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Aufarbeitung in LitauenInfos über den Spitzel von nebenan

Ein litauisches Forschungszentrum veröffentlicht die Namen von 1.500 Ex-Mitarbeitern des sowjetischen Geheimdienstes KGB. Folgen dürfte das kaum haben.

So kann man sich auch mit der Vergangenheit beschäftigen: Der sowjetische Grutas-Themenpark in der Nähe des Kurorts Druskininkai im Süden Litauens Bild: ap

STOCKHOLM taz | Das litauische Forschungszentrum für Völkermord und Widerstand (LGGRTC) hat Ende vergangener Woche über 600 neue Dokumente über die Aktivitäten des sowjetischen Geheimdiensts KGB ins Internet gestellt. Daraufhin war die Website teilweise wegen Überlastung nicht mehr zugänglich. Am Montag sollen diese Dokumenten wieder online verfügbar sein.

KGB-Dokumente mit Namenslisten hatte das staatsfinanzierte Zentrum in Vilnius seit dem vergangenen Jahr mehrfach veröffentlicht. Doch handelte es sich bislang vor allem um KGB-Leute, die bis 1990 in den Geheimdienstzentralen der damaligen Litauischen Sowjetrepublik gearbeitet hatten.

Jetzt wurde eine Liste mit 1.500 KGB-MitarbeiterInnen in den Distrikten öffentlich gemacht. „Leute, die nahe bei den Menschen wohnten“, sagt die Leiterin des LGGRTC Teres Birut Burauskait: „Und die vermutlich immer noch da leben.“ Dabei gehe es nicht darum, diese Menschen bloßzustellen, erklärt sie. Viele seien zur Mitarbeit teilweise erpresst und gezwungen worden. Es gehe vielmehr darum, dass Litauen diesen Teil seiner Geschichte nicht unter den Teppich kehren dürfe. Die Öffentlichkeit habe auch ein Recht, die entsprechenden Informationen zu erhalten.

Rechtliche oder berufliche Konsequenzen werden diese allerdings kaum haben. 1992 wurde ein KGB-Gesetz erlassen, das im Prinzip den Weg auch zu hohen Staatspositionen freigab, sofern Ex-KGB-Leute ihre Tätigkeit nur vertraulich dem Verfassungsschutz SSD gestanden. Ein Gesetz, das KGB-Kollaborateure von bestimmten Berufen ausschließen wollte, war vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof als zu unbestimmt aufgehoben worden. Schätzungen zufolge gehörten zu Sowjetzeiten bis zu 100.000 LitauerInnen zum KGB-Netzwerk.

Von einer „kollektiven Verdrängung“ sprach vor einigen Jahren Burauskaits Vorgänger Arvydas Anusauskas. Auch wenn in der Bevölkerung der Wunsch nach einer „Abrechnung“ vorgeherrscht habe, konnte „die Elite sich vom Beginn der Unabhängigkeit an mit ihrer Linie durchsetzen, diese Vergangenheit zu vergessen“, meinte er. So hatte auch für einen Außenminister, einen Parlamentsvizepräsidenten und einen Verfassungsschutzchef ihre frühere Zugehörigkeit zur „KGB-Reserve“ keine Konsequenzen.

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2 Kommentare

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  • H
    Hendrix

    @Genosse Benz

    Wie so oft in Ihren Beiträgen ist auch hier der Wunsch Vater des Gedankens. Dennoch gilt: Die Gesetze der aktuellen Regierung können sehr wohl der Aufbereitung der KGB-Vergangenheit dienen. Und das hat nichts mit Rückwärtswirkung zu tun. Bestes Beispiel ist das Stasi-Unterlagen-Gesetz, das sich sehr gut bewährt hat. Analoge Gesetze existieren auch in anderen osteuropäischen Ländern wie Polen oder Tschechien.

     

    Im postsowjetischen Raum steht dieser Vorgang, insbesondere die Entlarvung der KGB-Zuträger, deren Aktivitäten noch weit amoralischer als die der eigentlichen KGB-Mitarbeiter sind, erst am Anfang. Daher ist die litauische Initiative prinzipell zu begrüssen. Allerdings in einer juristisch und moralisch sauberen Form; das bisherige Vorgehen der Litauer scheint auch mir nicht ganz astrein. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz könnte hier ein Vorbild sein.

     

    Genosse Benz, tief blicken lässt Ihr Satz: "Die KGB-Mitarbeiter, die da ihren Dienst zum Wohl des Landes versahen..." Seit wann KGB-Mitarbeiter den Dienst zum Wohle ihres Landes versahen, ist mir neu. Der KGB war eine Terror-Organisation, deren zentrale Aufgabe die Sicherung der Herrschaft der kommunistischen Partei mit verbrecherischen Methoden war. Natürlich müssen und werden sich die Betreffenden, sofern sie sich Gravierendes zuschulde kommen liessen, dafür verantworten.

  • B
    Benz

    Selbstverstaendlich koennen Gesetze der aktuellen litauischen Regierung (Nationalisten, Rechtskonservative) keine Folgen haben. Denn ein Gesetz kann nicht rueckwaerts wirken, das ist ein anerkanntes menschenrechtliches Prinzip ueber das sich Litauen nicht hinwegsetzen kann.

     

    Die KGB-Mitarbeiter, die da ihren Dienst zum Wohl des Landes versahen, koennen unbesorgt sein, muessen keine Angst vor Repressionen und Verfolgungen haben.