Frankreich fliegt für die Ärmsten

Regierung führt Steuer auf Flugtickets im Alleingang ein. Deutschland zieht nicht mit

BERLIN taz ■ Frankreich wird zu Gunsten von Entwicklungsländern eine Steuer auf Flugtickets einführen. Ab dem 1. Juli 2006 soll die Abgabe auf alle Flugtickets in Frankreich erhoben werden: Innereuropäische Flüge in der Touristenklasse sollen sich um einen Euro verteuern, in der Business-Class um zehn Euro. Bei Langstrecken sind vier bis 40 Euro geplant. Etwa 200 Millionen Euro sollen so zusammenkommen. Damit will die französische Regierung vor allem die Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria unterstützen.

Frankreichs Präsident Chirac hatte die Steuer auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2005 angekündigt. Frankreich will damit Vorreiter für eine internationale Solidaritätsabgabe werden, zu der auch Deutschland neben anderen Staaten aus der EU und Südamerika im September aufgerufen hatten. Doch davon will man im Bundesfinanzministerium derzeit nichts wissen. Exkanzler Gerhard Schröder hatte die Pläne Chiracs in Davos zwar noch kräftig unterstützt. Auch Finanzminister Hans Eichel sprach beim Treffen des EU-Finanzministerrats im Februar vage von einer möglichen Kerosinsteuer oder einer Flugticketabgabe. Sogar auf dem Gipfel der acht führenden Industrienationen (G 8) im Juni stand eine Flugticketsteuer auf der Tagesordnung – allerdings ohne Ergebnis. Inzwischen scheint das Thema für das deutsche Finanzministerium bis auf weiteres erledigt. Auf dem heutigen Treffen der G 7-Finanzminister in London wird nach Auskunft der deutschen Delegation darüber nicht mehr geredet.

Peter Wahl von Attac sieht die Bundesregierung am Zurückrudern. Dabei lehnen die Globalisierungskritiker die neue Abgabe ohnehin als unzureichend ab. „Mit der Ticketabgabe versucht die französische Regierung vor allem, Luft aus der Diskussion über die wesentlich effektivere Tobin-Steuer zu nehmen“, sagte Wahl. Attac ist ursprünglich als Initiative zur Einführung dieser Besteuerung von internationalen Devisengeschäfte gegründet worden. Grundsätzlich sei es ein Durchbruch, wenn auf internationaler Ebene Finanzmittel für die Armen eingesammelt werden. Für den Umweltschutz bewirke die Flugticketabgabe wenig. „Der Flugverkehr wird deshalb nicht zurückgehen. Die ein bis zwei Milliarden Euro Einnahmen aus der Abgabe reichen auch nicht aus, um die Probleme in den armen Ländern zu bewältigen“, sagte Wahl.

Die Lufthansa lehnt eine Entwicklungsabgabe auf Flugtickets ebenfalls grundsätzlich ab. „Genauso gut könnte man den Aufschlag auch auf CDs oder Kühlschränke erheben“, sagte Lufthansa-Sprecher Stefan Schaffrath. „Bei den Tickets träfe es ausgerechnet eine Branche, die den Welthandel sicherstellt und damit auch den Handel mit der Dritten Welt.“ Der französische Präsident Chirac sieht dagegen Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze für französische Unternehmen durch die neue Steuer nicht beeinträchtigt. Mit seinem Pilotprojekt will er auch bisher zögerliche Länder vom Erfolg einer Entwicklungsabgabe auf Flugtickets überzeugen.ARNULF WIESCHALLA