Urteil zur Versammlungsfreiheit: Lizenz zum Sitzen

Der Leiter einer Demonstration sollte für eine nicht angemeldete Bierzeltgarnitur ein Bußgeld zahlen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.

Auf der grünen Wiese sowieso unproblematisch: auf einer Bierbank rumsitzen. Bild: dpa

Die Polizei hat keine Rechtsgrundlage, eine ordnungsgemäß angemeldete Kundgebung einzuschränken – auch wenn sich das äußere Gestaltungsbild von der Anmeldung unterscheidet. Das hat das Amtsgericht entschieden und sprach den Versammlungsleiter Heino Windt vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Hamburgische Wegegesetzes frei. Windt hatte auf seiner Kundgebung zwei Bänke und einen Tisch geduldet. Seine Anwältin Ingrid Witte-Rohde verlangt nach dem rechtskräftigen Urteil nun ein Disziplinarverfahren gegen den Einsatzleiter der Polizei.

Im November 2010 verhandelte das Amtsgericht über eine Klage der Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft gegen den Strafverteidiger Andreas Beuth. Dem Anwalt, der viele Mandanten aus der linken Szene vertritt, wurde ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Er hatte zu einem Verfahren einen Plastik-Halter zum Abschuss von Leuchtraketen mit in den Gerichtssaal gebracht, den er Polizisten, die als Zeugen geladen waren, als Beweismittel vorgehalten hatte.

Das Verfahren gegen Beuth sorgte in Juristenkreisen und bei Mandanten wegen des Angriffs auf Rechte von Verteidigern für Aufsehen. Da das Amtsgericht den Prozess in einem kleinen Saal anberaumt hatte, war eine achtstündige Solidaritätskundgebung vor dem Gerichtsgebäude angemeldet worden. So sollte den Zuschauern die Möglichkeit gegeben werden, abwechselnd in den Gerichtssaal zu gehen und draußen einen Anlaufpunkt zu haben. Deshalb wurden ein Tisch und zwei Bänke aufgestellt, dafür verzichteten die Veranstalter auf den angemeldeten Lautsprecherwagen, da die Anlage auch auf den Tisch aufgestellt werden konnte. Leiter der Kundgebung war damals der Verwaltungsangestellte Heino Windt.

„Vor Ort wurde mir vom Einsatzleiter mitgeteilt, dass die Anmeldung der Nutzung eines Tisches und zweier Bänke im Rahmen der Versammlung nicht geschehen ist“, sagt Windt. Er habe die Auffassung vertreten, dass eine nachträgliche versammlungsrechtliche Genehmigung nicht mehr möglich sei, da nun das Wegegesetz gelte und das Bezirksamt Mitte die Aufstellung der Bierzeltgarnitur per Sondernutzung erlauben müsse.

„Ich sagte dem Beamten freundlich, dass ich das für Unfug halte“, sagt Windt. „In seiner Logik müssten bei einer Demonstration auch vorher die Zahl der Transparente angemeldet werden.“ Trotzdem rief Windt beim Bezirksamt an, um eine Sondernutzung zu beantragen. Doch die Behörde wimmelte ihn ab. „Ich bekam zur Antwort, dass Anträge auf Sondernutzung zwei Wochen vorher und schriftlich gestellt werden müssten“, sagt Windt. Schließlich würde man in der Behörde „nicht auf Zuruf arbeiten“.

Windt sei dann zum Einsatzleiter gegangen und habe ihm gesagt, wenn gegen die Nutzung des Tisches und der Bänke versammlungsrechtlich keine Einwände bestünden, solle er ihn jetzt ungestört die Versammlung leiten lassen, sagt Windt. „Ich hatte sein Verhalten ohnehin als bloße Schikane empfunden.“

Das sieht das Amtsgericht auch so, das über ein Bußgeldbescheid gegen Windt in Höhe von 173,50 Euro wegen unerlaubter Nutzung einer Bierzeltgarnitur zu entscheiden hatte, den der Einsatzleiter eingeleitet hatte. Die Regelungen des Versammlungsgesetzes sähen bei Demonstrationen „nur eine Anmeldepflicht und keine Genehmigungspflicht vor“, entschied der Richter. „Eine wegerechtliche Erlaubnispflicht würde sich demgegenüber als unzulässiger gezielter Eingriff in das Versammlungsrecht darstellen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.