Splitternde Erinnerung

Mix aus Work in Progress und Improvisationstheater: Das „Buddha Lounge“-Projekt der ehemaligen Schauspielhaus-Regisseurin Ute Rauwald am Sprechwerk ermüdet durch etliche Längen

von Karin Liebe

Seinem eigenen Ich als Kind zu begegnen kann ganz schön ernüchternd sein. Da hat man sich ein Netz aus Erinnerungen zusammengeschustert, das jeder Realität entbehrt. „Nein, so war das gar nicht“, widerspricht das Kind seinem gealterten Ego. „Du hast gar keine Freunde gehabt.“

Fünf Kinder, fünf Erwachsene, zehn Erinnerungsgebäude. Hier kommen sie ans Licht: verdrängte Jugendsünden, verfestigte Lebenslügen. Das sind die stärksten Szenen in Ute Rauwalds Projekt Buddha Lounge, das jetzt auf der Bühne des Hamburger Sprechwerks uraufgeführt wurde. Ein Projekt, das eindeutig noch Probencharakter hat: Die Souffleuse wird zur 24. Darstellerin.

Den Akteuren, viele davon bereits hoch betagt, die meisten Laien, kann man ihre mangelnde Textsicherheit kaum ankreiden. Doch von Ute Rauwald, die in der Ära Stromberg zeitweise Hausregisseurin am Schauspielhaus war und hier für Text und Regie verantwortlich zeichnet, hätte man mehr erwartet. Auch ihre früheren Arbeiten zeichneten sich durch Work-in-Progress-Charakter aus, doch Buddha Lounge strapaziert die Geduld des Zuschauers doch zu sehr – durch ständige Texthänger, dünne Dialoge und eine unausgereifte Handlung.

Worum geht‘s überhaupt? Um eine Liebe im Jahr 2040, die nicht sein darf, weil die Liebenden zu alt sind. Meinen jedenfalls ihre Töchter. In der ersten Szene begegnen sich Louis und Anna Ragna, und beide reden Unverständliches ins Mikro. Im Laufe des Abends wird klar, dass Louis in einer Art Altersheim lebt, in dem die Bewohner nichts zu melden haben. Seine Alten-WG wird von einem autoritären Pfleger drangsaliert. Die Alten parlieren auf Denglisch, hotten zu Neue-Deutsche-Welle-Songs und erzählen aus ihrer Poona- und Frauenbeauftragten-Karriere. Trotz wunderbarer Wortschöpfungen wie „Outdoorgarden“ und „Schneeflittchen“ mangelt es aber doch an einer nachvollziehbaren Handlung. Zwischendrin irritieren altertümliche Sprachfetzen. Das sollen wohl die versprochenen Anspielungen an Kabale und Liebe sein. Und als Louis, ein Ex-Bauwagenpunk mit seiner Irokesenfrisur, von einem Fiesling und einer obskuren Ärztin zum Krüppel operiert wird, driftet das Ganze völlig ab. Mit Organhandel hat das wohl zu tun. Vielleicht erfahren wir bald mehr. Wenn die Proben zu diesem Projekt abgeschlossen sind.

nächste Vorstellungen: 3. + 4.12., 20 Uhr, Sprechwerk, Klaus-Groth-Str. 23