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Berliner Musiker „Tapete“„Gema schränkt meine Freiheit ein“

Auch kleine Musiker können ohne die Gema von ihrer Kunst leben, sagt der Berliner HipHop-Künstler Tapete. Darum sei eine Mitgliedschaft nicht nötig.

Tapete (29) bietet seine Musik kostenlos zum Download an. Bild: Felix Landbeck
Interview von Sebastian Puschner

taz: Tapete, würden Sie gern von Ihrer Musik leben können?

Tapete: Das kann ich gerade! Im Mai habe ich mich selbstständig gemacht und schaffe es jetzt, immer so auf null rauszukommen. Eigentlich wäre ich auch sauber durch den August gekommen, wären da nicht 300 Euro Strafe, die ich jetzt fürs Schwarzfahren bezahlen muss.

Wären 300 Euro nicht ein Klacks, wenn Sie Tantiemen von der Gema bekommen würden?

Ach, Geld bekommst du von denen nur, wenn du bekannt bist und ständig im Radio gespielt wirst. Mitglied bei der Gema zu werden kam für mich schon nicht infrage, als ich vor sechs Jahren mein erstes Album fertiggestellt habe. Ich brauche keine Behörde, die mich beaufsichtigt und meine Freiheit einschränkt.

Die große Mehrheit der 66.000 Gema-Mitglieder sind kleine, unbekannte Künstler.

Immer wieder wollen mir Leute verklickern, dass ihnen die Mitgliedschaft etwas bringt. Tut sie aber für die allermeisten nicht – es profitieren nur die wenigen sogenannten Großen. Ich habe das Gefühl, viele Musiker halten sich für vollwertiger, wenn sie Gema-Mitglied sind. Jeder hofft, dass er irgendwann doch noch eine fette Ausschüttung bekommt. Aber die Leute sollten einfach nicht mehr der Gema beitreten, und die DJs sollten keine lizenzierte Musik mehr auflegen. Nur dann ändert sich etwas.

Informationen

Gegen die geplante Tarifreform der Rechteverwertungsgesellschaft Gema wollen am Donnerstag (6. September) bundesweit Betreiber von Klubs und Diskotheken protestieren. Die ab Januar 2013 steigenden Kosten würden Klubschließungen – insbesondere in Berlin – nach sich ziehen, teilte das Branchennetzwerk Clubcommission mit. Gefordert werden der Stopp der Tarifreform, eine gerechtere Verteilung der Gema-Gebühren an die Künstler sowie eine transparente Kontrollinstanz.

Kundgebungen sind auch in Städten wie München, Stuttgart, Nürnberg, Leipzig und Dresden geplant.

Der Protestmarsch in Berlin soll um 14.00 Uhr in der Schöneberger Keithstraße 7 nahe dem Wittenbergplatz mit einer Kundgebung beginnen und dann über den Kudamm zum Adenauerplatz führen. Angekündigt haben sich den Veranstaltern zufolge bis zu 15 Wagen. Im Juni hatten sich in Berlin 5.000 Menschen an einer Demonstration gegen die geplante Tarifreform beteiligt. (dapd)

Sie sind also nicht in der Gema, weil Sie damit eh kein Geld verdienen würden.

Es geht mir vor allem um eines: Als Gema-Mitglied könnte ich mein Zeug nicht ohne Probleme frei ins Netz stellen. Einen richtig fetten Song, der gerade perfekt in die Zeit passt, nicht direkt hochladen zu dürfen – das ist scheiße. Mein aktuelles Album habe ich ausschließlich auf meine Homepage gestellt, zum freien Download. Es wurde mehr als 11.000-mal heruntergeladen, das ist schon beachtlich.

Tapete

29, beschreibt seine Musik als Mix aus HipHop, Rap, Chanson, Punk und Piano. Zu den bekanntesten Liedern des Berliners gehören „Brustmuskeldance“ und „Schwarzfahrt“. Freie Downloads unter www.tapeteberlin.de

Aber Geld haben Sie damit keines verdient.

