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Die WahrheitSchöner sterben

Die triste Woche des Todes in der ARD.

Ödwitzwart Nuhr, Margot Luther Käßmann und Weichwanze Beckmann (v. l. n. r.) als Paten des Todes. Bild: ARD/Paul Schirnhofer

Zwei-, dreimal im Jahr bäumt sich irgendetwas im ARD-Innern auf – ist’s das schlechte Gewissen, oder steckt ein Verantwortlicher dahinter, der sein Volontariat ausnahmsweise nicht bei Springer absolviert hat? –, und man sendet, statt minderwertiger Fußballspiele (irgendwer gegen irgendwas, das ein „Sportfeinde 03“ im Namen trägt) oder inzestuös anmutender Hochzeiten unansehnlicher Nachwuchskräfte aus den Reihen des europäischen Hochadels, was mit Anspruch. Darüber steht dann „Themenwoche“, und ein jeder denkt: Mensch guck mal, die ARD!

Themen sind ja auch ein schönes Thema. Diesmal, passend zum Novemberblues, hieß das „Themenwochen“-Thema: „Ja, wir sterben gern!“ Oder so ähnlich. „Themenwochen“-Thema und „Themenwochen“-Inhalt stehen – geschickt sind sie ja beim Fernsehen! – in einem thematischen Zusammenhang: Es geht ums Totsein.

Die schönsten Plätze im Schaufenster teilen sich philosophische Schlichtprosa mit Tiefgang, religiöser Quark mit Bärlauch, Metaphysik mit amtlichem Zertifizierungssiegel und Praxistipps mit Aloe Vera. Und natürlich: Humor! Denn mit Humor geht bekanntlich alles besser. So ein Tod ist schließlich kein Beinbruch. Oder, um es mit dem Tagebuchverlierer Martin Walser zu sagen: Das Leben ist zu kurz, um deutschen Wein zu trinken.

Bei der ARD durfte die offenbar mit lebenslangem Auftrittsrecht ausgestattete Trinität aus Margot Luther Käßmann, Anwanzer Reinhold Beckmann und Staatskabarettist Dieter Nuhr ran. Subtil und kunstvoll gebrochen zeigten die drei Lästlinge, was Tod durch Langeweile bedeutet. Möge die Frage, ob denn die alte Käßmichel, der Beckmichel und der Nuhrmichel noch leben, noch lange mit einem kraftvollen: „Ja, wir können doch auch nichts dafür?“, beantwortet werden.

Das Beste am Tod ist, dass hinterher niemand in Talk-Runden erzählen kann, wie es denn so war und ob das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Dazu säftelt Axel Bulthaupt Übliches, darunter wird eingeblendet: „Ingeborg K. (79): Ich starb in Würde!“ Wo immer das liegt; klingen tut’s nach Niedersachsen: Würde an der Aller oder so.

Was kommt nach dem Tode? Die einen sagen: „Nix!“ Die anderen stemmen dann entrüstet die Ärmchen in die Speckhüften und nehmen reflexhaft die antrainierte Verbraucherrolle ein: „Abzocke! Ich leb doch hier nicht jahrelang, um hinterher mit nix abgespeist zu werden!“ Passend dazu wird ein Off-Kommentar eingespielt: „Hier ist der Gesetzgeber gefordert!“

Die Verheißung des Paradieses ist das Kundenbindungsprogramm der Kirchen. Funktionieren tut das selbstverständlich nur im Doppelpack mit der Hölle, die es nicht nur bei den Christen gibt, sondern auch im Judentum und im Islam. Der alte Witz, dass es in der Hölle zugeht wie in einem All-inclusive-Urlaub auf den Malediven und nur für die Katholiken ein Kessel mit siedendem Öl bereit steht, weil die das so wollen, stimmt insoweit nicht.

Als Ungläubiger stellt einen das vor Probleme: Kann ich mir aussuchen, in welche der drei Höllen ich komme? Oder muss ich mich vorher in einer Ungläubigenverfügung festlegen, an welchen Gott ich nicht glaube? Gibt es einen interreligiösen Verteilerschlüssel, ähnlich wie bei den Asylbewerbern? Und erhält man, wenn man angekommen ist, Sachleistungen nach dem Höllenbewerber-Leistungsgesetz? Wäre Höllenhopping möglich?

