HAMBURGER SZENE VON MAXIMILIAN PROBST
: All die Ansichtssachen

Die Zeichen standen definitiv auf Krise: Heute habe ich einen Teppich gesehen, der aus dem Fenster gegenüber hinausgefallen ist, wie es der gesunde Menschenverstand erklären würde. Ich aber sage Euch: Er hat sich hinausgestürzt. Weil es dem Teppich zu viel geworden ist, dass alle Welt immerzu auf ihm herumgetrampelt ist.

Und die Milch heute morgen, da war auch was los. Da habe ich ihr einmal nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt, in deren Genuss sie sonst kommt. Schon hat sie in ihrem Topf gezischt und gefaucht, und wäre vor Wut beinahe übergelaufen, hätte ich nicht eilends in die Schublade gelangt, den Schneebesen herausgefischt und die ganze Chose samt ihrer Erhebung zerschlagen. Zu Schaum.

An solchen Tagen wünschst Du Dir Gebändigtes: Geschnittenen Käse, den du bloß seiner Plastikverpackung entnimmst und auf eine Scheibe Toast legst, die sogleich in deinen Mund flutscht, widerstandslos wie eine EC-Karte in den Geldautomaten. Das alles aber gab es nicht, es gab rein gar nichts im Haus, und darum machte ich mich niedergeschlagen auf den Weg zum Einkaufen.

Bei meinem türkischen Gemüsemann, der gleich auch noch ein netter Nachbar ist, kaufe ich Äpfel – er legt noch ein paar oben drauf. Und Orangen – „Hier hast du noch ein paar Bananen“. Und Tomaten – „Da hast du sie, und gleich dazu diese zwei, ach, drei Avocados hier, kann ich eh’ nicht alle verkaufen heute“, sagt er und strahlt mich breit grinsend an. „Wow, danke“, sage ich, und: „Dir geht es aber gut.“ Sagt er: „Ich hab’ heute morgen was gesehen, das glaubst du nicht, wie im Märchen: Einen fliegenden Teppich.“