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Streit um Abrisspläne"Eppencity" auf der Kippe

Neubauten am Eppendorfer Marktplatz: Eine Iinitiative protestiert gegen die Pläne und der Investor droht mit Rückzug

So soll die Ecke Eppendorfer Landstraße/Martinistraße einmal aussehen -oder auch nicht. Bild: Archtitektenbüro Schild

HAMBURG taz | „Es kann sein, dass ich von dem Projekt wieder Abstand nehme“, sagt Florian Kämereit, Inhaber des Hamburger Immobilien-Investors Alstertreu. Nur wenn die Verwaltung des Bezirks Nord und die Parteien der Bezirksversammlung ihm „den Rücken stärkten“, würde er seine Pläne für die Bebauung der Grundstücke Eppendorfer Landstraße 97-109 weiter vorantreiben. Gespräche mit den Spitzen der Verwaltung und der Bezirksfraktionen werde er noch in dieser Woche führen.

Auf dem Eckgrundstück zur Martinistraße will Kämereit mehrere sanierungsbedürftige Häuser abreißen und durch einen Neubaukomplex mit wesentlich mehr Baumasse ersetzen, in dem 35 kleinere Wohnungen und fünf Lädchen untergebracht werden sollen. Doch dagegen wehren sich nicht nur die Aktivisten der frisch formierten Bürgerinitiative „Wir sind Eppendorf“, sondern auch die jetzigen Nutzer und Besitzer der abrissbedrohten Häuser.

Mit dem Eigentümer des Grundstücks Eppendorfer Landstraße 99/101 ist Kämereit erst „in Verhandlungen“ über den Erwerb der von ihm längst überplanten Fläche. Und der italienische Gastwirt, der auf dem Grundstück mit der Hausnummer 97 das Restaurant „Tre Castagne“ betreibt, hat dieses Kämereit nach dessen Bekunden gerade per Vorkaufsrecht direkt vor der Nase weggeschnappt.

Schlechte Karten also für den Investor, gegen dessen Baupläne die Bürgerinitiative heute in der Bezirksversammlung mobil machen will. Am Dienstag beschloss die Initiative auf einem Info-Abend, zu dem immerhin rund 120 Gegner der Bebauung erschienen, ein „Memorandum“, das heute an die Kommunalpolitiker verteilt werden soll.

Darin spricht sich die Bürgerinitiative gegen den „geplanten Abriss der historischen Gebäude rund um das ’Alte Brauhaus‘ am Eppendorfer Markt“ aus, die „den letzten Rest des dörflichen Kerns“ Eppendorfs bilden würden. Weiter heißt es: „Mit dem Abriss der Häuser zugunsten der geplanten vier- bis fünfstöckigen Neubauten geht die einzigartige Atmosphäre dieses Areals unwiederbringlich verloren“.

„Wir möchten Eppendorf, nicht Eppencity“, sagt die Initiatorin der Initiative, Edith Aufdembrinke. Die von den Planern vorgestellten Neubau-Entwürfe sehen für sie wie „mit Duplo-Steinen gebaute Klötze einer gesichtslosen Hafencity-Architektur“ aus. Ein Vorwurf, den die verantwortliche Architektin, Christiane Stahnke, nicht nachvollziehen kann: „Wir haben die Fassade an die Gründerzeitbebauung an- und damit in das Stadtbild eingepasst, ohne die Bauweise des 19. Jahrhunderts zu kopieren.“

Vor allem aber hat die Initiative das Thema Gentrifizierung und „bezahlbarer Wohnraum“ mit einigen Jahren Verspätung auch für Eppendorf entdeckt. Zwar will Kämereit „30 Prozent geförderten Wohnungsbau“ errichten, die „Mehrzahl der Wohnungen“ sollen aber Eigentumswohnungen werden, erläutert der Investor. „Das brauchen wir hier nicht“, sagt Edith Aufdembrinke, die unumwunden zugibt: „Wir Eppendorfer sind in Bezug auf die Umstrukturierung unseres Stadtteils erst spät aufgewacht.“

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8 Kommentare

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  • H
    Holger

    Hier (zum zweiten Mal eingesandt) ein Link zu

    mehreren Fotos der bedrohten Häuser:

     

    http://www.ndr.de/regional/hamburg/eppendorfabriss101.html

     

    Würde mich freuen, wenn Ihr uns, der Leserschaft, die Bilder nicht noch einmal weglaßt (unterschlagt?)

