Medizin: Das geht an die Nieren
Charité und Herzzentrum fürchten um die Bereitschaft, Organe zu spenden.
Die Berliner Kliniken befürchten einen Rückgang bei den Organspenden. Der Grund ist der Skandal um manipulierte Organtransplantationen in Göttingen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Fall einen Rückgang der Organspenden zur Folge hat“, sagte der Direktor des Deutschen Herzzentrum Berlins, Rudolf Hetzer. „Wenn die Leute den Eindruck haben, dass Ärzte Lumpen sind, spenden sie auch keine Organe.“ Das Herzzentrum ist eine der größten Kliniken dieser Art in Deutschland.
Ähnlich sieht das der Direktor der Uniklinik Charité, Ulrich Frei: „Diese Ärzte haben bewiesen, dass man ihnen nicht vertrauen kann. Diese Geschichte mindert ganz massiv das Vertrauen der Menschen in uns.“ Frei fordert eine Verschärfung der Kontrollmechanismen: „Unangemeldete Kontrollen oder ein 4-Augen-Prinzip wären denkbar.“ Demnach soll die Manipulation von Patientendaten verhindert werden, indem mehrere Mediziner die Daten potenzieller Organempfänger überwachen. Gerade bei Lebertransplantationen seien Werte und Kriterien schwer überprüfbar, sagte Frei. Eine Neuregelung des am Mittwoch in Kraft getretenen Organspendegesetzes halten beide Ärzte jedoch nicht für nötig.
Das Gesetz sieht vor, in jedem Klinikum einen Transplantationsbeauftragten zu ernennen. Dieser soll die Entnahme und Vermittlung von Organen organisieren und überwachen. Außerdem sollen Patienten, die zu Lebzeiten ein Organ spenden, Anspruch auf mehr Leistungen der Krankenkasse erhalten.
Eine weitere Regelung des Gesetzes tritt erst im November in Kraft. Von da an gilt die Entscheidungslösung: Die Krankenkassen kontaktieren ihre Mitglieder ab 16 Jahren und werben für einen Organspendeausweis. An der Charité setzt man vor allem auf diese Initiative. Das Thema soll so in den Familien ankommen und die Spendenbereitschaft erhöhen – das war zumindest die Hoffnung, bis der Göttinger Fall bekannt wurde. Transplantationsbeauftragte sind an vielen Berliner Kliniken bereits der Normalfall: An der Charité gibt es einen an jedem Standort, ebenso am Berliner Unfallkrankenhaus und dem Herzzentrum. Transplantationen finden vor allem an der Charité und am Herzzentrum statt. Bundesweit warten etwa 12.000 Menschen auf ein Organ. Die Zahl der Transplantationen in Berlin geht seit Jahren zurück.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen