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Gesellschaft für bedrohte VölkerKritik ausgeschlossen

Der monatelange Streit bei der Gesellschaft für bedrohte Völker ist formell beendet worden – mit dem Ausschluss früherer Vorstände.

Weiß das Plenum der Gesellschaft für bedrohte Völker hinter sich: Gründer Tilman Zülch. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat einen monatelangen Führungsstreit formell beendet und zwei ehemalige Vorstandsmitglieder ausgeschlossen. Bei der Jahreshauptversammlung der Menschenrechtsorganisation am Wochenende in Göttingen votierte eine Mehrheit der rund 70 Stimmberechtigten für die Ausschlüsse.

Bei den Geschassten handelt es sich um James Albert und Harald Klein, die 2010 gemeinsam zum Vorsitzenden und Vize in den fünfköpfigen Vorstand gewählt und ein Jahr später wieder abberufen wurden. Sie hatten unter anderem gerügt, Überweisungen an die bosnische GfbV-Sektion seien nicht korrekt belegt worden. Zudem bemängelten sie, Vereinsgründer Tilman Zülch habe 2008 bis 2010 als ehrenamtliches Vorstandsmitglied satzungswidrig ein Gehalt bezogen, und kündigten ihm als Generalsekretär. Zülch hat die Vorwürfe stets bestritten.

Zülch, der aktuelle Vorstand und die angestellten Mitarbeiter warfen den Kritikern eine „Schmutzkampagne“ vor. Sie beschuldigten Klein, er sei früher im sächsischen Innenministerium mit Abschiebungen befasst gewesen. Unter den in seiner Verantwortung Ausgewiesenen seien auch etwa 600 Bosnier gewesen. Klein betonte, er habe keine Abschiebungen angeordnet oder vollzogen. Seit Monaten hat sich Klein allerdings nicht mehr zu Wort gemeldet – auch für die taz ist er nicht zu erreichen.

Vereinsschädigendes Verhalten

Albert hielt auch nach seiner Abwahl aus dem Vorstand an der Kritik am „System Zülch“ fest – zuletzt bekräftigte er sie am Freitag vor Journalisten in Göttingen. Noch tags zuvor hatte der Vorsitzende der mit dem Ausschluss betrauten GfbV-Schiedskommission Albert per E-Mail aufgefordert, „die Pressekonferenz abzusagen und auch selbst nicht an dem angekündigten Ort zu erscheinen“. Während des Termins in einer Gaststätte erklärte sich der Wirt, eine Bosnierin habe Einlass begehrt, um Albert „eine reinzuhauen“.

Bei der Jahreshauptversammlung stimmte zunächst nur ein Mitglied der Schiedskommission für den Rauswurf von Albert, die beiden anderen enthielten sich. Das Plenum beschloss dann gegen zwei Stimmen doch den Ausschluss wegen vereinsschädigenden Verhaltens. Aus Solidarität beantragte Exvorstand Uwe Betjen dann seinen eigenen Rauswurf. Er war im August 2011 vom Vorstandsposten zurückgetreten, weil er sich als – bezahlter – Geschäftsführer bei der GfbV beworben hatte.

Die GfbV sieht die Vorwürfe Alberts und Kleins als entkräftet an. Ob nun Ruhe bei der Organisation einkehrt, ist fraglich. Zülch kündigte gegenüber der taz eine Verleumdungsklage gegen Albert an.

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7 Kommentare

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  • EM
    Ex-GfbV Mitglied

    Und es geht weiter mit den schlimmen Geschichten, die sich um den Namen des Menschenrechtsvereins Gesellschaft für bedrohte Völker International ranken.

     

    11.02.1012 erklärte nun die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Schweiz “Opfer” einer substanziellen Veruntreuung geworden zu sein. (Artikel dazu auf dem "GfbVWatch" blog)

     

    Mitglieder des ehemaligen Vorstands der GfbV welche in dem Hauptsitz des Vereins in Deutschland 2011 schon Veruntreuung von Spendengeldern entdeckten und gegen die Menschenrechtsorganisation GfbV Anzeige erstatteten, haben dafür nur ein trauriges, wissendes Lächeln übrig.

  • K
    KKunze

    Die GfbV-Schweiz und GfbV Irak sind gar keine “Nicht-Regierungs” Organisationen. GfbV Kurdistan wird fast ausschliesslich von Irakischen Regierungsgeldern finanziert !!! Von der GfbV-Schweiz vertrat Christoph Wiedmer die Schweizer Regierung in einem Indigenen Treffen in Manaus 2011. Dazu gibt es Zeugen. Wo kommen wir denn hin wenn Menschenrechtsorganisationen und deren Vertreter das Hemd und Position wechseln wie es Ihnen passt, je nachdem was sich finanziell lohnt? Wie kann es angehen das der Vize-President der GfbV-International und Leiter der GfbV Schweiz als bezahlter Regierungsvertreter auftritt, an einem anderen Tag dann wieder als “Menschenrechtler” und GfbV Vertreter? Wo sind da bitte sehr die Grenzen?

  • MR
    Martin Rzeszut

    Es ist einfach Wahnsinn und hat mit demokratischem Prozedere im Sinne des Vereinsrechts nichts mehr zu tun: Dr. James Albert hatte bereits im September schriftlich eine Redezeit von 30 Minuten während der JHV beantragt (nachzulesen unter download 2473.pdf auf der Website der GfbV) und Samstag nur 10 Minuten zugebilligt bekommen. Die Stellungnahmen gegen seine Rede waren bedeutend länger als jeweils 10 Minuten. Zur vereinsrechtlich garantierten Richtigstellung einiger Vorwürfe wurde Dr. Albert keine Redezeit mehr zugebilligt und ihm so flugs der Mund verboten. Vermutlich hatte man Angst, dass die Wahrheit doch noch ans Licht kommen könne.

