Bielefeld ist fast wie Mailand

Schalke 04 siegt mit 1:0 auf der Bielefelder Alm und glaubt beim Gegner Parallelen zum AC Mailand feststellen zu können. Die Arminia aus Bielefeld sieht sich derweil nicht ganz auf Augenhöhe

Schalkes Spieler Lincoln hofft, dass „Mailand wie Bielefeld spielt“

AUS BIELEFELD ANDREAS BEUNE

Bielefeld war ganz schnell ganz weit weg. 1:0-Auswärtssieg, Pflichtaufgabe erfüllt, Haken drunter. Die Gedanken der Schalker Spieler drehten sich bereits kurz nach dem Schlusspfiff um Italien. Draußen, dort wo der Mannschaftsbus der Gelsenkirchener stand, schrien sich Heranwachsende die Seele aus dem Leib, weil ihnen Kevin Kuranyi leibhaftig erschien. Drinnen, in der so genannten „Mixed Zone“, setzten sich Kuranyis Kollegen mit dem hohen Geräuschpegel und dem kommenden Dienstag auseinander: Mit dem letzten Gruppenspiel in der Champions League beim AC Mailand, das darüber entscheidet, ob der FC Schalke 04 weiter in der europäischen Königsklasse mitwirken darf oder nur einen Platz im Adelskindergarten UEFA-Pokal bekommt.

„Es ist ein Traum für jeden Fußballer, im Stadion San Siro zu spielen“, schwärmte Schalkes Torschütze Christian Poulsen und präzisierte umgehend, dass für ihn nach der verpatzten WM-Teilnahme Dänemarks nun die Traumwelt Champions League so lange wie irgend möglich erhalten bleiben soll. Mannschaftskollege Marcelo Bordon betonte, dass er unbedingt in Mailand auflaufen will – der Brasilianer hatte in der ersten Halbzeit nicht nur jeden Zweikampf gewonnen, sondern sich auch eine Muskelverhärtung im Oberschenkel zugezogen, die seine Auswechslung erzwang. „Wir wollten damit auf Nummer sicher gehen“, erklärte Trainer Ralf Rangnick: „Für eine Prognose, ob er am Dienstag auch mitspielen kann, ist es aber noch zu früh.“

Schalkes Mittelfeldfadenzieher Lincoln hoffte, dass „Mailand wie Bielefeld spielt, mit viel Pressing, so dass wir Platz für Konter haben“. Herausgelöst aus dem Lincoln‘schen Kontext ist das ein schöner Vergleich. Einer, den man sich in Ostwestfalen ins Hermannsdenkmal ritzen könnte. Mailand, das ist San Siro, Arrigo Sacchi, Ruud Gullit, Gianni Rivera, Paolo Maldini. Bielefelds Stadion heißt SchücoArena, die Helden der Vergangenheit sind Ernst Middendorp, Frank Pagelsdorf oder „Stopper“ Schulz.

Die Niederlage gegen Schalke hakten die Ostwestfalen ebenso schnell ab wie der Kontrahent den Erfolg. „In den nächsten Wochen treten wir gegen Duisburg und Köln an, das sind sehr wichtige Spiele gegen zwei Mannschaften auf Augenhöhe“, meinte Nebojsa Krupnikovic, der nach zweimonatiger Verletzungspause wieder für die Arminia aufgelaufen war. Nach vier sieglosen Partien sind nun wieder Erfolgserlebnisse gefragt, um sich zum Weihnachtsfest nicht plötzlich im Tabellensouterrain wiederzufinden. Während sich Bielefeld nach der unglücklichen Niederlage gegen die Bayern und dem unnötigen Unentschieden in Wolfsburg noch grämen durfte, gab es für vergleichbare Emotionen am Samstag keinen Anlass. „Unser Sieg war aufgrund der zweiten Halbzeit verdient“, resümierte Rangnick, und niemand wollte ihm in dieser Einschätzung widersprechen. Bielefeld hatte zwar in der ersten Halbzeit dank gewohnt kompakten Auftritts die favorisierten Gäste nur wenig zur Entfaltung kommen lassen, dem 0:1 von Poulsen in der 51. Minute hatten die Ostwestfalen aber nur in der Schlussphase etwas entgegenzusetzen – die in königsgrauen Trikots spielenden Schalker hätten die Partie zuvor schon längst entscheiden müssen.

Bielefelds Coach Thomas von Heesen ärgerte sich folglich auch weniger über die Niederlage, als über den erneuten Gegentreffer nach einer Standardsituation: „Das ist schon der 12. oder 13. in dieser Saison.“ Er verwies aber auch auf die ungleichen Ausgangssituationen. Während seine Elf unter anderem auf Fatmir Vata, Marcio Borges und Marco Küntzel verzichten musste, saßen bei den Gästen Nationalspieler wie Gerald Asamoah, Hamit Altintop und Zlatan Bajramovic auf der Bank. Als deren Chef Rangnick das Stadiongelände verließ und in Richtung des Fahrzeuges schritt, das nunmehr heisere Heranwachsende umzingelt hatten, trug er zwei Bücher in der Hand. Eines davon hatte den Titel: „Träume wagen!“. Die passende Lektüre für eine Flugreise nach Mailand.