Lust auf Töten?

Die Koalition will „Killerspiele“ wie Gotcha oder Counterstrike verbieten. Schießwütige sehen das gelassen: Irgendwo kann man schließlich immer noch legal herumballern, beispielsweise im Jemen

VON KERSTIN SPECKNER

„Aufwachsen ohne Gewalt“ – das hört sich schön an und steht auch so im Koalitionsvertrag. Konkretisiert wird dieses Ziel darin auch durch ein „Verbot von so genannten Killerspielen“, ein Begriff, den Bayerns Innenminister Günther Beckstein prägte. Gemeint sind Spiele, bei denen „unter Einsatz von Schusswaffen Tötungen simuliert werden“. Ballerspiele also. Aber was ist, wenn man gar nicht ohne Gewalt leben will oder kann – was tun, wenn man auf das Herumballern nicht verzichten möchte?

Da wären zunächst einmal die Computerspiele: Ego-Shooter wie Counterstrike und Co. Vom Computer aus unter Einsatz virtueller Waffen, wie Handgranaten und Panzerfäusten, werden die Gegner erledigt. Dabei spielt eine Spezialeinheit der Polizei gegen eine Gruppe von Terroristen, pro getötetem Gegner gibt es Geld auf ein virtuelles Konto. Über Netzwerke gehen Teams gemeinsam auf die Jagd. Die besten Spieler werden in internationalen Ligen ermittelt.

Bekannt wurde das Spiel im Zusammenhang mit dem Amoklauf von Erfurt: Es gehörte zu den Lieblingsspielen des Todesschützen Robert Steinhäuser. Solche Ego-Shooter lassen sich zwar theoretisch verbieten, praktisch kann sie sich jeder, minderjährig oder nicht, kostenlos herunterladen. Dann eben von Servern, die nicht in Deutschland stehen.

Eine Stufe realistischer ist es, in Tarnuniform mit der Waffe im Anschlag durch den Wald zu rennen, Gegner aufzuspüren und sie dann mit Farbpatronen platt zu machen: So funktioniert Gotcha. Das gibt es in Deutschland auch, ist aber als Kriegsspiel im Wald illegal. Will man legal Gotcha spielen, kann man das ab 18 Jahren auf zahlreichen Spielfeldern und in Hallen. Militärische Accessoires sind in der professionellen Gotcha-Szene, in der es ebenfalls mehrere Ligen gibt, verpönt. Schutzmasken und bunte Kleidung schreiben die meisten Anbieter vor.

Will man legal im Freien rumballern, kann man etwa nach Tschechien fahren, wo es schon viele Anbieter für den deutschen Markt gibt. Hier kann sich auch der Gotcha-Spieler austoben, der nicht auf seine Uniform verzichten möchte: Gemieteter Tarnanzug und Feldausrüstung sind im Komplettpaket enthalten. Für 50 Euro inklusive Mittagessen können sich Schießwütige im Feld zwischen „Tank Woodland“ und „Hamburger Hill“ austoben. Spezielle Angebote gibt es für Betriebsausflüge und Junggesellenabschiede. In Tschechien sind die Grundstückspreise niedriger und die Gesetze bezüglich solcher Spiele weniger streng.

Das Zielpublikum beim Gotcha ist überwiegend männlich und zwischen 18 und 35. Die Feldausrüstung kann, je nach Budget, ähnlich technisiert sein wie beim Computerspiel: Vom praktischen Handradar, um die Gegner auf dem Feld aufzuspüren, über verschiedene Pistolen bis zum passenden Pflegeset ist alles im Internet und in Spezialläden zu haben.

Wer es richtig realistisch will und dafür auf High-Tech-Ausrüstung verzichten kann, der bucht einen Urlaub im Jemen. Nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Sanaa entfernt liegt das Wadi Dahar, eine Schlucht mit steilen Felswänden. Für wenige jemenitische Rial kann der schießlustige Tourist dort dann auf Coladosen ballern, die zwischen den Felsen aufgestellt werden. Mit einer echten Kalaschnikow und vollkommen legal. Militäruniformen sind hier eher unüblich. Wer es authentisch mag, kann im nahe gelegenen Sanaa ein traditionelles Outfit samt Dolch erwerben. Ist der Kalaschnikow-Neuling allerdings nicht zielsicher und trifft einen der kleinen Jungs, die für das Aufstellen der Dosen zuständig sind, kann der Ausflug schnell zum echten Nervenkitzel werden: Hier gilt nämlich, wie in Counterstrike, die Blutrache.