piwik no script img

Kritik an EZB-Anleihenkauf„Wir brauchen ein Veto-Recht“

Die EZB-Entscheidung für den Anleihenkauf trifft in der Bundesregierung auf Widerstand. Auch die BürgerInnen scheinen nicht begeistert.

„Die EZB wird jetzt zur 'Bad Bank' aller Schrottpapiere in Europa“, sagte der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler. Bild: dpa

AUGSBURG/BERLIN/KÖLN afp/dapd/reuters | Nach dem Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) zum unbegrenzten Staatsanleihen-Kauf aus Euro-Krisenländern haben Kritiker der Euro-Rettungspolitik rechtliche Schritte gefordert. „Diese Beschlüsse widersprechen dem in den Verträgen von Maastricht und Lissabon ausdrücklich festgelegten Verbot der Staatsfinanzierung“, sagte der CSU-Politiker Peter Gauweiler der Augsburger Allgemeinen vom Freitag.

Die Bundesregierung müsse dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgehen. Der CDU-Haushaltsexperte und Kritiker des Eurokurses der Bundesregierung, Klaus-Peter Willsch, setzt sich für ein deutsches Vetorecht in der Europäischen Zentralbank (EZB) ein.

Willsch sagte am Freitag im Deutschlandfunk: „Wir brauchen als größter Gläubiger im Spiel ein Vetorecht.“ Der CDU-Politiker forderte angesichts der beschlossenen unbegrenzten Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Es müsse rechtlich überprüft werden, „ob die EZB ihr Mandat nicht überschreitet“. Es könne nicht sein, dass Deutschland immer für das „haftet, was alles schief gehen kann“. Er fügte hinzu: „Wir können uns das nicht bieten lassen.“ Willsch gilt als einer der schärfsten Kritiker innerhalb der Unions-Bundestagsfraktion am Eurokurs der Bundesregierung. Unter anderem votierte er im Parlament gegen die Einrichtung des Rettungsschirms ESM.

Merkel soll Eurokrisenpolitik ändern

Der CDU-Politiker rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, ihre Eurokrisenpolitik zu ändern. Die Entscheidung zum Anleihenaufkauf unter Verweis auf die Unabhängigkeit der Zentralbank zu akzeptieren, sei „wohlfeil“. Die Unabhängigkeit der EZB könne es nur geben, wenn sich diese „an ihr Mandat hält“.

Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler sagte am Freitag im Deutschlandradio Kultur, es sei europäisches Recht gebrochen worden, indem die Notenbank zur Staatsfinanzierung missbraucht werde. Dagegen müsse Deutschland vorgehen. „Die EZB wird jetzt zur 'Bad Bank' aller Schrottpapiere in Europa“, kritisierte Schäffler.

„Das, was da gestern passiert ist, hat historische Dimension. Das hat es in dieser Form noch nicht gegeben.“ Durch den Schritt der EZB würden Investoren und Banken aus der Haftung entlassen. „Die versuchen jetzt, ihre Papiere loszuwerden zu Lasten des Steuerzahlers.“ Die EZB hatte gestern trotz heftiger Kritik aus Deutschland beschlossen, unter überhöhten Zinsen am Markt leidende Euro-Krisenländer durch den unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen zu stützen.

Die Notenbank will unter strengen Auflagen Schuldpapiere mit einer Laufzeit zwischen einem und drei Jahren erwerben. Hilfsbedürftige Staaten sollen sich dazu vollständig oder teilweise unter die Kontrolle der beiden Euro-Stabilisierungsfonds EFSF und ESM stellen, die begleitend Staatsanleihen aufkaufen sollen.

Deutsche sehen EZB-Entscheidung kritisch

Auch die Bürger in Deutschland sehen die Entscheidung einer Umfrage zufolge kritisch. Die Hälfte der Befragten findet eine Wiederaufnahme des Aufkaufs falsch, wie aus dem am Donnerstagabend veröffentlichten ARD-Deutschlandtrend im Auftrag der „Tagesthemen“ hervorgeht. Nur 13 Prozent fanden dies demnach richtig, 36 Prozent trauten sich kein Urteil zu. Für die repräsentative Erhebung befragte Infratest dimap zu Wochenbeginn 1003 Wahlberechtigte.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, sagte hingegen am Freitag im Deutschlandfunk, der Anleihenkauf sei lediglich eine „Notmaßnahme“. Erforderlich seien aber „klare Schnitte“. Der klarste Schnitt wäre aus seiner Sicht, die Staatsfinanzierung in der Krise unter harten Auflagen direkt über den ESM-Rettungsschirm laufen zu lassen. Sommer erläuterte, damit werde den Spekulationen gegen einzelne Staaten der Boden entzogen.

Klare Rahmenbedingungen

EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen hat das Anleihe-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank im Kampf gegen die Schuldenkrise verteidigt. Wichtig sei, dass Rahmenbedingungen für mögliche Anleihekäufe klar definiert worden seien, sagte Asmussen am Freitag im Info-Radio des rbb.

