Bogotá hilft Berliner Straßenkids

Das Projekt „Drugstop“ kümmert sich um Straßenkinder. Unterstützt wird es von Terre des Hommes. Erfahrungen, die die Organisation in Südamerika gesammelt hat, sollen in Berlin genutzt werden

Von Giuseppe Pitronaci

Der Superheld heißt Captain Arbeitsamt. Er greift einen Schurken an, der „Sozial Schmarotzer“ heißt. Das – ironisch gemeinte – Paar hat jemand mit grellen Farben auf einen Teller gemalt, den man gegen eine Spende an die Malerwerkstatt von „Drugstop“ mit nach Hause nehmen kann. Drugstop ist eine Projekt in Friedrichshain, bei dem Sozialarbeiter Kinder und Jugendliche ansprechen, die auf der Straße leben – und die oft auch Probleme mit Alkohol und anderen Drogen haben.

Die Malerwerkstatt existiert seit März. Nun kam die Zusicherung, dass sie weitere drei Jahre finanziert wird – von Terre des Hommes. Die Organisation ist dafür bekannt, Projekte mit Straßenkindern zu finanzieren. Allerdings denken die meisten dabei an Südamerika, Afrika oder Asien. „Viele Menschen glauben, das Problem existiere hier nicht“, sagt Albert Recknagel von Terre des Hommes. Er räumt zwar ein, dass die Probleme und Chancen von Straßenkindern in Asien und Berlin nicht die gleichen sind. Aber es gibt in der Dritten Welt einen Vorsprung in der Erfahrung mit Straßenkindern, den er nutzen möchte für die Arbeit in Deutschland. „Hier kann der Süden dem Norden helfen“, sagt er. In der Zukunft möchte er einen „interkulturellen Erfahrungsaustausch“ erreichen: Sozialarbeiter zum Beispiel aus Bogotá sollen nach Berlin kommen und umgekehrt.

In Berlin werden die Sozialarbeiter von Bogotá dann wohl auch zu den Punkern gehen, die mit ihren Hunden ihr „Wohnzimmer“ am Brunnen auf dem Alexanderplatz haben. Die Malerwerkstatt ist ein „Lockmittel“, um junge Menschen von der Straße zu holen, sagt André Vick, Projektleiter bei Drugstop. „Die Jugendlichen können langsam Vertrauen fassen und erst mal ihre Probleme abladen“, berichtet er. Gleichzeitig können sie sich hier ganz langsam daran gewöhnen, ein Leben mit fester Wohnung und Arbeit zu führen.

Dass solche bürgerlichen Vorstellungen nicht unpopulär sind bei den Klienten von Drugstop, zeigt eine Fotoausstellung, die gestern im Flur der Werkstatt eröffnet wurde. Zu sehen sind Porträts mit Punkern von der Straße und ihren Hunden. Unter jedem Foto ist ein Zitat zu lesen über die Wünsche der Fotografierten: „Ich träume von ’nem Job und ’nem Auto“, kann man da lesen. Oder: „Ich möchte mit meinem Schatz eine kleine Familie gründen.“ Gemacht hat die Bilder die Fotografin Anja Lehmann – ehrenamtlich.

Einer der abgebildeten Punker ist gerade in der Malerwerkstatt und sagt, was er für sich und seine Freundin wünscht: „Ein Haus mit großem Grundstück, das wär’s.“ Er hat „keine Lust mehr, auf der Straße rumzugammeln“. In einigen Wochen möchte er bei „Punks and Dogs“ mitmachen, einem weiteren Projekt von Drugstop. Auf 1,50-Euro-Basis können die Jugendlichen dabei in einem Tierheim in Brandenburg arbeiten, mit der Aussicht auf einen Ausbildungsplatz. Er will Tierpfleger werden: „Ich bin 27, ich muss langsam was machen.“

Nicht alle Klienten von Drugstop haben solche Wünsche. In diesem Jahr haben die Sozialarbeiter rund 400 Jugendliche auf der Straße angesprochen. Etwa 60 ließen sich intensiv betreuen. Sie sind jene, die in der Werkstatt Teller bemalen – und träumen: von Job, Familie und Haus.