gottschalk sagt
: Die coolste Straftat von allen

Der letzte Samstag zeigte sich in Köln als völlig gewöhnlicher grauer Novembertag. Ein paar Fussel, die den Namen „Schneeflocke“ bestimmt nicht verdient hatten, flogen durch die Luft, und ich packte meine Sachen, weil ich verreisen wollte, und zwar nach Niedersachsen. Weil es, wenn man nur die Benzinkosten sieht, immer noch billiger ist, alleine in einem Mittelklassewagen zu fahren, als mit der Bahn, hatte ich mich aus Geldmangel für das Auto entschieden. Wie gut, dass ich Leute kenne, die auch samstags am Computer hängen, Texte schreiben und zwischendurch immer mal bei Spiegel-Online nachschauen, ob draußen in der Welt noch alles beim Alten ist. War es nämlich nicht. M. rief mich an und so erfuhr ich quasi im letzten Moment vor der geplanten Abreise, dass kurz hinter Kölns Stadtgrenzen das Chaos ausgebrochen war, und zwar das Scheechaos. Der erste 20-Kilometer-Stau auf meinem Weg stand gleich bei Remscheid, eine gute halbe Stunde von hier. Da auf meiner Liste der Dinge, die ich einmal erleben möchte, „vom THW Tee ans Auto gebracht kriegen“ nicht vorkommt, blieb ich zu Hause.

Im Fernsehen lernte ich dann, dass der Münsterländer sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt. Der Kölner in seiner Erscheinungsform als allwissender Schnauzbart hätte bestimmt wieder „se“ verantwortlich gemacht: „Da müssense Strommasten bauen die dat aushalten, unmöglisch“ sich dann exzessiv warmgeschunkelt und übers Fernsehen ein „mir Kölner lassen uns nit unterkrieje“ in die Welt gebrüllt. Der Münsterländer dagegen sagte einfach nur schulterzuckend: „Da geht man halt früh ins Bett“. Und eine Münsterländerin fand diese Ruhe in ihrem Dorf sogar sehr stimmungsvoll, so in der Vorweihnachtszeit. Auch die Szenen, in denen man Leute sah, die sonntags einkaufen durften, um sich Kerzen und Batterien zu besorgen, waren frei von jeder Hysterie. Als Wissenschaftler möchte ich mal behaupten: Ein gewisses Phlegma hat einen enorm zivilisationserhaltenden Effekt.

Wir Alt-Autonomen und Wackersdorf-VeteranInnen mussten ja viel an früher denken. Bilder von umgeknickten Strommasten waren seinerzeit das Symbol für die Besiegbarkeit des Atomstaats und zierten manche Wand. Einen Strommast umzulegen galt so ziemlich als die coolste Straftat von allen. Damals hätten wir dem Oberchaoten aus dem Münsterland sicher die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Sein Name: Thorsten. Beruf: Tiefdruckgebiet