„Sie werden nur stattfinden können, wenn der betroffene Staat sich harten Reformauflagen unterwirft. Das ist eine zwingende, eine notwendige Voraussetzung für unser Handeln.“ Das sei das entscheidende Merkmal des EZB-Anleihe-Programms. Es dürfe nicht dazu führen, der der Reformdruck auf die betroffenen Staaten nachlasse.

Der EZB-Beschluss entwerte nicht die politischen Entscheidungen, sagte Asmussen. Notenbanken-Handeln könne nicht ansatzweise das Handeln von Regierungen ersetzen. Alle müssten ihren Teil dazu beitragen, dass der Euro unumkehrbar sei. „Wir werden unseren Teil tun, im Rahmen unseres Mandats.“ Die Regierungen müssten ihren Teil tun in der Fiskalpolitik und mit Strukturreformen. Die Gefahr höherer Inflation sehe er nicht. Die EZB werde im Gegenzug auch Liquidität abschöpfen. Die Inflation werde im nächsten Jahr unter zwei Prozent liegen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • SK
    S. Khan

    Die Freiheit hat ihren Preis.

     

    Wendehals Merkel spielt ihren Part genauso wie ein ach so kritischer Herr Steinmeier den seinen. Alle haben sie Vorbehalte und spielen sich als Retter auf und knicken im letzten Momement vor den Konzernen und Banken ein. Im Grunde predigen sie nur deshalb die Notwendigkeit von mehr Wachstum, weil sonst das Pyramidenspiel der Banken-Oligarchie zusammenbricht.

     

    Schön, dass wir in einer Republik leben. In Europa verfügt inzwischen das reichste Prozent der Bevölkerung alleine über ein Drittel des Gesamtvermögens. Die 99% haben die Sache verpennt.

  • T
    the_rising_tide

    Frau Merkel hat gar keine andere Wahl als die Entscheidung der EZB zu akzeptieren, da kann sie noch so heftig im Dreieck tanzen. Die Entscheidung ist ein wahrer Schlag gegen die falsche Europolitik Merkels. *Thumbsup*

  • HP
    Heinz Peter Mathey

    Der Gedanke einer Sperrminorität ist sicherlich für die BRD berechtigt- wer mit 27% haftet muß ein größeres Stimmrecht haben . Die USA hat im IWF mit einer 18 prozentigen Einlage eine Sperrminorität und nützt diese auch gnadenlos aus Nur die politischen Positionen der USA und der BRD sind in der Realität leider nicht kompatibelda die USA bei der Gründung des IWF 1944/45 in Bretton Woods DER KEINZIGE KRIEGSSIEGER der westlichen Staaten war.Die BRD hat seinerzeit gegen viele begründete Ratschläge vieler Ökonomen beschlossen sich in eine Währungsunion zu begeben und jetzt ist die Abstimmung in der EZB -jeder eine Stimme so ausgefallen, dass die "schwachen Südstaaten einschließich Frankreich zu ihren Gunsten abgestimmt haben.

  • S
    Snilax

    Heute Morgen konnte man im WDR 5 in "Tagesgespräch" hören, dass Herr Dragi mal Chef von Goldman Sachs war. Und das zu einer Zeit, als Goldmann Sachs den Griechen empfohlen haben soll, die Bilanzen zu fälschen. Wieso darf so jemand jetzt in der EZB an so entscheidender Stelle arbeiten? Wer hat das angezettelt? Eine Sauband ist das!!!!

  • C
    Celsus

    Wenn es darum geht, Sozialausgaben zu sparen, ist immer die Rede von der Staatsentschuldung. Aber für wen wird denn da wirklich gespart? Schnellstens werden Einsparungen doch in Steuersenkungen - vor allem für die Reichen umgesetzt.

     

    Und sorry: Kredite aufnehmen können zu günstigen Zinsen, weil die EZB schlechte und faule Staaatsanleihen ohne Ende aufkauft, bedeutet nur eins: Wir machen sogar überall neue Schulden. Niemals würden wir haushaltsdeckende Steuereinnahmen machen oder gar eine Schuldentilgung denken.

     

    Was die Politiker der EU uns da bieten ist nur die Auswirkung systemzerstörenden Lobbyismus und wirtschaftlicher Verantwortungslosigkeit zu Lasten der verhinterten (will mich ja fein ausdrücken) Allgemeinheit.

  • E
    Eurokrat

    Immer dieser Asmussen... im neuen Amt mit ebenso"viel" Durchblick wie schon beim IKB-Schiffbruch.

     

    Wie konsequent sich "PIGS" an klare Bedingungen halten, kann er ja bestens im Falle Italiens bewundern. Ausser einer Rentenreform wurde dort innerhalb eines Jahres keiner der sieben vereinbarten Punkte angegangen.

  • UM
    Ulli Müller

    Leider kommt diese Maßnahme wieder viel zu spät, um den Menschen in den betroffenen Ländern helfen zu können!

    Merkel weg, Drahgi weg, FDP, weg, CSU weg, ... , aber schnell!