Nein, keinen Cent. Ich denke aber schon über einen Spendenbutton für das nächste Mal nach: 1 Euro pro Download, freiwillig, das wäre schon in Ordnung. Aber auch aus den freien Downloads sind Engagements für Auftritte entstanden.

Reichen Auftritte denn aus, um einigermaßen über die Runden zu kommen?

Im Moment geht es gerade so. Aber das ist der Weg als sogenannter kleiner Künstler: Du musst mit sozialen Netzwerken und guten Musikvideos auf deine Lieder aufmerksam machen. Dafür brauchst du Ideen und Zeit. Und dann heißt es: auftreten, auftreten, auftreten.

Und nach jedem Auftritt müssen Sie eine Liste für die Gema ausfüllen.

Ja, immer! Selbst als gemafreier Künstler schreibe ich jedes Mal auf, welche Titel ich gespielt habe, samt meinem Namen und meiner Adresse. Damit der Veranstalter das weiterleiten kann. Und was folgt daraus? Ich bekomme Werbung von der Gema an meine Hausadresse geschickt! Zumindest landen die Briefe in Zukunft nicht mehr dort.

Warum nicht?

Ich habe es geschafft, meinen Künstlernamen in den Personalausweis eintragen zu lassen, und kann deswegen jetzt alles mit „Tapete“ unterschreiben. Auf meinen Gema-Listen wird nichts mehr stehen außer „Tapete“ und höchstens meine Postfachadresse.

Dafür könnten Ihnen bald die Veranstaltungsorte ausgehen: In Berlin prophezeien viele Clubs, dass sie pleitegehen werden, wenn die Tarifreform der Gema Realität wird.

Da muss sich das Denken ebenfalls ändern. Ein Club könnte doch einen Aufruf starten und sagen: Wenn ihr geile gemafreie Mucke macht, dann schickt uns euer Zeug und wir spielen es. Ein Club, der sogar ausschließlich gemafreie Musik spielen würde, der würde sofort laufen.

Sind Sie sicher?

Jede Wette. Das wäre eine geniale Geschäftsidee. Am liebsten würde ich das selbst machen.

Wo soll denn die ganze freie Musik herkommen?

Viele Künstler arbeiten mit Creative-Commons-Lizenzen: Da bestimmt der Urheber selbst, zu welchen Bedingungen und Zwecken jemand seine Werke nutzen darf. Da ist richtig viel gute Musik dabei, auch wenn die Gema schon versucht hat, Creative Commons zu diskreditieren.

Inwiefern?

Es gab mal einen Artikel auf der Gema-Homepage, in dem stand, Creative-Commons-Künstler seien nicht erfolgreich und die Qualität der Musik sei schlecht. Auch in Reaktion darauf haben mein Partner Crying Wölf und ich „Lip Gloss“ gemacht: Die Platte stand unter Creative Commons und ist gespickt mit Gema-Disses. Ich sage damit: Zeitgemäße Musik zu machen ist für mich das kleinste Problem, ihr Storyteller.

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20 Kommentare

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  • T
    Taste

    Natürlich ist eine GEMA-Mitgliedschaft nur für denjenigen sinnvoll, der über kommerzielle Verwertung seiner Musik ein entsprechendes Aufkommen erwartet. Immerhin kostet die GEMA ja auch einen Jahresbeitrag.

     

    Tapete ist respektabler Musiker, aber er findet nun mal nicht in "großen Radiosendern" statt. Auch Tonträger verkauft (!) er nicht zu Tausenden (sondern verschenkt seine Musik). Insofern kann man ihm eine Mitgliedschaft in der GEMA nicht empfehlen. Übrigens wird gerade zu diesem Thema von vielen Musikverlagen, Künstlermanagern und Labels falsch beraten! Sie drängen Urheber in die GEMA, die dort nicht reinmüssen.

     

    Warum er auf der GEMA herummobbt und dabei ein völlig oberflächliches Halbwissen zur Schau stellen, bleibt allerdings im Dunkeln.