Eine besondere Faszination scheint von Nahtoderfahrungen auszugehen. Dein Leben mag noch so öde gewesen sein – mit einer Nahtoderfahrung kann es erheblich aufgewertet werden. Berichte sollten allerdings stets ein helles Licht erwähnen, und dass sich alles ganz leicht anfühlt, man es sich dann aber doch anders überlegt hat oder das Handy klingelte.

Der Tod wirft dabei ganz praktische Fragen auf: Wie enterbe ich richtig? Wo findet die nächste DRK-Letzthelfer-Ausbildung statt und wann der Do-it-yourself-Kurs „Witwe werden“? Und die Krankenkassen schreiben ihre Versicherten an. Die sollen sich entscheiden, ob sie der Entnahme ihres Herzens zu Transplantationszwecken zustimmen, oder ob man damit warten soll, bis sie tot sind.

Ja, der Tod ist allgegenwärtig. Er lässt sich auch von der ARD nicht schönplappern. Am besten kommt man mit ihm aus, wenn man ihn, so lange es geht, ausblendet. Dem Sterben den Schrecken nehmen? Wozu? Wenn das Sterben keinen Schrecken mehr hat, warum sollte man dann noch gegen das Töten sein?

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11 Kommentare

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  • L
    Leserin

    Das war weder Satire noch komisch noch informativ. Und dabei hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, dass ich bei "Zahl ich" verneint habe. Vielleicht sollte man doch erst lesen dürfen, bevor man zum Zahlen aufgefordert wird. Wenn ein Artikel dagegen gut recherchiert und gut geschrieben ist, kann man auch etwas dafür bezahlen.

  • V
    vincent

    leider hat herr niemann keinen blassen, was er kritisieren soll, denn zu kritisieren gab es reichlich, nur sein dümmliches gerede war die falsche richtung:verquaste vorurteile eines dumpfdenkers...

  • J
    jansenbusch

    "Wer früher stirbt ist länger tot."

    Der Tod ist eine recht private Angelegenheit und sollte es auch bleiben. Sich damit auseinanderzusetzen ohne konkreten Anlass halte ich nicht für zielführend, im Falle eines Falles ist eh alles ganz anders und sehr individuell. Diese Themenwoche der ARD war ein echter Schwachsinn: Die Leute, die keine akute Berührung mit dem Tod haben, interessiert es nicht, und den anderen hilft es nicht. Betroffenheitsgesabbel allerorten, am schlimmsten die erwähnten Michels.

    Wenngleich dies hier die Satire-Abteilung ist und Herr Niemann das sichtlich genossen hat, so ist der Kern der Kolumne doch richtig.

  • H
    Haggi

    Hm, Satire könnte ja gut sein (wie die des erwähnten Dieter Nuhr), aber diese "Wahrheit" ist wirklich jämmerlich. Da wird die Themenwoche durch den Kakao gezogen, ohne auch nur ansatzweise eine Idee mitzugeben, was daran denn jetzt wirklich schlecht oder blöd war. Mag ja sein, dass der abgeklärte Herr Niemann so etwas nicht braucht, aber was mag ihn daran gestört haben, so dass diese Quatschkolumne dabei herauskam? Oder soll die "Wahrheit" nur irgendwie Klamauk sein?

  • A
    Anarcho

    Oh, Ha!

    Der Verfasser des Artikels ist ja recht zynisch! Mit Sicherheit hat er Recht, das dieses religiöse Gedöns viel mit Schönfärberei zu tun hat. In Ballungsgebieten wie zum Beispiel in Berlin verliert der klerikale Glaube zunehmend an Bedeutung. Hier in der Wetterau stelle ich fest, das es grad in den noch ländlichen Gefilden schon noch eine wichtige Bedeutung hat, und ja, sogar vielen Menschen Trost und Halt geben kann. Also, warum das Ganze so in den Dreck ziehen. Es ist immer janz einfach sich Laissez faire auszulassen, wenn man diese Lebensphase noch nicht vor sich hat.