  • S
    Strauss

    Und wieder wird ein Stück Eppendorf dem Profit geopfert - auch ein Stück Himmel, in den gnadenlos hoch gebaut wird. Wie kann man denn architektonisch so blind sein und ein derartiges Riesengebäude mit nur einer Höhe planen??? "Hingeklotzt, dieser Klotz", hat mein Kind da zu mir gesagt. Recht hat es!

  • H
    Holger

    Der NDR hat etwas über die Abrißabsichten gebracht und auf der verlinkten Seite gute Doku-Fotos dazu reingestellt. Wenn man es sieht, weiß man, was verloren ginge.

     

    Lasst das Dorf in Eppendorf (Titel NDR-Bericht)

     

    http://www.ndr.de/regional/hamburg/eppendorfabriss101.html

  • D
    Detlev

    Eppendorf braucht Sozialwohnungen und mehr Normalmenschen. Dieser Stadtteil ist übrigens fast bis in jeden Hinterhof schon mit Objekten erschloßen und für viele Eppendorfer geht das mit fehlenden Parkplätzen, Staus, hohen Preisen und zu viel Schicki-Micki einher. Gerade dieses Bauprojekt würde nur noch weiter dafür sorgen, dass der Stadtteil seinen Charm, seine gewachsene Kultur weiter verliert. Und Läden und Ladenflächen gibt es ausreichend dort.

  • S
    Ästhet

    Bitte nicht noch mehr Stahl-und-Glas-Selbstverwirklichung von mittelmäßigen Architekten. Siehe Hafencity. Die Architektur unserer Zeit ist größtenteils seelenlos, charakterlos, langweilig, ängstlich, austauschbar, investorenfreundlich, ungemütlich, kurz: sie taugt nichts, außer man braucht billige Büros im Gewerbegebiet, oder neue Discounter - das können sie, sicher. Vielleicht sollten wir auch mal darüber nachdenken, was für ein Hamburg wir da der Nachwelt hinterlassen. Da wird wohl nix "denkmalwürdig" werden.

  • H
    Holger

    Das Gebäude links vorne verdrängt (wenn es denn kommt) ein niedriges Fachwerkhaus, an dessen Ecke die Eppendorfer seit sechzig Jahren ihr Bratwürstchen kaufen können. Das dürfte das älteste Haus auf der linken Seite sein, dessen Häuser 200 Jahre Eppendorfer Baugeschichte in bunter Reihe widerspiegeln. Das kleine Fachwerkhaus an der Ecke gehört zum Gesamtensemble "Eppendorfer Markt", ansonsten hauptsächlich Gründerzeit-Bauten. Im näheren Umfeld findet sich noch einiges historischen Gebäuden, die in Hamburg bekanntlich nicht sehr zahlreich sind.

    Ich würde den Verlust dieser Ecke (nachdem eh' schon soviel Altes wegsaniert wurde) sehr bedauern.

  • S
    Steuerzahler

    Doch, auch mich würde einmal das durchschnittliche Jahreseinkommen der "Protestanten" interessieren. Das ist doch der blanke Egoismus nach dem Motto "ich hab da schon meine Eigentumswohnung eine Straße weiter, also soll kein anderer eine haben dürfen". Konservativ bis ins Mark, wenn nicht reaktionär.

  • J
    Johnny

    Dass ich das noch erleben darf ... Eppendorfer fürchten sich vor Gentrifizierung und damit einhergehender Schicki-Micki-Nachbarn. Und ich dachte wirklich, ich hätte alles gehört.

     

    Wie üblich: alles soll umgebaut werden, bis ich einziehe. Danach darf bloß nichts mehr verändert werden.