Sigmar Gabriel auf Teilzeit: Die CDU freut sich schon
War Sigmar Gabriels Wunsch nach Teilzeit ein Rückzug von der Spitzenkandidatur? Die SPD glaubt nicht dran und die CDU will nun Taten sehen.
BERLIN taz | „Sigmars Interview? Das hab ich gar nicht gelesen“, sagt Andrea Nahles. „Das glauben Sie mir jetzt nicht, oder?“ Freundlich lächelnd eilt sie zu ihrem Dienstwagen. Tatsächlich ist kaum zu glauben, dass die SPD-Generalsekretärin den täglichen Pressespiegel nicht liest. Falls doch, hätte sie darin ein Stern-Interview mit ihrem Parteivorsitzenden gefunden.
Dem Magazin sagte Sigmar Gabriel, er werde nach seiner Babypause „nicht mehr 12 bis 16 Stunden am Tag verfügbar“ sein. Er habe nie vorgehabt, „sozusagen nebenberuflich“ Vater zu werden. Der 52-Jährige ist im April Vater einer Tochter geworden und hat den Sommer über Elternzeit für „Mariechen“ genommen.
Da Sigmar Gabriel bislang als einer der infrage kommenden SPD-Spitzenkandidaten im Bundestagswahlkampf 2013 gilt, könnte man seine Einlassung als erste Rückzugsbewegung von der Kandidatur verstehen. Seine beiden Mitbewerber, Exbundesfinanzminister Peer Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, sind ihm in der Wählerzustimmung weit voraus.
Juso-Chef Sascha Vogt kann eine Rückzugsbewegung Gabriels nicht erkennen. „Das eine ist sein Privatleben, das andere ist die Partei“, sagt er der taz. „Er hat seine Kandidatur ja nicht ausgeschlossen.“ Tatsächlich hatte der Parteichef dem Stern gesagt, wenn man sich für eine Kandidatur entscheide, „muss man es jedenfalls mit jeder Faser wollen“. Auch bei einer Kanzlerkandidatur und noch mehr im Kanzleramt gelte: „Nichts gelingt halb.“ Halb – das wären weniger als „12 bis 16 Stunden“.
Aus Gabriels engerem Umfeld ist zu hören, der Parteichef habe mit dem Interview das Thema Zeitpolitik zu setzen versucht; aus dem Kandidatenrennen habe er sich damit noch nicht nehmen wollen. Der CDU-Generalsekretär hingegen meint den Sozialdemokraten genau verstanden zu haben. „Man darf gespannt sein, wie viel die neueste Ankündigung des Dampfplauderers Gabriel tatsächlich wert ist“, flapste Hermann Gröhe am Donnerstag. „Ich kann ihm nur raten, den Worten endlich Taten folgen zu lassen – das wird nicht nur seiner Tochter gut tun.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Die US-Wahl auf taz.de
Die Rückkehr des Donald Trump
Geopolitik der US-Wahlen
Am Ende der alten Welt
US-Präsidentschaftswahlen
Warum wählen sie Trump?