piwik no script img

Fuck MarketingEigentor zur Welt

Ein Fotowettbewerb des Stadtportals hamburg.de zur Beleuchtungsaktion "Blue Port" wird durch eine unplanmäßige Lichtinstallation ad absurdum geführt

Abstimmungssieger mit Herz und Verstand. Bild: Nils Waldow

Eigentlich hätte alles ein perfektes, in leuchtendes Blau getauchtes Gesamtbild abgeben sollen: Das offizielle Internetportal der Stadt hamburg.de hatte einen Foto-Wettbewerb ausgeschrieben. Thema: Das Projekt „Blue-Port“, das am vergangenen Wochenende den Hafen illuminierte.

Die Teilnehmer waren aufgerufen, ihre „schönsten“ Bilder der von Lichtkünstler Michael Batz angebrachten Installationen einzusenden. Die mit Abstand meisten Stimmen im Online-Voting bekam ein Foto, das eine Lichtinstallation aus den Buchstaben „FUCK U“ an einer Brücke über die St.Pauli Hafenstraße zeigte. Sie stammt nicht von Batz, die Urheber werden in verschiedenen Initiativen im Stadtteil vermutet. Mit der Aktion protestieren sie gegen die ständigen Großveranstaltungen in Hamburg.

„Es gibt nun einen technischen Sieger und einen Sieger der Herzen“, erklärt Torralf Köhler, Sprecher von hamburg.de, auf der Pressekonferenz gestern Nachmittag: Die „FUCK U“-Fotografie habe die meisten Stimmen bekommen. Der „Sieger der Herzen“ hingegen ist für Köhler ein Bild von der Köhlbrandbrücke – das Foto schaffte es nicht unter die ersten fünf, bekam aber die meisten Stimmen nach mehreren Abbildungen, die den „FUCK U“-Schriftzug abbilden.

„Wenn in meinem Viertel so viele Events stattfänden, hätte ich auch die Faxen dicke“, erklärt Nils Waldow nach der Preisübergabe. Er ist der „technische Sieger“, der das „FUCK U“-Bild mit den meisten Stimmen einreichte. Der 35-jährige Dulsberger ist Fotograf und Sozialpädagoge. Lichtkünstler Michael Batz sitzt neben ihm. Er teilt Waldows Ansicht: „Wenn ich mir meine Kunst bei den Cruise-Days-Übertragung neben einem großen NDR-Partyzelt angucken muss, finde ich das auch nicht glücklich“, sagt er. Angegriffen fühle er sich nicht, denn auch er selbst stehe der „Eventisierung“ kritisch gegenüber. „Ich bin nicht die Fototapete der Unterhaltungsindustrie“, sagt Batz.

Die Verantwortlichen von hamburg.de bedanken sich bei Waldow für den Mut zu kommen. Ursprünglich sollte der Sieger einen großen, von Batz handsignierten Abzug erhalten. Außerdem versprochen war die einwöchige Platzierung des Gewinnerbildes auf der Facebook-Seite des Internetportals.

Doch am Ende gehen beide Sieger so gut wie leer aus: Die großen Abzüge befinden sich noch in der Produktion, für den Übergang wurden A 3-große Pappmaschee-Varianten gereicht. Aber Batz weigert sich, zu unterschreiben. „Das ist doch affig. Auf so Fake-Geschichten habe ich keine Lust“, sagt er bestimmt und gibt dem konsternierten Köhler den Stift zurück.

Auch das Titelbild auf der Facebook-Seite von hamburg.de wird nicht das „FUCK U“-Bild. „Eigentlich finden wir es auch undramatisch, aber wenn jemand den Hintergrund nicht kennt und unsere Seite besucht, dann wird das schwierig“, sagt Köhler. Waldow hadert mit der Entscheidung: „Schade eigentlich, ich hätte mir schon gewünscht das dort zu sehen. Zufrieden bin ich damit nicht.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 /