  • M
    Masslfantassl

    Die Kreativität in der Namensgebung der "GEMA-Lobbyisten" scheint, in den Kommentarbereichen einschlägiger Artikel rund um das leidige Thema, doch eher beschränkt. Oder, gibt es doch schon das "Gema-Task-Team" für soziale Netze und Internetpräsenz, welches für mehr Verständnis werben soll?

    Sorry, aber für meinen doch eher normalen Menschenverstand sind die bisher gelieferten GEMA-freundlichen Beiträge nich greifbar. Dagegen kann ich die Argumente der Clubesitzer oder GEMA-Gegner viel zu leicht nachvollziehen. Was ich bräuchte, wär eine neutrale Studie oder eine wirkliche Stimme eines Künstlers, der mich von den GEMA-Vorteilen überzeugen könnte, indem er sachlich auf mich einwirkt, aber so etwas gibt es nicht für die GEMA ... Ich bräuchte eine Instanz, die mich von dem Zweck der GEMA überzeugt und das kann in diesem Fall die GEMA schon längst nicht mehr selbst. Vielleicht könnte in diesem Zusammenhang diese Instanz auch gleich noch die GEMA kontrollieren, der Arbeitsmittel und -weisen überprüfen. Vielleicht eine wirkliche Judikative ...

    Hachja, ansonsten kochen mir die Emotionen bei beiden Seiten immer zu hoch und ein Kompromiss ist schon lang nicht mehr zu erreichen, deswegen sollte vielleicht doch einmal ein überdenken der Situation stattfinden und das vielleicht durch die Legislative, da hier für mich (der sich als normalen, musikliebenden aber selbst nich schaffenden [ich habs einfach nich drauf], Bürger sieht) schon lang kein nachvollziehbares Recht mehr herrscht.

  • T
    tabu

    Wenigstens verdienen sich MusikerInnen hier ein wenig öffentliche Aufmerksamkeit, wenn sie zum Artikel ihre GEMA-Mitgliedschaft verteidigen.

  • SM
    Sven Meier

    Ein noch besseres Geschäftsmodell wäre nur, beim GEMA-freien Club auch noch kostenlose Bierlieferungen durchzusetzen und die Konditionen dann direkt an die Besucher weiterzugeben, die eigentlich - sind wir ehrlich - keinen Eintritt zahlen, sondern eine Gage für die gute Stimmung bekommen sollten, die sie im kostenlosen Bierrausch erzeugen.

     

    Zum Club fahren sie natürlich schwarz, alles andere wäre unzumutbar.

  • N
    Natze

    Alter, wenn er seine eigenen Songs nicht hochladen darf, wie würdest du das denn nennen? Gehts noch? Oder bist du einer von den GEMA-Hampeln die im Moment überall die Kommentarfunktionen fluten?

  • J
    Jana

    Tapete, ich bin stolz auf dich, weil du den Arsch in der Hose hast deine Prinzipien zu leben und es Prinzipien sind, die ursprünglich für jedes Lebewesen gelten sollten: frei werden von unfairer Behandlung durch Rechtfertigung durch die Masse. (nicht das Freiwerden durch Masse natürlich, sondern die unfaire Behandlung durch die Masse.)

     

    Ich lüfte den Hut, dass du den Arsch in der Hose hast, den viele nicht hätten und ich nicht habe.

    Es mag vielleicht so sein, dass (auch?) du das nicht immer so astrein hinbekommst, aber mir geht es um's Überhaupt und nicht ums Straight.

     

    Thankfuß.

  • P
    Piet

    Dude!

     

    Schwarzfahren is for losers!

  • B
    bEn

    Die GEMA schränkt also die Freiheit von Herr Tapete ein? Alter, gehts noch?

  • B
    bergy

    Der Gema Hausverbot erteilen in allen Clubs und gut is.

  • Y
    yberg

    wenn die clubs auf eintritt verzichten würden und sich wie andere vergnügungsstätten auch über den verzehr finanzieren bezahlen sie eine niedere vierstellige summe an die gema

     

    da sie aber den hals nicht vollkriegen ,die besucher abkassieren,deren anzahl auch noch in sachen steuer und gema schwer nach unten manipulieren,sollen sie sich an die abgabenwirklichkeit gewöhnen.

