Streit um privatisiertes Wasser: Whistleblower vor Gericht
Der Wasserkonzern Veolia klagt gegen Korruptionvorwürfe im Film „Water makes Money“. Am Donnerstag startet der Prozess in Paris.
BERLIn taz | „Als leitender Angestellter bei Veolia war ich zuständig für die Verträge mit dem Süden von Paris. Dadurch erlangte ich Kenntnisse von Abwegen, Funktionsstörungen und schweren Anomalien auf Kosten der Konsumenten.“ Jean-Luc Touly steht vor der Pariser Veolia-Zentrale und berichtet über die Machenschaften des Wasserkonzerns.
Diese Szene stammt aus dem Film „Water Makes Money“ der deutschen Filmemacher Leslie Franke und Herdolor Lorenz. Veolia Environnement ist eines der weltweit führenden Unternehmen der Wasser- und Abwasserbranche. Nun klagt der Konzern gegen den französischen Vertrieb des Films, „La Mare aux Canards“, und gegen den Whistleblower Jean-Luc Touly. Der Prozess startet am Donnerstag um 13.30 Uhr im Pariser Justizpalast.
Im Film wird unter anderem gezeigt, wie Wasser in vielen Kommunen durch multinationale Konzerne privatisiert wird. Jean-Luc Touly, der selbst dreißig Jahre in einer leitenden Position für Veolia gearbeitet hatte, bringt in diesem Zusammenhang das Wort Korruption ins Spiel. Durch seinen Einfluss auf EU-Ebene erleichtere sich der Konzern selbst den Marktzugang.
Zu viel Öffentlichkeit - schlecht für Veolia
Veolia bestreitet nicht die im Film genannten Fakten, sieht darin aber einen Versuch der üblen Nachrede und hatte bereits nach Erscheinen des Films im September 2010 eine Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Der Film war am 23.September 2010 zeitgleich in über hundert deutschen, französischen und anderen europäischen Städten und Gemeinden ausgestrahlt worden und fand seitdem großes Interesse einer breiten Öffentlichkeit.
Die französische Zentrale wollte die Produktionsfirma Kernfilm nach deutschem Recht verklagen. „Die deutsche Tochter befand aber, dass der Konzern schon genug Schaden erlitten hatte und wollte durch einen Prozess nicht noch mehr Aufsehen erregen“, sagt Filmemacher Herdolor Lorenz. Somit blieb dem Produktionsteam in Deutschland ein Prozess erspart.
Veolia bestreitet den Vorwurf, man wolle die Ausstrahlung des Films verhindern oder ihn zensieren. „Im Gegenteil: Veolia stellt sich der öffentlichen Debatte darüber. Das Unternehmen hat nichts zu verbergen und steht zu seiner Arbeit jederzeit Rede und Antwort", schreibt der Konzern auf seiner Website.
Üble Nachrede oder Pressefreiheit?
Tatsächlich jedoch wird ab heute verhandelt, ob die Stellen, in denen Korruptionsvorwürfe gemacht werden, aus dem Film entfernt werden müssen. Sonst drohe ein Aufführungsverbot. Kritiker sehen darin einen ernsthaften Angriff auf die Pressefreiheit.
Filmemacher Lorenz hat große Sorge, dass der Konzern gewinnt. „Doch der Film ist schon an vielen Stellen im Internet zu finden. Es wird schwierig, ihn ganz zu verbannen", sagt Lorenz.
Das Thema der Wasserprivatisierung ist derzeit ein umstrittenes Thema. Die neue EU-Konzessionsrichtlinie, die der zuständige Ausschuss des Europaparlaments Ende Januar verabschiedete, sieht vor, dass Kommunen Aufträge rund um die Wasserversorgung zukünftig EU-weit ausschreiben müssen. Dies würde die Privatisierung durch große Konzerne erheblich erleichtern. Die Initiative right2water.eu hat seitdem mehr als eine Millionen Unterschriften von EU-Bürgern gegen die Richtlinie gesammelt.
Leser*innenkommentare
Mike Byte
Gast
"Nachgehakt"
Am 28.2.2013 sollte das Urteil ergehen.
Wie ist es ausgegangen?
Celsus
Gast
Die Einwohner deutscher Kommunen sollten jetzt am besten aktiv Fragestunden der Kommunen nutzen. Es besteht doch Anlass genug, sich über die Art der Vertragserfüllung privater Firmen in Kommunen Gedanken zu machen.
Je nach Antwort sollten dann weitere Reaktionen seitens der Bürger erfolgen.
Nina
Gast
Hier kann ich Andreas Säger nur zustimmen, bzgl. der Wasserprivatisierung habe ich in meinem Umfeld nur Ablehnung und Entsetzen festgestellt. Zu den üblichen Diskussionen kommt es nicht, da sich alle einig sind.
Dafür benötigen wir aber eine Presse, die der Aufklärungspflicht nachkommtund auch nachkommen kann.
Thomas Rudek
Gast
Und kein Wort über das Watergate in Berlin?
