Myspace Relaunch Nr. 2: Das ist doch Sozialismus
Das neue Myspace ist langweilig und zusammengeklaut. Justin Timberlake kann Tom nicht ersetzten. Eine Ode an den alten Glitzerraum.
BERLIN taz | Myspace. Einst mit 260 Millionen Nutzern größtes soziales Netzwerk der Welt, heute in Vergessenheit geraten. Ja, es gab eine Zeit vor Facebook und die war bunt.
Myspace, das waren selbstgeschriebene Html-Profile und animierte Glitzer-Gifs, Kettenbrief-Bulletins und die Lieblingslieder als Profilsong. Myspace war die pure Individualität für jeden, der sich etwas mit CSS auskannte oder einen der vielen Online-Editors benutzte, um seinen eigenen kleinen Raum im Internet zu schaffen.
Diese Zeiten sind vorbei. Myspace verlor seine Nutzer an Facebook, und seither diktiert das Gefällt-mir-Regime, wie ein Profil auszusehen hat. Der Niedergang ging schnell: Mit dem ersten Relaunch 2010 wurden die alten Glitzerprofile abgeschafft.
Myspace wurde zu Facebook. Die Oberfläche wurde angepasst, viele Funktionen abgeguckt – ohne Erfolg. Die peinlichste Funktion: Der Login mit dem Facebook-Account. Die Nutzer, die noch da waren: unbekannte Musiker, die auf eine Entdeckung hofften und ein paar alte Nostalgiker, die sich an die früheren Zeiten klammerten. Selbst Tom, der erste Myspace-Freund den man hatte, hat längst das sinkende Schiff verlassen. Sein letztes Status-Update ist vom 1. März 2010.
Verkauft für einen Schnäppchenpreis
Anfang 2011 schloss die Onlineplattform ihre Deutschland-Niederlassung. Im selben Jahr verkaufte Rupert Murdochs News Corporation das Netzwerk für 35 Millionen Dollar. 2005 hatte das Medienimperium hingegen 580 Millionen Dollar für die damals florierende Plattform bezahlt.
Das Werbenetzwerk Specific Media und Justin Timberlake sind seitdem die neuen Besitzer. Nun steht der zweite Relaunch an. Er soll die ehemaligen Stärken des Netzwerkes zurückbringen: Der Nutzer soll sein Profil selbst gestalten können und neue Musik entdecken. Denn mit 42 Millionen Songs hat Myspace mehr Lieder im Katalog als Spotify. Nähere Details sind nicht bekannt. Die PR-Agentur, die für Myspace Deutschland nun zuständig ist, darf noch nichts sagen. Das Unternehmen lässt das Promovideo sprechen.
Das neue Myspace. Der Name erinnert an das "das neue iPad". Das Design ist schick und eindeutig moderner als das jedes anderen sozialen Netzwerkes aktuell. Allerdings sieht es auch wie Windows 8. Und die Funktionen sind zusammengeklaut von Facebook, Google+ und Co.
Auch wenn der Nutzer nun die Profilbausteine verschieben darf, kann das die Html-Bastelei nicht ersetzten. Die Nutzer sollen denken, sie hätten die Wahl. Dabei sind sie gefangen im Kostrukt der 2.0-Flashkästchen. Diese Gleichmacherei ist Sozialismus. Und der Regierungschef ist Justin Timberlake.
Wer nähere Details zum neuen Myspace haben will, kann sich in den Newsletter eintragen. Dann erfährt man als erster, dass es losgeht. Aber ob dem Netzwerk die Auferstehung von den Toten gelingt?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen