„Wir verweigern Ausgrenzung“

Wissbegierde, Opferbereitschaft und familiärer Umgang untereinander sind Antrieb, jedes Jahr noch exotischere Reisen zu finden. Interview mit Wolfgang Grabowski, Veranstalter von Behindertenreisen

taz: Wodurch unterscheiden sich die von Ihnen angebotenen Reisen für Behinderte von ganz normalen Pauschalreisen?

Wolfgang Grabowski: Wir haben ein Prinzip: Wir glauben niemandem! Bevor wir eine neue Reise in unser Angebot aufnehmen, überprüfen wir die Hotels, das Areal und die Attraktionen eingehend auf Behindertentauglichkeit. Wir arbeiten mit Agenturen vor Ort zusammen, die uns behilflich sind, die Hotelbadezimmer auszumessen und entsprechende Fahrzeuge zu finden. Die Busse oder Safarijeeps werden – falls keine Spezialfahrzeuge mit Lift vorhanden sind – entsprechend umgerüstet oder Sitze ausgebaut, um Platz für die Rollstühle zu schaffen.

Alle Reisen, egal ob in Deutschland, in Europa oder dem Rest der Welt, werden von eigenen Reiseleitern und einem 2- bis 5-köpfigen Helferteam begleitet. Dieses Team ersetzt die Arme und Beine unserer Gäste bei Transfers, beim Einsteigen in Flugzeuge, Züge, Schiffe oder bei Ausritten auf Kamelen oder Elefanten. Im Grundpreis sind unsere allgemeinen Helferdienste enthalten: Koffertransport zum Flugzeug, zum Transferbus und ins Hotelzimmer. Bei Rundreisen kann das täglich sein. Hilfe im Hotelzimmer beim Möbelrücken. Koffer auspacken etc. Hilfe in Pool, Meer oder Ausflugsbussen. Auch bei plötzlichen Erkrankungen oder Unfällen vor Ort sind wir da.

Unsere Reisen sind keine abgeänderten Reisen von der Stange, sondern jede einzelne ist ein Unikat, das immer wieder auf die Bedürfnisse der mitreisenden Kunden abgestimmt wird. Bei uns gibt es keine festen Zeiten für Hilfe und Kontakt, wir begleiten die Gäste bei den Ausflügen, an die Hotelbar und natürlich auch in das Nachtleben vor Ort.

Was motiviert Sie, Reisen für Behinderte anzubieten? Ohne die Spezialisierung würden Sie doch ein viel größeres Publikum ansprechen.

Natürlich sind Reisen für „Fußis“ bestimmt einfacher durchzuführen, aber der Eifer, die Wissbegierde und die Opferbereitschaft der behinderten Gäste ist immer noch ein Antrieb, jedes Jahr noch exotischere Reisen zu finden. Schön ist auch unser familiärer Umgang untereinander. Durch die gemeinsamen Probleme und Barrieren vor Ort entsteht eine Verbundenheit innerhalb weniger Reisetage, die bei „normalen“ Reisen nicht möglich ist.

Wie ist es heute um die behindertengerechte Ausstattung von Hotels, Restaurants bestellt? Wo sehen Sie Fortschritte, wo ist es immer noch problematisch?

Es hat sich natürlich in den letzten 30 Jahren sehr viel zum Positiven entwickelt und die Aufmerksamkeit für Gäste und Kunden mit Behinderung sind gewachsen. Da sind wir auch mit beteiligt, denn oft sind unsere Reisegruppen die ersten Rollstuhlfahrer, die neu angebotene Hotels, Inseln oder Kreuzfahrtschiffe besuchen. Trotzdem sind die Probleme nach wie vor da: zu enge Badezimmer oder WCs, viele Stufen vor Eingängen und Sehenswürdigkeiten, zu steile Rampen, schlechte Wege und Kopfsteinpflaster, keine behindertengerechte öffentliche Toilette, WC in Restaurants und Bars im Obergeschoss oder im Keller, zu enge Lifte und Rolltreppen, enge Gangways bei Schiffen, keine Toilettenmöglichkeiten in Flugzeugen, vor allem bei Langstrecken etc.

Jedes moderne Hotel sollte heute eine gewisse Anzahl von Spezialzimmern aufweisen, aber die Praxis sieht oft anders aus. Neue Hotels in Spanien mit mehr als 2.000 Betten haben gerade mal 3 bis 4 Spezialzimmer, die dann auch noch zum Parkplatz schauen. Generell sind die Hotels schon behindertenfreundlicher geworden – aber immer noch weit entfernt von der gewünschten Normalität.

In der Vergangenheit ist es einige Male vorgekommen, dass Kunden ihren Reiseveranstalter verklagt haben, weil sie sich von der Gegenwart behinderter Menschen „belästigt“ fühlten – meist ohne Erfolg. Wie gehen Sie mit solchen Situationen um? Urlaub im Behinderten-Ghetto ist doch auch nicht erstrebenswert?

Es gibt auch Urteile, in denen der Gast Recht bekam und sein Geld zurückerhielt, weil behinderte, spastische Gäste im Speisesaal waren. Wir verweigern Ausgrenzung durch geschlossene Räume oder sonstiges. Unser Reiseleiter schaut nur, dass unsere Gäste „strategisch“ gute Plätze im Speisesaal oder Restaurant bekommen, um einfach das Stühlerücken und Gedränge am Buffet zu vermeiden. Außerdem ist die Hilfeleistung beim Tellertragen etc. für unsere Helfer einfacher, wenn wir etwas zusammen sitzen. Es muss aber niemand bei der Gruppe bleiben. Selbstverständlich kann jeder im Hotel sitzen, wo er möchte und machen, was er individuell will. Wir bieten Kontakt, Geselligkeit und Hilfe lediglich an.

Durch unsere vielseitigen Aktivitäten im Hotel und außerhalb fallen wir auf, allein deshalb bekommen wir sehr schnell Kontakt zu anderen Hotelgästen.

INTERVIEW: DIETER GRÖNLING

Kontakt: Grabo-Tours, Rennweiler Str. 5, 66903 Ohmbach, Tel. (0 63 86) 77 44, www.grabo-tours.de