Tierhaltung in Niedersachsen: Unter Schweinen
PR-Schlacht in Niedersachsen: Vertreter der industriellen Landwirtschaft und ökologisch arbeitende Bauern gehen aufeinander los.
Es verläuft ein Graben zwischen den Landwirten, zwischen den Vertretern der industriellen Landwirtschaft auf der einen Seite und den ökologisch und sozial bewegten Bauern auf der anderen Seite.
Auf beiden Seiten des Grabens ist es unruhig geworden, seit die Medien das Thema Landwirtschaft so intensiv begleiten. Es geht um Ethik, Politik und Geld, und deshalb wird mittlerweile über den Graben hinweg mit harten Bandagen gekämpft. Das Ziel: Die andere Seite unmöglich machen.
In Niedersachsen treibt diese Image-Schlacht immer bizarrere Blüten. Da war zum Beispiel die Geschichte mit dem Ableger des niedersächsischen Bauernverbandes namens „Landvolk“. Das Landvolk forderte seine Mitglieder auf, Pfarrer zu melden, die gegen die industrielle Landwirtschaft und Massentierhaltung predigten.
Mittlerweile hat sich Landvolk-Chef Werner Hilse entschuldigt und sich gleichzeitig beschwert, den Denunziations-Aufruf habe es so gar nicht gegeben und sei dem Landvolk nur von der Gegenseite unterstellt worden, um das Landvolk in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.
Der jüngste PR-Schlagabtausch spielte sich zwischen dem DLZ-Agrarmagazin und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) ab. Das DLZ-Agrarmagazin steht dem Bauernverband nahe und somit dem Prinzip der industriellen Landwirtschaft mit Massentierhaltung und allem, was dazu gehört.
PR-Aktionen
Im März 2012 rief das DLZ-Agrarmagazin seine Leser auf, Vorschläge für das „Dummwort des Jahres“ einzureichen. Die Redaktion wollte Ausdrücke brandmarken, die ihrer Ansicht nach „in der deutschen Sprache nichts verloren haben“. Als Vorschläge nannte sie „so unfassbare Wortschaffungen wie Massentierhaltung, Vermaisung oder Schweinegrippe“.
Die PR-Aktion stieß der ABL übel auf: Die Arbeitsgemeinschaft setzt sich für nachhaltige Landwirtschaft ein und vertritt kleinere und mittlere Betriebe sowie Umwelt- und Tierschützer. Sie findet alles das untragbar, was das DLZ-Agrarmagazin promoten möchte. Also riefen die ABL und die Linke im Landkreis Friesland dazu auf, den Spieß umzudrehen.
Die Leute, so der Aufruf, sollten beim DLZ-Agrarmagazin als „Dummwort des Jahres“ das Wort „Moderne Tierhaltung“ einsenden. Mit diesem Begriff würden „Geflügel- und Fleisch-Lobby und Bauernverband den Unterschied zwischen bäuerlichen und agrarindustriellen Tierhaltungs-Strukturen verwischen und beschönigen“.
„Dummwort des Jahres“
Die Aktion der ABL war erfolgreich: Tatsächlich siegte „Moderne Tierhaltung“ bei der Wahl zum „Dummwort des Jahres“. Das musste das DLZ-Agrarmagazin kürzlich bekannt geben und stufte die Umfrage gleich zähneknirschend als „nicht repräsentativ“ ein: Zwei Drittel der Teilnehmer verdienten ihr Geld nicht in der Landwirtschaft. Viele seien engagiert in Aktionsgruppen, die sich gegen den Bau von Ställen wenden. Und die ABL habe sich mit ihrem Aufruf selbst als „rückwärtsgewandt, also von gestern“ entpuppt.
Der ABL-Landesvorsitzende Martin Schulz antwortete in einer ausführlichen Pressemitteilung. Seine Replik: „Wer sich wie die DLZ gar zu der Behauptung versteigt, die Verbraucher betrachteten riesige Tierhaltungsanlagen mit ihrer nicht artgerechten Haltung als modern und zeitgemäß, der muss sich schon ziemlich weit im gesellschaftlichen Abseits befinden.“
Leser*innenkommentare
Ina
Gast
Wie schön, dass offensichtlich weder der Autor des hämischen Beitrags noch die Kommentatoren ihren von Jahr zu Jahr schwankenden Lebensunterhalt mit der Landwirtchaft verdienen müssen; Abschaffung von Quoten und Ausrichtung auf den Weltmarkt ist erklärtes Ziel der Politik. Dann darf man sich über die Folgen nicht beklagen. Allein die aktuellen Tierschutzvorschriften werden zu einem Sterben der kleinen und mittleren Betriebe führen. Die Investitionen können sich nur die großen Betriebe leisten, die die Gesellschaft nicht will (übrigens nur in der Landwirtschaft nicht. In anderen Sektoren - Auto-, Chemie-, Textilindustrie - wird "Wachsen oder Weichen" klaglos hingenommen.
Immerhin haben einige Politiker mittlerweile erkannt, dass Bestandsgröße und Tierschutz kein Widerspruch mehr sind (wahrscheinlich als die mitbekamen, dass heimische Biobetriebe wachsen müssen, damit Sie mit ihren Berufskollegen aus Übersee (Ägypten, China und Neuseeland) mithalten können.
biokacka
Gast
Respekt, da geht´s ja engagiert zur Sache. Aber schließlich steht ja auch viel auf dem Spiel. Verbreitung von MRE-Keimen, Schadstoffe im Grundwasser/Trinkwasser, Bodenverdichtung & Erosion... Hier versagt leider die Verbraucher- & Agrar-Politik und überläßt die Bauern in ihren Existenzkämpfen der Lobbyindustrie. Dabei müßte die Politik doch eigentlich die gesellschaftlichen Ressourcen schützen und fördern. Stattdessen können wir uns vor allem in Niedersachsen in Zukunft auf teure Trinkwassergewinnung einstellen, und mit Ertragseinbrüchen und Nahrungsmittelverknappung rechnen. Denn auf zerstörten Böden wächst auch Hydrokultur nicht ausreichend.
zanescu
Gast
Dazu die andere Seite unmöglich zu machen, muß man als aufgeklärter Mensch nurmehr auf die von den Tierindustriellen selbst geschaffene, unbeschreibliche Realität in der Tierhaltung verweisen, und immer immer immer wieder. Solange Blut und Tod und Verderben in den Ställen und anderswo zeigen, bis das Friede-Freude-Image endgültig mitgestorben sein wird.
Der Skandal ist aus der Flasche und irgendwann mitten im Bewusstsein der Leute angekommen. Abhilfe ist gefragt, nicht Schönreden.