     

    das clubgeschehen ist kein rechtsfreier raum,wenn sich das auch bestimmte clubbetreiber nicht nur in sachen drogen herausnehmen,sondern alltag mit rechten aber auch pflichten.

     

    diese gejammerder steuerhinterziehender clubmillionaire is ja nicht mehr auszuhalten.

  • MS
    Michael Springer

    GEMA unter Veränderungsdruck

     

    http://www.pankower-allgemeine-zeitung.de/

  • L
    Louise

    Endlich mal einer, der sagt man solle gar nicht erst eintreten. Das ist ein Punkt, der sonst oft gar nicht erst erwähnt wird.

  • F
    Fabian

    Achtung, die "Jubel-Teams" kommen:

    http://www.golem.de/news/tarifreform-gema-setzt-jubel-team-auf-sozialen-netzwerken-ein-1209-94364.html

     

    Wer noch an eine Zukunft der GEMA glaubt, hat in den letzten Wochen wirklich den Kopf in den Sand gesteckt...oder wählt die CDU/FDP

  • KM
    Kleiner Musiker

    Also ich trete nicht mal selber auf und verdiene durch die Mitgliedschaft in der GEMA trotzdem was - als kleiner Künstler! Das, was hier gesagt wird, klingt eher wie eine komplette Falschinformation... da hat sich jemand nicht richtig informiert und hat keine Ahnung von der GEMA!

     

    Leider wird dann daraus emotional bedingte, kleingeistige Hetze...

  • K
    kurtmandolf

    @Altenburg76:

    können sie ihre sichtweise auch genauer erläutern oder reden auch sie vermeintlich nur um den heißen brei herum?

  • O
    oly

    @Altenburg76

     

    Erklären Sie mir bitte die Dreiviertel, die Tapete laut Ihrer Meinung nicht verstanden hat?

  • K
    Klaus

    Mit der GEMA und GEZ finanzieren wir hauptsächlich ein paar große Ami-Konzerne. Das sind mafiöse Strukturen, die sich ganz tief in Politik und Gesellschaft eingefressen haben.

     

    Ich schätze die Haltung von Herrn Tapete und wünsche ihm viel Erfolg!

  • F
    Flexi

    Tapete bringt es genau auf den Punkt.

    Dass viele andere, wie Dr.Motte und Sven Väth das auch sagen, unterstreicht ja nur, dass was Wahres dran ist.

     

    Wir brauchen eine Verwertungsgesellschaft, die

    - allen Mitgliedern demokratische Mitbestimmung ermöglicht

    - transparente Tarifstrukturen hat

    - einfache, für alle nachvollziehbare Abrechnungen erlaubt

    - sicherstellt, dass das eingenommene Geld auch wirklich an die Urheber geht, deren Musik gespielt wird

    - keine Zwangsverwertung vornimmt, sondern weiterhin den Urhebern die Kontrolle über jedes einzelne Werk gestattet

    - auch freie Lizenzen wie Creative Commons versteht und vollständig unterstützt

    - das Internet als Chance sieht, nicht als Problem

     

    Und wenn die GEMA sich nicht ändern will, dann wird eben die C3S diese Verwertungsgesellschaft werden.

  • N
    nnoiz

    ...leider flach wie ne tapete.

     

    was ist denn zb. mit musik mit der man nicht auftreten kann ? das geht dem rapper über die kappe anscheinend....

  • A
    Altenburg76

    Herr Tapete hat die GEMA wohl nur viertels verstanden, weil die MuckerkollegInnen es auch nur beim Hören sagen halb verstanden haben. Das ist weniger das Problem von Herrn Tapete als vom Kommunikationsdesaster GEMA. Sicherlich profitieren von der Musikrechte-Verwertung diejenigen, die häufig im Radio gespielt werden eher als andere. Aber was Herr Tapete da von sich gibt, wirkt aber auch sehr zureckt gelegt, um das eigene Halb(Viertels)wissen zu überdecken. Es gibt bessere Beiträge zu dieser Battle