kommen und mit abstimmen. Und keiner weiß so richtig, für was die Piratenmitglieder eigentlich stehen. Eines ist aber klar: Die Piraten müssen konkret Position beziehen, wenn sie nicht in der Versenkung verschwinden wollen. Am Anfang war es vielleicht noch frisch und ehrlich, wenn die Piraten sagten: „Dazu habe wir noch keine Position.“ Jetzt erwarten die Wähler konkrete Antworten. Und nicht nur im Bereich Außenpolitik sind weiße Flecken im Programm zu füllen.

Es gibt eine Reihe weiterer Themen, bei denen die Piratenpartei bislang keine Haltung hat: Wirtschaft, Euro-Krise oder die Energiewende. Und selbst in ihrem Kernthemenbereich, Internet und Urheberrecht, sind noch mehr Lücken als man erwarten würde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Sebastian Erb
Reporter
Von 2011 bis April 2023 bei der taz. Zuletzt Reporter im Ressort Reportage & Recherche mit Schwerpunkt auf investigativen Recherchen. Er hat Sozialwissenschaften studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Themen u.a. Rechtsextremismus in Bundeswehr und Polizei (#Hannibal), Geheimdienste und Missstände in NGOs. Er gibt Seminare zur (Online-)Recherche. Sicher zu erreichen per Threema: 7D8P2XSV

9 Kommentare

 / 
  • MS
    Martin S.

    Überschrift: Der Schwarm und seine Phrasen. Wo beschäftigt sich dieser Artikel mit den Phrasen?

  • JB
    Jenny Becker

    Im Liquid Feedback System beteiligen sich aktiv einige Hundert an der Entwicklung von Programmsätzen, einige Tausend Mitglieder regelmäßig an Abstimmungen. Und zwar eigenhändig, nicht nur über Delegationen. Haben sie sich im System überhaupt schon mal umgeschaut, oder schreiben Sie einfach immer wieder die ollen Kamellen ab? Die Umfragen sind gemessen an der Beteiligung m. E. nach allerdings repräsentativ!

  • Z
    Zafolo

    Miserabler Artikel. Die Abstimmungen im Liquid Feedback liefern sehr wohl deutliche Anhaltspunkte, wie die Parteimitglieder zu Themenbereichen wie Energie- oder Außenpolitik stehen ==> http://lqfb.piratenpartei.de

     

    Diese Ergebnisse sind nicht verbindlich aber es ist sehr wahrscheinlich dass auf dem nächsten Programmparteitag Beschlüsse gefasst werden, die dem folgen.

  • M
    Martin

    Zu Beginn des Piratenhypes fand ich es ja noch interessant, was sich da so inhaltlich entwickelt und welche Diskussionen bei denen so laufen.

    Inzwischen bin ich nur noch entsetzt über das Maß an Naivität und die immer gleichen Argumente, mit denen versucht wird, das Fehlen klarer inhaltlicher Positionen zu rechtfertigen.

    In S-H wurde anfänglich sogar über Regierungsoptionen nachgedacht. Letztlich verzettelte man sich aber bei Geschäftsordnungsthemen ("Ältestenrat"). Klarheit und Transparenz bei wesentlichen Fragen, z.B. bei der MP-Wahl fehlt bis heute.

     

    Ich würde sagen: fertig machen zum Kentern (bis zur BT-Wahl bleibt noch ein Jahr Zeit dafür)

  • IW
    innen wie außen?

    Naja, Frau Beer als Ex-Grüne war doch immer für Kriegseinsätze oder?

     

    Auch jetzt mit einem schicken neuen Abgeordnetenmandat bei den Piraten (nachdem sie bei den Grünen nicht mehr aufgestellt wurde), ist sie nicht mal gegen Rüstungsexporte.

     

    Und der Bundesvorsitzende der Piraten, Herr Schlömer, ist Beamter im CDU - geführten Verteidigungsministerium. Herr Nerz vom bundesvorstand der Piraten war früher bei der CDU und hat auch anscheinend noch heute jede Menge CDU-Ansichten.

     

    Es bleibt also interessant, ob bei den Piraten ein zu CDU,SPD,FDP und Grünen alternatives Außenpolitikskonzept heraus kommt. Bisher hat nur die Linkspaertei andere Positionen.

  • P
    @PParzival

    Vier Punkte sind aus meiner Sicht dem Schwarm der Piraten wichtig:

     

    1. Beteiligung/Basisdemokratie: Nicht eine kleine Gruppe von Parteifunktionären soll das Parteiprogramm erarbeiten und formulieren sondern so basisdemokratisch wie möglich alle Parteimitglieder und Bürger.

     

    2. Der einzelne Mandatsträger soll im Rahmen des Programms nicht als Stimmvieh unter Fraktionszwang sondern als mündiger Abgeordneter sich von Fall zu Fall seine eigene Meinung bilden und eine entsprechende Position finden können.

