Kolumne Pressschlag: Verdammte Harmonie
Für die Bundesliga-Konkurrenz gibt es nur eine Chance, Bayern München zu stoppen: Neid und Zwietracht müssen wieder Einzug halten.
N ein, sie haben ihn nicht vergessen, den Rafinha. Die Kollegen haben den Brasilianer inniglich umarmt, nach dessen Tor zum 5:0 gegen Fortuna Düsseldorf. Keiner der Mitspieler hat sich gefragt: „Wer ist dieser kleine Mann, der so schlecht frisiert ist, eigentlich?“
Trainer Jupp Heynckes war so nett, Rafinha mal wieder einzuwechseln. Der gute, alte Mann mit dem roten Kopf denkt einfach an alle in der Mannschaft und versucht auch denen, die eigentlich nicht mehr gebraucht werden bei den Münchnern, zu vermitteln, dass sie irgendwie auch dazugehören. Auf diese Weise ist Rafinha in dieser Saison schon auf fast zehn Minuten Einsatzzeit in der Liga gekommen. Er soll darüber sehr glücklich sein.
So wie alle bei den Bayern in diesen Tagen sehr glücklich sind – nicht nur, weil sie jedes Ligaspiel gewinnen, sondern auch, weil sie sich einfach mögen. In diesen Tagen, in denen die Schuldenkrise in Europa die Konjunkturaussichten auch in Deutschland zu verdüstern weiß, muss zum FC Bayern nach München an die Säbener Straße fahren, wer in dieser bisweilen so kalten Wirtschaftswelt die große Harmonie finden möchte.
ist Sportredakteur der taz.
Nach sagenhaften und nie dagewesenen 24 Punkten aus den ersten acht Saisonspielen, nach 26 zum Teil wunderschönen Toren spricht keiner mehr davon, wie die Bayern eigentlich Fußball spielen, mit welchen fußballerischen oder taktischen Mitteln sie die meist völlig überforderten Gegner derart dominieren. Und über fußballerische und taktische Mittel, mit denen der FC Bayern geknackt werden könnte, wird ebenso wenig gesprochen. Die Bayern gelten als unschlagbar, solange sie sich gegenseitig so herzig finden, solange sogar dem als Meckerer und Motzki verschrienen Sportchef Matthias Sammer nichts anderes übrig bleibt, als Trainer Jupp Heynckes zu umarmen.
Eine einzige Hoffnung ist der Konkurrenz in der Liga geblieben. Schalkes Manager Horst Heldt hat nach den Derbysieg gegen den BVB gesagt, dass es bald vorbei sein könnte mit dem Frieden bei den Bayern, wenn erst einmal alle Spieler fit seien. Der Konkurrenzkampf im Team könnte dann die Harmonie vertreiben aus München. Und wenn erst einmal wieder – wie so oft in der Vergangenheit – Neid und Zwietracht regieren in München, dann erst hat die Konkurrenz eine Chance.
Es ist eine sportliche Selbstaufgabe, die aus diesen Worten spricht. Sie war in beinahe allen acht Spielen der Bayern bei den Gegnern zu beobachten und fand in Düsseldorf ihren ersten Höhepunkt. Sogar dem Düsseldorfer Publikum war die Niederlage scheißegal, und Oberfan Campino fand es sogar toll, dass man überhaupt gegen die Bayern spielen darf.
Aber wann fragt sich endlich jemand, wie gut die Bayern wirklich kicken können? Vielleicht ist es ja gar nicht so schwer, die Münchner zu schlagen. Eine Mannschaft aus Weißrussland hat in der Champions League schon gezeigt, dass das möglich ist.
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