     

    Ein solches Mundtotmachen verstößt nach meiner Rechtsauffassung eindeutig gegen die guten Sitten. So etwas darf im Rahmen einer Organisation, die sich erklärtermaßen für die Einhaltung von Menschenrechten(!) einsetzt, nicht geschehen! Nur Diktatoren machen mundtot - und haben dafür schon ihre Gründe.

     

    Ich bin erschüttert, dass das "System Zülch" - wegen dem auch ich seinerzeit die GfbV verlassen hatte - anscheinend zu Eis erstarrt ist, und sich im Machtgehabe offenbar von keinem Großkonzern mehr unterscheidet. Ich kann nur allen Noch-GfbV-Mitgliedern zur Wachsamkeit raten! Nur Ihr habt die Möglichkeit - und das allein mit demokratischen, friedlichen und vereinsrechtlich unbedenklichen Mitteln - diese Gesellschaft vom Eis zu befreien und sie wieder zu dem zu machen, was sie mal war: friedlich, überschaubar und effizient an akuter Menschen-Hilfe interessiert.

     

    An alle, die Ihr den verdienten Menschenrechtler Dr. Albert nun aus der GfbV herausgeworfen habt: geht Ihr jetzt bitte mal nach Indien und lasst Euch verstrahlen bei Recherchen in Sachen Uran Mining! Denn das war u.a. sein Einsatz. - Wo war Eurer am letzten Samstag?

     

    Martin Rzeszut, Kiel

     

    Ex-GfbV-Mitglied

  • A
    abinobservador

    Oh ! Das ist aber sehr interessant! Das werden die Intelligenzdienste in manchen Nationen Lateinamerikas beobachten - denn dieser Verein mischt sich geopolitisch in die innerpolitischen Angelegenheiten in Lateinamerika, mit dem Vorwand "Schutz bedrohter Voelker". Als ob die Lateinamerikaner 2012 noch Minderjaehrige waeren und von klugen Deutschen belehrt und bestraft werden sollten! Auf der Liste der Beobachteten steht YVONNE BANGERT, "Referentin fuer bedrohte indigene Voelker" bei Gesellschaft fuer Bedrohte Voelker GFBV Zeitschrift Pogrom. In der ATTAC Sommerakademie 3.8.12 hat sich die "Referentin" als Kaempferin "Gegen den Belo Monte Damm" erklaert. Das ist ein Elektrikprojekt in Brasilien - Strom fuer 60 Millionen durch Flusswasserenergie. Aber wurde bisher 40 Jahren verhindert von USA-Britanien-Vatikan und nun auch ihren deutschen "Partner". Aber jetzt wird er doch gebaut und die Praesidentin Dilma hat den NATO"Gruenen" erklaert: "Wer glaubt das Brasilien keine weiter Staudaemme im Amazonasgebiet bauen wird, lebt in einer Fantasie-Welt! GFBV und Bagert kommen auf die "Liste" -sieh "Conversa Afiada Abin ONGs": Pst!!!

  • C
    Carsten

    Warum setzt sich die Gesellschaft für bedrohte Völker eigentlich nicht für die Deutschen ein?

    Warum haben nur Tibeter oder Urwaldvölker ein Recht auf kulturelle Identität?

    Und dürfen sich Linke überhaupt für ein Volk einsetzen? Ist Volk nicht Autobahn?

    Fragen über Fragen...

  • W
    Waage

    Feind - Erzfeind - "Vereinsfreund".

     

    Man guckt ja nicht dahinter und meist gibt es bei solchen Auseinandersetzungen verschiedene Wahrheiten welche von den Streithähnen dann auch ausschließlich selektiv wahrgenommen werden.

    Da gehts dann meist auch nicht mehr um die Vereinsziele sondern nur noch um persönliche Animositäten auch wenn vor allem die "Tugendwächter" das anders darzustellen versuchen.

     

    Meine Meinung dazu ist, wenn in Vereinen/Gesellschaften nur noch mit der Satzung in der Hand diskutiert wird ist der Laden bereits töter als tot.

     

    Da hilft nur noch selbst auflösen und neugründen und dann: Augen auf bei der Mitgliederwerbung!

  • S
    Sudermaier

    Der Artikel gibt nicht umfassend wieder, worum es bei der "Gesellschaft für bedrohte Völker" (GfbV) geht: (Ex-)Vorstandmitglied Dr. James Albert hatte - seiner Pflicht als Vorstand gemäß - Fragen zur Verwendung von Spendengeldern gestellt.

     

    Dies wurde vom Büro der GfbV mit einem umfassenden Angriff auf seine Person quittiert und gipfelte u.a. in der höchst unqualifizierten Aussage, er hätte "Konten sperren" lassen.

     

    Albert steht damit nicht allein: inzwischen existiert eine Internet-site GfbV-Watch (http://gfbvwatch.wordpress.com/), die sich kritisch mit den Vorgängen und Gebaren des Vereins, insbesondere des manchmal Vorsitzenden, manchmal Generalsekretärs, Zülch, auseinandersetzt.

     

    Auch die interne (Un-)Kultur des Vereins wird dort thematisiert: Mobbing von Mitarbeitern oder Vorstandsmitgliedern gehört ebenso dazu wie der "handfeste" Umgang z.B. bei einer Mitgliederversammlung der GfbV-Österreich vor einigen Jahren, die de facto gestürmt wurde, um einen der GfbV-D genehmen Vorstand / Obmann durchzusetzen.

     

    Abgeschlossen ist gar nichts.

    Es ist der Anfang.

    Und Gerichte werden sich mit dem Finanzgebaren des Vereins auseinandersetzen.

     

    mfG

     

    Sudermaier