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Zweitjobs von ParlamentariernPirat ohne Transparenz

Der Berliner Abgeordnete Alexander Morlang veröffentlicht seine Nebeneinkünfte nicht. Er gibt dafür erstaunliche Gründe an.

Alexander Morlang (mitte) im Oktober 2011 bei einer Reise mit Fraktionskollegen nach Island. Bild: dapd

BERLIN taz | Der Piraten-Abgeordnete Alexander Morlang soll endlich genau wie seine Fraktionskollegen alle Nebeneinkünfte veröffentlichen – das fordern die Jungen Piraten. Sie haben dazu eine eigene Webseite erstellt.

Darauf ist ein Button, den man anklicken soll, wenn man wissen will, welche Firmen und Privatpersonen dem Piraten seit seiner Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2011 Geld gegeben haben. Sobald der Mauszeiger über den Button kommt, springt der Button immer wieder zur Seite – er lässt sich nicht drücken.

Auch auf Twitter wird Morlang immer wieder aufgefordert, seine Nebeneinkünfte transparent zu machen. Seine Parteikollegin Ursula Bub-Hielscher etwa schrieb: "Bitte veröffentliche (...) deine Nebeneinkünfte – 1 Jahr ist Zeit genug!" Morlang vergleicht in seiner Antwort solche Tweets mit einer Hinrichtung: "Viele kleine Steine machen eine Steinigung."

Beim Versuch, sich zu rechtfertigen, verheddert Morlang sich zusehends. Zum Beispiel, als Twitterin "MarySheep" ihn erinnert: "das mit den Nebeneinkünften war ein Wahlversprechen". Morlangs Antwort: "Liebe Maria, unser Versprechen war ein Gesetzentwurf." Soll heißen: Die Piraten hätten lediglich versprochen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, laut dem alle Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte offenlegen müssen – die Piraten hätten aber nicht versprochen, selbst mit der Veröffentlichung anzufangen, bevor ihr Gesetzentwurf in Kraft getreten ist.

Morlang untermauert sein Argument in einem weiteren Tweet noch mit einem Beispiel von den Grünen, die sich in ihren Wahlprogrammen für eine Reduzierung des Autoverkehrs aussprechen: "Und Grüne dürfen keine Autos fahren?"

Große Mengen Papier

Dieses Argument von Morlang wäre wohl auch dann recht gewagt, wenn es richtig wäre. Aber es stimmt nicht: Die Piraten fordern in ihrem Wahlprogramm aus dem Jahr 2011 keinen Gesetzentwurf. Sie fordern jeden Abgeordneten zum Handeln auf. Wörtlich heißt es: "Weiterhin hat jeder Abgeordnete Auskunft über die Art und Höhe der Bezüge neben der Diät zu erteilen, um Verbindungen zu Dritten, insbesondere Unternehmen, Vereinen und Verbänden offenzulegen."

Morlang eröffnet nun eine neue Verteidigungslinie: "Ich habe das nicht versprochen", twittert er und beruft sich damit auf sein Recht als Abgeordneter, frei nach eigenem Gewissen zu entscheiden, ohne an Parteibeschlüsse gebunden zu sein. Es gibt zwar zusätzlich auch einen Fraktionsbeschluss, laut dem alle Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte veröffentlichen sollen, aber Morlang hat nicht für diesen Antrag gestimmt.

Aber was ist mit der Forderung im Wahlprogramm? Wie hat Morlang dazu abgestimmt? Morlang wurde im Parteitag/2011.2/Protokoll:März 2011 auf einem Parteitag auf die Liste der Piraten für das Landesparlament gewählt. Ende Juni beschlossen die Piraten auf einem weiteren Parteitag ihr Wahlprogramm. Laut Parteitag/2011.3/Protokoll:Protokoll war auch Morlang anwesend. Laut Protokoll wurde der Antrag Antragskommission/2011-06-26_WP017A_-_Transparenz_-_Eine_b%C3%BCrgernahe_und_nachvollziehbare_Politik_in_Berlin:WP017A zur Nebeneinkünfte-Transparenz einstimmig angenommen.

taz-Anfrage über Twitter an Alexander Morlang zu seinem Abstimmungsverhalten bei diesem Antrag: "Warum haben Sie nicht dagegen gestimmt o. enth.?" Rückfrage von Alexander Morlang: "Wie so hätte ich sollen?" Rückfrage der taz: "Warum haben Sie für einen Wahlprogramm-Antrag gestimmt, wenn Sie die darin enthaltenen Forderungen ablehnen? Erscheint mir unlogisch." Morlang antwortet: "Warum beherrscht der Praktikant der taz keine Rechtschreibung?"

Nachdem die Webseite der Jungen Piraten online ging, veröffentlichte Morlang auf seiner Webseite immerhin ein Detail seiner Nebeneinkünfte: Im Jahr 2012 habe er kein Geld als Selbstständiger verdient. Aber wie viel Geld hat er als Angestellter verdient? Und von wem bekam er wie viel Geld im Jahr 2011 nach seiner Wahl ins Abgeordnetenhaus? Morlang ließ diese taz-Fragen unbeantwortet. Es scheint aber mehrere Einnahmequellen zu geben.

Auf seiner Webseite schreibt er, er müsse erst „große Mengen“ Papier sortieren, um korrekte Angaben zu seinen Nebeneinkünften machen zu können. Bisher kann er noch nicht absehen, wann er die Papiermengen sortiert hat: „Das dauert so lange, wie es dauert. Anfeindungen, Druck, Beleidigungen und anderes werden diesen Vorgang nicht beschleunigen.“

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14 Kommentare

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  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Arschlöcher gibt’s überall, also macht bitte mal halblang mit generalisierter Kritik.

  • R
    Randolf

    Rainer David W. Früh: Die Piraten haben dort ihre außenpolitischen Beziehungen aufgebaut und mit Bürgermeister Jón Gnarr folgende Deklaration unterzeichnet:

    http://www.welt.de/img/ausland/origs105139999/1629728973-w900-h600/nichts2-pk-BM-Bayern-Reykjavik.jpg

     

    Damit haben die Piraten auch erhebliche Außenwirkung erzielt und dazu beigetragen, durch Presseberichterstattung ihre Ziele einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen:

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-81136831.html

    http://www.welt.de/politik/ausland/article13674728/Die-Berliner-Piraten-und-ihr-Konzept-des-Nichts.html

  • C
    cyctologie

    wow...nur zustimmende kommentare.

    herzlichen glückwunsch taz.

    das gibt bestimmt 200 gefälligkeitsabbos der grünen.

     

    ab morgen bitte wieder steinbrück bashing. das thema scheint ja durch.

  • RD
    Rainer David W. Früh

    Wundert mich, dass hier noch keiner gefragt hat, was die Berliner Piratenmannschaft so wichtiges in Island zu erkunden hat, dass sie dafür eine FRaktionsreise veranstaltet, die der Berliner, äh, nee, der hessische und bayrische Steuerzahler auch noch zu tragen hat.

  • SH
    Steuer Hinterzieher

    Wer Einkünfte hat, muss eine Steuererklärung machen. Da steht alles drin, wenn man nichts weggelassen hat. Dass es eine gewisse längere Zeit dauert, die "Unterlagen" zu sichten, lässt Verdacht aufkommen. Verdacht auf weithin tolerierte Steuerhinterziehung? Möglicherweise stammt das Geld von einer bekannten Behörde, die Leute für gewisse Informationen bezahlt.

    Um diesen Verdacht zu entkräften, sollte Herr Morlang dringend seine Nebeneinkünfte bekannt geben.

  • S
    Sebastian

    Er schwimmt nicht gegen den Strom, er ist aus dem Fluss gestiegen.

     

    Letztendlich will er vielleicht nur erreichen, dass das Thema schlichtweg nicht in Vergessenheit gerät.

     

    Nicht ganz so falsch (mit Betonung auf "so")...

  • H
    hatem

    Die Piraten sind doch schon tot, sie wollen es nur nicht wahrhaben.

  • H
    Haßkasper

    Ach ja, die Piraten...

    "ALLE DOWNLOADS UMSONST!!!!" ... außer bei MEINEM Buch.

    "TOTALE TRANSPARENZ!!!" ... nur nich bei mir, denn ich habe Grundrechte.

    Ich wünsch mir lieber die sozial-kalte Rösler-Truppe im nächsten Bundestag, als diese egozentrische Dilettanten-Versammlung von Studenten und Nerds die noch nie am echten Leben teilgenommen haben und nach dem Motto leben: "Milch kommt aus'm Kühlschrank und Strom ausse Steckdose."

  • R
    reblek

    "... mit einem Beispiel von den Grünen, die sich in ihren Wahlprogrammen für eine Reduzierung des Autoverkehrs aussprechen: ' Und Grüne dürfen keine Autos fahren?'" - Es ist schon lange her, es war in den 90ern, da stand bei den damals schon nicht mehr sonderlich Grünen was von der Abschaffung des innerdeutschen Flugverkehrs im Programm. Trittin - darauf angesprochen, dass er und seine Kolleg(inn)en sich selbst nicht daran gehalten haben, sondern fröhlich zwischen Bonn und Berlin hin- und hergeflogen sind - meinte dazu: "Die anderen fliegen noch viel mehr." Mittlerweile haben er und Konsorten "die anderen" mit Sicherheit ein-, wenn nicht überholt.

  • T
    themanwhostolehisownhorsetwice

    Noch bevor diese Partei überhaupt die Chance bekommt sich im Bundestag zu etablieren zeigt sich, dass das längst übliche und unglaubwürdige Parlamentarierverhalten von dessen Parteimitgliedern inhaliert wurde. Macht, Geld und Öffentlichkeit verderben nicht den Charakter sondern zeigen ihn nur allzu deutlich. Keine Chance!

  • LD
    Lena D.

    Es ist unfassbar, wie sich Alexander Morlang als Opfer von Anfeindungen, Druck, gar "Steinigung" inszeniert und sich über die Forderung nach Einhaltung seiner eigenen politischen Anliegen empört, und zwar mit absurden, durchschaubaren Argumenten("stimmt alles nicht und wenn es doch stimmt, dann gilt es nicht für mich"). Seine demokratische Haltung als gewählter Politiker darf in Frage gestellt werden. Von einem Mitglied der Partei, die wie keine andere für Transparenz stehen möchte, darf man mehr erwarten.

  • C
    Christian

    Erstaunlich, wie schnell die Piraten (leider) öffentlich vorführen, was Aussicht auf Macht mit Menschen macht. Die Piraten waren für eine kurze Zeit Hoffnung für alle, die sich angewidert vom Politikzirkus abgewendet haben - unterdessen sorgen die Piraten für den Eindruck, dass Menschen einfach nicht dafür geschaffen sind, Verantwortung verantwortungsvoll zu tragen, oder das wenigstens sehr sehr lange üben müssen. Dann doch lieber die etwablierten Parteien, da weiß man ungefähr mit welchem Murks man zu rechnen hat. Die Piraten überbieten sich momentan gegenseitig mit abstoßenden Überraschungen: Geld- und Geltungsgeil, undemokratisch, nichttransparent, kurz: politisch verkommen schon im Kindergarten der Macht.

  • HD
    holla die Waldfee

    Das Morlangsche Verhalten ist symtomatisch für die PP: große Fresse aber nichts dahinter. Schöne Schlagworte, aber keine Inhalte. Rudimentäres Programm, die einigermassen machbaren + vernünftigen Dinge gnadenlos per copy & paste bei den anderen abgekupfert und die eigenen Sachen hübsche unrealistische Wünschis. Weshalb sollte eine solche Partei gewählt werden? Damit sie dann "drin" sind? Und was machen sie wenn sie drin sind? Dummes Zeug in Reihe twittern, unglaublich dumme Vergleiche ziehen, sich mit Zank und Streit auf allen Ebenen über alle Kanäle hinweg gegenseitig niedermachen und beschimpfen, eben Scheissesturm als herausragendes Merkmal. Nix hinter ihren eigenen Schlagwörtern Transparenz und Beteiligung. Tranzparent sind sie nicht und die Beteiligung ist eher theoretischer Natur, Liquid Feedback funktioniert nicht und an den Anträgen für Bochum haben unter 1000 Personen mitgearbeitet. Organisation funktioniert auch nicht, es wurden überhaupt nur 20 Anträge in Bochum beschlossen. Geld haben sie keines, weil die Buchhhaltung daniederliegt, eine nennenswerte Menge Mitglieder nicht bezahlen will und weil die inzwischen 45 Abgeordneten genau null Euro freiwillig an die Partei geben wollen, die sie in die Parlamente brachte.Nach wie vor sind die Lücken im Programm größer als die Inhalte. Und wenn im letzten Jahe "ich habe keine Ahnung" noch irgend wie charmant und witzig war, so ist es jetzt einfach nur noch dämlich und zeigt, dass die gar nicht dazulernen wollen.Innere Kommunikation funktioniert nicht, statt dessen bedrohen sie sich gegenseitig mit dem Staatsanwalt oder schmeissen gleich Mailverkehr nach Geheimdienstmanier in die Tonne.Äußere Kommunkation funktioniert auch nicht, nicht mal zu ureigenen Themen schaffen sie zeitnah eine Stellungnahme.Ausländerfeindlichkeit wird in den Mailinglisten und Foren geduldet,ständig ist dort eine latente Frauenfeindlichkeit nachzulesen, aktuell ist ein weibl. Landesvorstandsmitglied in BW zurückgetreten, weil sie sich wie "ein Stück Fleisch,dass Wölfen zum Frass vorgeworfen wird" behandelt fühlt. darauf hin kam ernsthaft der Vorschlag"wir müssen netter mit unseren Damen ungehen". Das alles ist für alle nachlesbar auf der Homepage der PP. Puuh, der Platz reicht nicht um weitere Beispiele zu geben, warum diese Partei wirklich nicht wählbar ist. Aber es können ja alle Leuts das machen was die PP immer vorschlägt: sich informieren auf deren Homepage. Kritische Geister die ihren Verstand nicht dem hypen coolen neuen jungen Piratenvolk als duckmäuserischer Schwarm ausgehändigt haben, finden dort wirklich alles. Wirklich!

  • E
    EinPirat

    "Viele kleine Steine machen eine Steinigung."

    Selber mit Kieselsteinen auf friedliche Demonstranten während des Piraten-BPTs in Bochum werfen (ich habs gesehen) und solche Texte bringen. Das geht ja mal gar nicht. Der Mann ist völlig fehl am Platze.