Ist schon seltsam! Über alles wird geschrieben, nur über den Berliner Skandal der Teilprivatisierung und die Verweigerung der Politik (auch der Opposition einschl. der Piraten!), die Teilprivatisierungsverträge mit einer Organklage vor das Verfassungsgericht zu bringen, kein Hinweis? Immerhin liegt der erste und bisher einzig erfolgreiche Volksentscheid zur Offenlegung der verfassungswidrigen Teilprivatisierungsverträge genau 2 Jahre zurück! Aber wer weiss: Vielleicht ist auch reiner Symbolismus angesagt. Und was die Europäische BI betrifft, sollte nicht vergessen werden, dass am Ende lediglich ein Anhörungsrecht vor der Kommission bleibt. Mehr nicht.
nähere Infos www.wasserbuerger.de
Marco Hoffmann
Gast
Kam vorgestern auf arte, nach the brussels business, kann man ne woche nach ausstrahlung auf arte angucken. Auch deutschsprachige gemeinden haben schon veolia environment verträge.
http://videos.arte.tv/de/videos/water-makes-money--7307830.html
http://videos.arte.tv/de/videos/the-brussels-business--7307822.html
Hier läßt von der leyen sich mit blumenstrauß bestechen (dupont war gestern):
http://videos.arte.tv/de/videos/im-vorzimmer-der-macht--7307826.html
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WATER MAKES MONEY
Themen: Dokumentationen, Geopolitik & Geschichte Stichworte: Wasser, Veolia, Suez, Trinkwasser
Private Konzerne versorgen rund 80 Prozent der französischen Bevölkerung mit Trinkwasser. Doch im ganzen Land schwindet das Vertrauen in ihre Seriosität, denn die Wahrheit über das Gebaren der Konzerne drängt an die Oberfläche: Wasserzähler werden dem Kunden faktisch doppelt berechnet, der Austausch von Bleileitungen erfolgt nur teilweise, dringende Reparaturen werden dem Verbraucher als Neuanschaffung in Rechnung gestellt. Inzwischen liegen die Wasserpreise bei privaten Betreibern in Frankreich um 20 bis 60 Prozent höher als bei öffentlichen Versorgern. Skandalös sind auch die üblichen geheimen Deals der Wassermultis mit den Kommunen: Der Konzern kauft sich bei der Gemeinde ein, um Wasser zu liefern oder Abwasser zu entsorgen. Diese 200 oder 300 Millionen Euro oder mehr gelten als Kaufsumme oder auch als Geschenk an die Kommune. Doch die Zahlung der Konzerne entpuppt sich dann als Kredit, der von den Wasserkunden über 20 oder 30 Jahre mit Zins und Zinseszins in dreifacher Höhe zurückgezahlt werden muss. Beispiele in Frankreich und Braunschweig machen ein System sichtbar, das den Wasserkonzernen erlaubt, ihren globalen Expansionskurs zu finanzieren - ein System, das inzwischen viele Franzosen motiviert, die Rückkehr zur kommunalen Wasserversorgung anzustreben. Noch schockierender ist die Tatsache, dass in Frankreich die Ressource Wasser mittlerweile in einem bedenklichen Zustand ist. Dabei liegt die Lösung nah und ist absolut kostengünstig: die Ausweisung von Wasserschutzgebieten, auf denen nur Biolandwirtschaft erlaubt ist. Nur die Multis verdienen daran nichts. Zusätzlich würde ein sinkender Wasserverbrauch die Rendite der Konzerne schmälern. Aber in Frankreich wächst zusehends das Bewusstsein, die Melkkuh der Konzerne für ihre globalen Expansionspläne zu sein, und es baut sich eine Rekommunalisierungswelle auf. Und auch in anderen europäischen Ländern sowie in Lateinamerika, Afrika und den USA kommt es immer häufiger zur Rückkehr der Wasserversorgung in die Hände der Bürgerinnen und Bürger
( Deutschland, 2010, 75mn) ZDF
Erstausstrahlungstermin: Di, 12. Feb 2013, 22:02
weitere Ausstrahlungstermine: Donnerstag, 21. Februar 2013, 13:55
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(A.a.o.)
Da war auch drin, dass die das flusswasser mit den nachtcemerückständen in die erde pressen.
Neo
Gast
Sehr geehrte Leser/in, sehr geehrte Foristen/in,
wenn sie Interesse haben wie in Demokratien mit Mittel der Politik Prozesse gefördert werden, dann empfehle ich Ihnen folgende Dokumentarfilme auf dem Deutsch-Französichen Kulturkanal Arte vom 12.02.2013:
1. The Brussel Business
2. Im Vorzimmer der Macht
3. den im artikel beschriebenen Film
Water makes money
Sie haben vom 12.02.2013 bis 19.02.2013 die Möglichkeit diese Filme über die Mediathek von Arte noch einmal anzuschauen. Übrigens ist das eine Medienpolitische Entscheidung diese Möglichkeit nur für eine Woche zu ermöglichen!
Neo, die Unbestechlichen
Andreas Säger
Gast
Wann bitte gilt ein Thema als "umstritten"?
In der Öffentlichkeit gibt niemanden, der für eine Privatisierung des Wassers wäre.
Außer natürlich diejenigen, die sich seit jeher gegen jede Form von Öffentlichkeit verwahren. Zählen die etwa?