Die gecastete Gegenwart

„Meine Sache“: Das Focke-Museum sucht Objekte, die für wichtige Ereignisse im Jahr 2005 stehen

Bremen taz ■ 380 leere Quadratmeter locken: Der Sonderausstellungsbereich des Focke-Museums. Ein Flyer verheißt: „Sie können endlich mitentscheiden, welche Objekte Sie gerne im Focke-Museum sehen wollen.“ Er gehört zu einem Aufruf, Gegenstände als „Erinnerungsträger“ für ganz persönliche oder auch öffentliche Ereignisse beizutragen, die in Bezug auf 2005 für bedeutsam gehalten werden. Der Titel des Projektes: „Meine Sache. Bremens Gegenwart“.

Für ein Landesmuseum, das selbst mehrere Millionen Objekte besitzt, ist diese Art der Exponat-Akquise ein Experiment. Direktor Jörn Christiansen hat es entwickelt, zusammen mit sieben Studierende des Masterstudiengangs „Kunst- und Kulturvermittlung“ an der Bremer Universität, wo Christiansen als Honorarprofessor engagiert ist. Die Idee: Das Profil des Jahres soll sich in Gegenständen materialisieren, die für eine erzählenswerte Geschichte stehen – egal ob privater Natur oder bezogen auf die im Land stattgehabten „Haupt- und Staatsakte“.

Im Visier sei ein „zufälliger, normaler Ausschnitt“ aus der Bremer Gegenwart, sagt Christiansen, es sei bewusst kein Jubiläumsjahr gewählt worden – wobei es mit dem Scheitern der Kulturhauptstadtbewerbung und Scherfs Rücktritt durchaus Herausragendes gab.

Die Erinnerungsstücke müssen nicht aus dem Jahr 2005 stammen, sollen aber für wichtige Ereignisse aus diesem Jahr stehen. Eine anregende Idee. Gloystein könnte also seine Sektflasche vorbeibringen, Demonstranten ein Transparent gegen den Gewoba-Verkauf. Oder Betroffene von Zwangsumzügen im Rahmen von Hart IV den Kindersitz, auf dem sie ihren Nachwuchs zur nunmehr weit entfernten Kita transportieren. Einziger dinglicher Maßstab: Ein einzelner Mensch muss das Exponat noch tragen können. Außerdem soll ein Vordruck ausgefüllt werden, der mit den Worten beginnt: „Dieser Gegenstand ist aus folgendem Grund für mich beziehungsweise die Stadt Bremen so besonders: …“

Zwischen der großen Vesuvopfer-Sonderschau („Die letzten Stunden von Herculaneum“) und der jährlich stattfindenden Kunsthandwerks-Ausstellung sollen die ausgewählten Objekte ab Anfang Juli 2006 für vier Monate im Museum für Kunst und Kulturgeschichte bewundert werden. Die Dramaturgie der Präsentation ist naturgemäß noch völlig ungewiss. Garantiert ist hingegen die Behandlung der Leihgaben „nach allen Regeln der musealen Sorgfalt“. Egal ob „Magnum“-Scherbe oder Liebesbrief. HB

Weitere Informationen zu „Meine Sache“ gibt es am Dienstag (6.12., 19 Uhr) bei einem Info-Abend „am offenen Herdfeuer“ im Focke-Museum sowie unter ☎ 0421/361-35 75.