    Schade, das er vergessen hat, dass es viele wichtige und richtig Beiträge zu diesem Thema gegeben hat. Er sollte sich vielleicht mal nicht nur diese blöden Talkshows ansehen. Wichtig war es ja, mehr Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren. Vielleicht profitiert er ja dann auch irgendwann einmal davon. Wenn es keine Menschen gäbe, die sich seit langem für diese Thematik ehrenamtlich und auch die Hauptamtlichen den "Arsch" aufreißen, dann würde es diese Fortschritte in der Symptomkontrolle nicht geben...

    Ich höre jetzt auf, sonst rege ich mich nur noch mehr auf. Dieser Verfasser hat nichts verstanden.

  • S
    Stefan

    ... und deswegen bin ich abonnent - solche texte brauche ich zum überleben. Und - was haste gemacht mit dein leben Schuster Vogt ? - Fußmatten ? Nein, TAZ gelesen. Ach so, na dann....

  • JR
    Jan Reyberg

    Ich glaube das weige Leben wird ein riesen Fest. Hoffentlich darf ich da mitmachen.

  • RN
    Robert Niemann

    Mehr von diesem erstaunlichen Autor in: Robert Niemann, Lieber ein Vorurteil als gar keine Meinung, Eulenspiegel-Verlag 2012

  • E
    Eule

    Ja, auch ich stelle fest, dass in mehreren Beiträgen das Sterben zum Thema gemacht wird um die Angst vor dem Sterben der Masse des Volkes zu nehmen. Steht ein großes Sterben an? Worauf wollen uns unsere "Volksvertreter" vorbereiten? Stehen wir am Beginn einer weltweiten militärischen Katastrophe? Wird die Unfähigkeit der Menschehit zur Erhaltung unseres schönene Planeten zur Gewissheit? Hat Marx Recht mit seiner Kapitalismus-Untergangstheorie? Zieht er alles mit in den Sumpf? Krieg, Mord, Armut, Raub, Gier - das sind die Schlagworte, mit denen uns die Medeien z.Z. beglücken. Frieden scheint das Unwort des Jahres zu werden.

  • Q
    quote

    "Dem Sterben den Schrecken nehmen? Wozu? Wenn das Sterben keinen Schrecken mehr hat, warum sollte man dann noch gegen das Töten sein?"

     

    Gute Worte.

  • A
    anke

    Unsere Ahnen waren auch nicht dümmer als moderne Anstaltsleiter, Herr Niemann. Was glauben Sie eigentlich, wieso sie ausgerechnet im November die ganzen Totengedenktage zelebriert haben?

     

    Die Anstalten jedenfalls machen momentan tatsächlich Bildungsradio vom Feinsten! "Die Verheißung des Paradieses" soll "das Kundenbindungsprogramm der Kirchen" sein? Aber hallo! Dazu kann ich nur sagen: Das war einmal. Inzwischen sind wir weiter. Mit dem ersten (Ohr) hört man besser als mit Ohropax! Der MDR jedenfalls hat mir für meinen Pflichtbeitrag gerade neulich erst erzählt, dass inzwischen jene Kirchenmitglieder die Mehrheit stellen, die nicht (mehr) an ein Leben nach dem Tod glauben. Gehen den Kirchen also die Kunden aus? Mit Nichten und Neffen! Die Kirchenmitglieder nähern sich lediglich allen übrigen Königen an. Sie zahlen als Kunde auch für Sachen, die sie weder kriegen noch brauchen können. Hauptsache, man erlaubt ihnen überhaupt, ein Geld auszugeben. Kaufen soll ja angeblich glücklich machen, und zwar schon zu Lebzeiten. Man wäre schön blöd, wollte man als Christ nicht kaufen, nur weil man kaum noch was bekommt für seine Knete! Und wenn das Verarscht- und Beschissenwerden keine Schrecken mehr hat, braucht man immerhin weder gegen das Verarschen noch gegen das Bescheißen zu sein. Das, nicht wahr, ist ja auch schon was. Der Tod vor dem Tod ist ein Geschäftsmodell mit Zukunft, will mir scheinen.