Urgestein des Kinos tot

FILME Der legendäre Kinobetreiber Walter Jonigkeit ist im Alter von 102 Jahren gestorben

Walter Jonigkeit hat es geschafft, in seinem Leben der jüngste und der älteste Kinobetreiber Berlins zu werden. Dazwischen lagen 77 Jahre und jede Menge Filmhäuser, die die Kinolegende eröffnete. Am ersten Weihnachtsfeiertag ist Jonigkeit im Alter von 102 Jahren gestorben, wie seine Frau am Dienstag bekannt gab. Bis zuletzt hatte Jonigkeit in seinem Delphi-Filmpalast in Charlottenburg sein Büro, bis vor ein paar Jahren soll er dort noch manchmal die Karten verkauft haben.

Zu Zeiten des Stummfilms begann seine Karriere: Bei der Produktionsfirma Trianon-Film am Potsdamer Platz machte er in den 20er-Jahren eine kaufmännische Ausbildung. Als er 1932 sein erstes Kino – die „Kamera Unter den Linden“ – übernahm, war er gerade 25 Jahre alt. Es war eines der ersten deutschen Repertoirefilmtheater; die Filme wurden in Programmheften angekündigt und Jonigkeit zeigte Wunschfilme seines Publikums.

Fünf Jahre später kaufte er die legendäre „Kurbel“ in Charlottenburg. 700 Mal konnten die Zuschauer dort Scarlett O’Hara in „Vom Winde verweht“ die Treppe herunterstürzen sehen. Als das Traditionskino 2003 wegen zu hoher Miete und Besucherschwunds schloss, gehörte es schon längst einer anderen Betreiberin. Weitere Berliner Kinos wie das Freilichtkino in der Waldbühne und Lichtspielhäuser in Hamburg und München hat der Pionier des Kinos zeitweilig betrieben.

Bis zuletzt treu geblieben ist Jonigkeit nur seinem wichtigsten Haus: dem Delphi-Filmpalast am Zoo, der im vergangenen Jahr seinen 60. Geburtstag feierte. Mit der größten Leinwand Deutschlands, mehr als 1.000 Plätzen und modernster Technik hatte Jonigkeit einen in Trümmern liegenden Tanzpalast ausgestattet und 1949 als Kino eröffnet. 1988 wurde das Urgestein des Berliner Kinos mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. KATHLEEN FIETZ