     

    3. In welchem Wahlprogramm 2009 stand der Demokratieabbau per ESM?

    Dazu:

    „…Das wir jetzt Wahlprogramme, Grundsatzprogramme und so weiter verabschieden, ist eigentlich aus meiner Sicht nen Service, ne Dienstleistung für Bürger, die uns kennenlernen wollen, weil wir Beispiele geben wollen, wie Politik aussehen könnte, wenn sie Piraten machen. Aber wir glauben gar nicht daran, dass man jetzt ein Wahlprogramm verabschieden könnte, was Antworten gibt auf Herausforderungen, die in drei Jahren kommen. Also diese schnelle Dynamik, die wir in der Partei, die wir im Netz, die wir in der Gesellschaft wahrnehmen, wir glauben eigentlich, dass das ein veraltetes Konzept ist, Wahlprogramme zu machen. Aber wir wissen, das wir nur verstanden werden, wenn wir da auch mitmachen, in diesem Wahlprogramm-Erstellungs-Spiel. Viel spannender ist es, das wir Tools entwickeln, wo wir innerhalb von zwei, drei Wochen eine Position abfragen können unter allen Mitgliedern…“ Johannes Ponader

     

    4. Die die von uns ein vollständiges Wahlprogramm fordern, sollten sich die "vollständigen", meist aber nur bis zur Wahl geltenden Wahlprogramme der Alt-Parteien anschauen. Ich denke da an z.B. wie aus keiner Mehrwertsteuererhöhung (SPD) und maximal 2% Erhöhung (CDU) nach der Wahl 3% Erhöhung wurden.

     

    Zusammengefasst:

    lieber gefühlt weniger aber dafür ehrliche und nach breiten Diskurs basisdemokratisch mit 2/3-Mehrheit beschlossene Positionen

    als lautsprecherisch und speudoomnipotent zu allem eine vorgefertigte Meinung per Wahlprogramm verkünden.

     

    Jeder Bürger ist aufgerufen und eingeladen Teil der Schwarmintelligenz zu werden!

     

    Pirat Parzival / @PParzival

  • BS
    büschn schade

    dass der Artikel (abgesehen von Angelika Beers Vorschlag) keine einzige der bisher vorgebrachen Positionen mal wörtlich zitiert oder wenigstens inhaltlich umreißt.

    Unter "sich widersprechenden Positionen" oder "wolkigen Weltverbesserungsphrasen" kann man sich nun wirklich alles und nichts vorstellen.

     

    Dieser taz-Artikel ist mal wieder sehr, sehr schlecht.

     

    Ich habe keines der Piratendokumente zu Außenpolitik gelesen, aber wolkiger als dieser Artikel können sie gar nicht sein. Da man darin sicher einzelne Vorschläge nachlesen kann, können sie eigentlich nur konkreter sein.

     

    Ich frage mich zum wiederholten Male ob es bei der taz so etwas wie eine Qualitätskontrolle gibt.

  • D
    Daniel

    "Etwa mit der Forderung nach mehr Transparenz und parlamentarischer Kontrolle bei Rüstungsexporten, wie sie die schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete und Ex-Grünen-Chefin Angelika Beer erhebt.Deutliche Ansagen also sind nötig."

     

    Es tut mir leid, aber ich halte "mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle bei Rüstungsexporten" nicht wirklich für eine deutliche Ansage.

     

    Die Linke fordert z. B. "Verbot aller Rüstungsexporte" - Das ist 'ne Ansage!

     

    Oder die CSU fordert "Salafisten in Deutschland bekämpfen und Salafisten in Saudi-Arabien mit Panzer beliefern" - Das ist auch 'ne Ansage.

     

    Es bleibt aber die Frage, wie gut man mit 'nem leitenden Angestellten aus'm Kriegsministerium als Parteivorsitzenden 'ne kritische Position zum Krieg vertreten könnte ... Wir werden sehen, was rauskommt.

  • X
    XXX

    Warum muss man zu jeder problematischen Frage wie Eurorettung, Beschneidung, ... schon eine vorgefasste Meinung haben, die dann irgendwann als Fraktionszwang durchgesetzt wird?

    Ich wünsche mir denkende und unabhängige Abgeordneten einer nicht von Lobby-Interessen gesteuerten Partei, die -wenn sie im Bundestag sind- konkret anstehende Entscheidungen wie zum Beispiel den ESM sorgfältig überdenken. Im Gegensatz zum CDUCSUFDPSPDGrünen-Stimmvieh werden sie dann natürlich zu anderen Schlüssen kommen, das ist ziemlich automatisch, ohne dass man es schon ausarbeiten muss, bevor sich die Frage überhaupt stellt.