Nacktgescannt: Das Ich ist eine Gummipuppe

Der Mensch ist süchtig nach Bildern von sich selbst. Schon Eadweard Muybridge, der britische Foto-Pionier aus dem 19. Jahrhundert, wollte mit seinen „Animal Locomotion“-Aufnahmen etwas erschließen, was dem Auge bis dato verborgen war. Die Fotoserien von rennenden Windhunden, Diskus werfenden, nackten Männern und treppensteigenden, nackten Frauen machten Bewegungsabläufe sichtbar, die bisher ungeschaut waren. Wissenschaftliches Interesse und erotische Schaulust gingen Hand in Hand.

Muybridge blieb an der Körperoberfläche; jüngere bildgebende Verfahren befriedigen die Sehnsucht nach dem Blick ins Körperinnere. Heute kann man via Endoskopie in den Magen und in die Lunge schauen, das Gehirn lässt sich mithilfe von Kernspin- oder Computertomografie erkunden. Doch eh man sich’s versieht, schaut das Körperinnere zurück. Wer jemals sein kernspintomografiertes, in Scheiben geschnittenes Gehirn angeguckt hat, wird der abgenutzten Sentenz, Ich sei ein Anderer, neue Facetten abgewinnen.

Nun also der Ganzkörperscanner. In der aktiven Terahertz-Variante produziert er ein Bild vom Menschen, das ausschaut, als habe jemand den Roboter aus „Metropolis“ mit den Androiden aus „Terminator“ gekreuzt. Nacktheit ist nicht mehr einfach nur Nacktheit, sie definiert sich eher wie bei James Cameron: Man zieht dem Gescannten die Haut ab, darunter liegen dann Muskeln aus flüssig-flexiblem Stahl – ist das nicht grausig und aufregend zugleich? Beim Testbetrieb am Amsterdamer Flughafen werden die Androiden-Bilder verfremdet, um die Intimsphäre der Passagiere zu wahren. Mit der Konsequenz, dass der Gescannte wie ein blaustichiger Dummy aussieht. Ich ist eine Gummipuppe.

Noch ärger treibt es der Röntgen-Scanner der US-amerikanischen Firma Rapiscan. „Secure 1000“, so sein Name, stellt mit einer geringen Strahlendosis seltsam unscharfe, milchige Bilder her, sie könnten von einem Nachtsichtgerät stammen. Zuletzt habe ich so etwas in zwei spanischen Horrorfilmen gesehen, in „[Rec]“ und „[Rec] 2“ von Jaume Balagueró und Paco Plaza. Darin sieht das Monster fast genauso aus wie der ältere Herr auf dem Scannerbild des „Secure 1000“, nur ist es deutlich dünner und eigentlich eine Frau. Die Aufnahmen des Monsters stammen aus der Videokamera einer neugierigen TV-Reporterin. Kaum hat sie die ersten Bilder im Kasten, fällt das Monster über sie her. Unnötig zu sagen, welches Wesen von da an die Kamera führt. CRISTINA NORD