piwik no script img

Missbrauchsfälle in AhrensburgJetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft

Die Hamburger evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs hat sich mit den Opfern in Ahrensburg verständigt. Derweil ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihre Vorgängerin.

Hat das Vertrauen der Missbrauchsopfer gewonnen: Bischöfin Kirsten Fehrs. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es hätte ein guter Tag werden können für die Evangelische Kirche in Hamburg. Ein Tag, der gezeigt hätte, dass man vorangekommen ist bei der Verständigung mit den Missbrauchsopfern von Ahrensburg, deren Fälle die Kirche „traumatisiert“ haben, wie Bischöfin Kirsten Fehrs am Freitag sagte.

Doch bereits einen Tag zuvor meldete das Abendblatt, dass die Staatsanwaltschaft Lübeck die Ermittlungen aufgenommen hat: gegen die ehemalige Hamburger Bischöfin Maria Jepsen, ihren Lübecker Amtskollegen Karl Ludwig Kohlwage, gegen Heide Emse, die damals für Ahrensburg zuständige Pröpstin, und gegen den ehemaligen Personalchef der Nordelbischen Kirche, Detlev Nonne.

Es geht, wie die Staatsanwaltschaft Lübeck gegenüber der taz bestätigte, um den Verdacht der Strafvereitelung: Wer erfuhr wann von den Vorwürfen gegen den Ahrensburger Pastor K., und warum erstattete niemand Anzeige, als die Missbrauchsfälle noch nicht verjährt waren?

„Wir sind davon einigermaßen überrascht worden“, sagt Bischöfin Fehrs am Freitag. Sie wisse nicht, was für ein Tatbestand dazu geführt habe, das jetzt ermittelt werde.

Information

Im Juli 2010 wird bekannt, das der Ahrensburger Pastor K. in den 70er- und 80er-Jahren Jugendliche seiner Kirchengemeinde sexuell missbraucht hat.

Bereits 1999 hatte die für Ahrensburg zuständige Pröpstin Heide Emse von den Vorwürfen erfahren und K. versetzt - er hatte aber weiter mit Jugendlichen zu tun.

Die Akten über den Vorgang beim Kirchenamt in Kiel sind verschwunden.

Im November 2010 gibt K. seine Taten zu und beantragt seine Entlassung aus dem Dienst. Gegen einen zweiten Pastor läuft ein Disziplinarverfahren.

Gestellt haben die Anzeige zwei ehemalige Mitglieder des Vereins „Missbrauch in Ahrensburg“, die mit der kircheninternen Aufarbeitung des Skandals unzufrieden waren. „Wir haben damals im Verein viel darüber diskutiert, ob man das machen soll“, sagt Hans Henning Offen, ein ehemaliger Banker, der im Ruhestand in der Ahrensburger Nachbargemeinde Großhansdorf lebt.

Bereits 2011 sind Offen und Dorothee Schencking aus dem Verein ausgetreten, weil die Opfer mit einer Anzeige nicht einverstanden waren. Eine „Schweinerei“ nannte am Freitag der Vereinsvorsitzende Anselm Kohn das Vorgehen der ehemaligen Mitglieder. Er sei bereits von der Polizei vorgeladen worden, und nicht alle wollten ihre Geschichte zu Protokoll geben und später erneut vor Gericht erzählen. „Den beiden war doch klar, dass das sehr belastend ist.“

Bei der Pressekonferenz am Freitag saß Kohn neben Bischöfin Fehrs, die offenbar das Vertrauen der Missbrauchsopfer gewonnen hat. Sein Verein sei lange „gegen Kirchenmauern gelaufen“, sagte Kohn. Es gehe um Dinge wie „ob man zitiert oder einbestellt wird oder ob man sich auf Augenhöhe verständigt“. Schließlich hätten einige Probleme, überhaupt in die Nähe eines Kirchturms zu gehen.

Zuvor hatte die Bischöfin verkündet, dass die Nordkirche eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt habe, die die Vorfälle in Ahrensburg untersuchen soll. Außerdem werde es „als Zeichen tätiger Reue“ Entschädigungen geben. Deren Höhe sei nicht definiert, weil jeder Einzelfall untersucht werde. Ein „Lotsenprogramm“ soll den Opfern die Angst nehmen, sich bei der Kirche zu melden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • G
    gabriele

    ja, es ist belastend, sehr belastend das Geschehene zu erzählen, zu formulieren überhaupt. Ich habe es vor 23 Jahren gemacht, der Prozess hat sich über eineinhalb quälende Jahre hingezogen - und ich merke noch heute immer wieder mal, dass es ein wichtiger Schritt in die Richtung war, damit leben zu lernen und nicht mehr "nur" zu überleben . . .