Steinmeier beruhigt Putin

In Moskau demonstriert der Bundesaußenminister, wie eng die deutsch-russischen Beziehungen auch ohne die Kumpelei von Schröder und Putin sein können

Tschetschenienwahl? Ein Fortschritt, sagt Steinmeier. Eine Farce, sagen Beobachter

MOSKAU taz ■ Die Atmosphäre beim Antrittsbesuch des Bundesaußenministers Frank-Walter Steinmeier in Moskau hätte nicht besser sein können. Den Befürchtungen des Kremls, durch den Wechsel im Kanzleramt vom Putin-Freund Gerhard Schröder zu Angela Merkel könnten auch die bilateralen Beziehungen an Intensität verlieren, trat der Außenminister entgegen: „Die strategische Partnerschaft zu Russland bleibt nicht nur bestehen, sie wird sogar ausgebaut“, sagte der SPD-Politiker im Gespräch mit Präsident Wladimir Putin.

Bereits der längere Empfang des neuen Außenministers durch den Kremlchef war ein Zeichen dafür, welch herausragende Rolle Moskau den Beziehungen zu Berlin einräumt. Zufrieden äußerte sich Putin auch über den Inhalt des Koalitionsvertrags, der an der Kontinuität der Beziehungen festhalte. Der Kremlchef war wieder mal bestens vorbereitet.

Der Empfang auf höchster Ebene stahl dem russischen Außenminister Sergei Lawrow die Show, der zum Schweigen verurteilt war und sauertöpfisch dreinschaute. Im anschließenden anderthalbstündigen Gespräch mit seinem deutschen Amtskollegen stellte aber auch Lawrow die Beziehungen so dar, als gebe es keine größeren Meinungsverschiedenheiten: „Wir haben entweder enge, wenn nicht gar identische Sichtweisen oder volles Einvernehmen in allen Fragen.“

Ein wichtiges Thema dürfte die durch die Ostsee geplante Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland gewesen sein. Die baltischen Staaten und Polen kritisieren das Großprojekt, da sie sich vom früheren Bundeskanzler Schröder und von Putin übergangen fühlten. Das Einlenken Merkels, die mit einer deutsch-polnischen Arbeitsgruppe den Vorbehalten der Nachbarn entgegentreten will, wurde in Moskau eher mit Unverständnis aufgenommen. Ressentiments gegenüber den früheren Sowjetrepubliken des Baltikums und Polen sind unter Putin ein Eckstein russischer Außenpolitik geworden.

Ebenfalls zwischen der EU und Russland nicht unumstritten ist die Handhabung des iranischen Atomprogramms. Bislang lieferte Moskau Teheran technisches Fachwissen und ist aus wirtschaftlichen sowie geopolitischen Gründen an einer Aufrechterhaltung des Programms interessiert. Im Gegensatz zur EU betont der Kreml die friedlichen Absichten der Ajatollahs. So sei es Russland gelungen, die Iranfrage im „professionellen Rahmen“ der Internationalen Atomenergiebehörde zu halten. Teheran sei auch bereit, die Verhandlungen zwischen der EU und Iran wieder aufzunehmen, meinte Lawrow.

Dass Steinmeier unter Schröder im Kanzleramt diente, war in der Tschetschenienfrage deutlich erkennbar. Die Parlamentswahl in der Kaukasusrepublik nannte der Deutsche einen „Fortschritt“. Man müsse anerkennen, dass die Wahl stattgefunden habe, auch wenn sie nicht westeuropäischen Standards entsprochen habe. Mit fast gleichem Wortlaut hatte der von Moskau inthronisierte tschetschenische Präsident, Alu Alchanow, den Wahlgang beschrieben. Menschenrechtsorganisationen und EU-Beobachter hatten dagegen von einer „Farce“ gesprochen. Klaus-Helge Donath