Unmenschlichkeit unter Beobachtung

Der Abschiebebeobachter ist eine europaweit einzigartige Institution. Seine Berichte über das oft brachiale Vorgehen der Behörden haben zu mancher Diskussion mit der NRW-Landesregierung geführt – und Verbesserungen gebracht

DÜSSELDORF taz ■ Abgeschoben wird jeden Tag am Düsseldorfer Flughafen. Immer donnerstags starten die Abschiebecharter nach Pristina, fast so häufig sind Massenabschiebungen nach Belgrad und Istanbul. Daneben werden hunderte Menschen einzeln in ganz normalen Linienflügen „rückgeführt“. 2004 wurden laut evangelischer Kirche genau 4.225 Menschen aus Düsseldorf abgeschoben. „Ich war bei so gut wie jeder Sammelabschiebung dabei und auch bei Einzelabschiebungen, wenn es notwendig war“, erzählt Uli Sextro, seit August 2001 von der Landesregierung finanzierter Abschiebebeobachter. Ende letzter Woche hat er aufgehört, auf Dauer sei der Job doch „stressig und belastend“. Ein Nachfolger werde noch gesucht.

Die Arbeit des Abschiebebeobachters beginnt am „Modul F“ des Düsseldorfer Flughafens, wo die „Schüblinge“, wie Abzuschiebende im Beamtendeutsch heißen, der Bundespolizei übergeben werden. Dort ist der Beobachter dabei, wenn die Mitarbeiter der Bezirksregierung und der Zentralen Ausländerbehörde die Papiere prüfen. Zwischendurch schaut er in der Wartehalle nach den Betroffenen, „ob es Stress gibt, ob jemand was braucht“, wie Sextro sagt. Sind alle angemeldeten „Schüblinge“ eingetroffen und die Papiere der Bundespolizei übergeben, „werden die Leute in den Bus verfrachtet, der zum Flugzeug fährt“.

Dass diese Prozedur nicht immer reibungslos verläuft, zeigt der Bericht des Abschiebebeobachters vom 31. August: „(...) Herr T. wurde durch einen Beamten der Bundespolizei (BPol.) mitgeteilt, dass seine Frau nicht mehr zum Flughafen gebracht werden könne, da sie stationär aufgenommen worden sei. Nach Entscheidung der Ausländerbehörde solle er nun zusammen mit den Kindern abgeschoben werden. Daraufhin begann Herr T. zu schreien und sich gegen die Abschiebung zu wehren. Er wurde von Beamten der BPol. überwältigt und gefesselt. Er schrie während dessen immer wieder, dass er nicht ohne seine Frau abgeschoben werden könne, dass die Kinder nicht ohne Mutter bleiben könnten. Danach wurde Herr T. mit seinen Kindern in einem Polizeifahrzeug zum Flugzeug gebracht. Er hatte aufgehört zu schreien und stieg, ohne Widerstand zu leisten, ein. (...)“

Den Bericht des Beobachters veröffentlichte der Flüchtlingsrat NRW im Zuge einer Auseinandersetzung mit dem NRW-Innenministerium über das, so der Flüchtlingsrat, „brachiale Vorgehen“ der Behörden. Normalerweise werden diese Berichte nur innerhalb des Forums Flughäfen NRW diskutiert. In dem Gremium sitzen Vertreter von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Pro Asyl, UN-Flüchtlingskommissariat sowie von Bundespolizei, Innenministerium, Bezirksregierung und erörtern Abschiebefragen.

Insgesamt, sagt Sextro, habe die Zusammenarbeit „sehr gut geklappt“ und im Laufe der Zeit auch zu Verbesserungen für die betroffenen Flüchtlinge geführt (siehe Interview). Umgekehrt lobt die Bezirksregierung den Abschiebebeobachter. „Durch vertrauensvolle Zusammenarbeit werden die unterschiedlichen Sichtweisen und Auffassungen einer sachlichen Diskussion zugeführt und wechselseitig bestehende Vorurteile abgebaut“, so Sprecher Hans-Peter Schröder. Auch die Evangelische Kirche im Rheinland bilanzierte vor kurzem die Arbeit des Forums weitgehend positiv. Allerdings stoße das Forum oft an rechtliche Grenzen und könne die steigende Zahl inhumaner Abschiebungen nicht verhindern.

Bei so viel Lob überrascht es ein wenig, dass das europaweit einzigartige Modell bislang keine Nachahmer gefunden hat. Noch nicht. In Frankfurt sollen 2006 zwei halbe Stellen zur Abschiebebeobachtung eingerichtet werden, erzählt Sextro. „Wenn die beiden Flughäfen so weitermachen, haben wir gute Chancen, dass das in ein paar Jahren Standard auf Europaebene wird.“ SUSANNE GANNOTT