Soll Sex mit Tieren strafbar sein?: „Widernatürliche Unzucht“
Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) hält eine Bußgeldvorschrift für ausreichend. Die Grünen fordern härtere Strafen für Sodomiten.
FREIBURG taz | Die Grünen wollen Sex mit Tieren stärker als heute unter Strafe stellen. Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) hält eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit für ausreichend. Bei einer Anhörung am Mittwochnachmittag waren Experten uneinig, ob überhaupt eine Verschärfung erforderlich ist.
Einst war „widernatürliche Unzucht“ strafbar. In einem einheitlichen Straf-Paragrafen, dem berüchtigten § 175, wurden Sex zwischen zwei Männern sowie Sex von Menschen mit Tieren (Sodomie) verboten. Erst 1935 wurden die beiden Sachverhalte getrennt: Für Sex mit Tieren führten die Nazis einen eigenen Paragrafen 175b ein. Im Zuge der allgemeinen Liberalisierung wurden 1969 sowohl schwuler Sex als auch Sodomie entkriminalisiert.
Sex mit Tieren wird derzeit nicht mehr als Problem der Unmoral angesehen. Strafbar ist laut Tierschutzgesetz deshalb nur, wenn Tiere ohne vernünftigen Grund getötet werden oder wenn ihnen „aus Rohheit“ oder „länger anhaltende oder sich wiederholende“ erhebliche Schmerzen zugefügt werden.
Das reicht den Grünen nicht. In einem Alternativentwurf zum Tierschutzgesetz fordern sie unter anderem, dass auch die nicht erhebliche Zufügung von Schmerzen und Leid und Angst bestraft werden soll, wenn sie der „Befriedigung des Geschlechtstriebs“ dient und länger andauert oder sich wiederholt. Angedroht werden Geldstrafen oder Haft bis zu drei Jahren. In der Begründung heißt es: „Jede Benutzung von Tieren zur Befriedigung des menschlichen Sexualtriebs ist zutiefst verwerflich.“ Bereits im Juli sprach sich auch der Bundesrat für die Bestrafung von Sodomie aus.
Ministerin Aigner plant derzeit jedoch nur eine kleine Ergänzung des Tierschutzgesetzes. Unter anderem soll ab 2017 die betäubungslose Kastration von Ferkeln verboten werden. Regeln zur Sodomie sind in dem im Mai vorgelegten Gesetzentwurf noch nicht enthalten. Im August kündigte das Ministerium dann an, dass Sex mit Tieren künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll. Dabei sollen auch „nicht erhebliche“ Verletzungen infolge solcher Praktiken sanktioniert werden.
Sogar „Tierbordelle“?
Die Befürworter von Strafvorschriften verweisen auf eine angebliche Szene von Menschen, die sich im Internet zum Sex mit Tieren verabrede. Es gehe nicht mehr um Einzeltäter wie früher, sondern um ein Lifestyle-Phänomen. Die Behauptung, dass es sogar „Tierbordelle“ gebe, ließ sich jedoch nicht beweisen.
In der Bundestagsanhörung begrüßte der Deutsche Tierschutzbund den Vorschlag der Grünen. Die „Würde des Tieres“ müsse auch vor Praktiken geschützt werden, bei denen eine „erhebliche“ Verletzung schwer nachzuweisen ist. Es sei abwegig, dass derzeit die Verbreitung von Tierpornografie, also die Darstellung von Sex mit Tieren, strafbar sei, nicht aber Sodomie selbst. Der Tierschutzbund will deshalb jede sexuelle Handlung an und mit Tieren bestrafen.
Der Richter Thorsten Gerdes als Sachverständiger äußerte sich skeptisch. Es gebe „kein kriminalpolitisches Bedürfnis“ für die Strafbarkeit der Sodomie. Die Vorstellung einer „Tierwürde“ sei bedenklich, man dürfe „abweichendes Verhalten“ nicht „um seiner selbst willen“ bestrafen.
Tatsächlich gibt es Menschen, die sich zu Tieren sexuell hingezogen fühlen. Diese „Zoophilen“ grenzen sich von Tiersadisten ab und wollen nicht kriminalisiert werden. Die Zoophilen sehen den eigentlichen sexuellen Missbrauch in der Landwirtschaft, wo Zuchttiere mit „Elektroejakulatoren“ dazu gebracht werden, „zwangsweise abzusamen“. Dagegen will aber wiederum Agrarministerin Aigner nicht vorgehen.
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