piwik no script img

Kolumne American PiePaulus on Ice

Kolumne
von Thomas Winkler

Jaromír Jágr spielt immer noch Eishockey. In Dallas präsentiert sich der arrogante Schnösel von einst als Vorbild für die Jüngeren.

Im Kreise seiner Lieben: Altmeister Jaromir Jagr lässt sich für einen Treffer feiern. Bild: reuters

D ALLAS taz Sollte Peter Pan jemals beschließen, mit dem Eishockey anzufangen, er müsste genau so aussehen wie Jaromír Jágr an diesem Abend in Katakomben des American Airlines Center in Dallas. Am Kopf kleben die vom Schweiß nassen Locken, das Trikot ist leicht ramponiert, die Anstrengung der vergangenen sechzig Minuten auf dem Eis stehen ihm ins alterslose Gesicht geschrieben.

4:3 haben die Dallas Stars eben gegen die Calgary Flames gewonnen, es war ein verdienter Sieg, ein wichtiger Sieg und um Jágrs Mundwinkel spielt das leicht spöttische Lächeln, das man kennt, seit er vor 23 Jahren zum ersten Mal in der National Hockey League (NHL) auflief.

Ansonsten aber ist Jágr ein neuer Mensch. Er ist nicht mehr der Schnösel, der, verwöhnt vom Erfolg in jungen Jahren, sein großes Talent zu verschwenden schien und der mehr Strafzettel für Geschwindigkeitsübertretungen als Pokale sammelte. Schon in der vergangenen Saison in Philadelphia gab er sich geläutert, nun in Dallas scheint die Wandlung zum Vorzeigeprofi endgültig abgeschlossen.

Mittlerweile 41 Jahre alt ist Jágr. Dafür arbeitet das tschechische Nationalheiligtum umso intensiver an seiner Fitness. Er habe sich, erzählt ein Klubmitarbeiter, einen eigenen Schlüssel für die Trainingshalle anfertigen lassen, um auch mal nachts eine Sonderschicht einlegen zu können. Die Folge: Jágr hat, wie es sein Trainer Glen Gulutzan nach der morgendlichen Trainingseinheit formuliert, „unsere Erwartungen bereits übererfüllt“.

taz
Thomas Winkler

ist Mitarbeiter im Leibesübungen-Ressort der taz.

Nicht nur das: Statt wie früher Millionen in Internetkasinos zu verzocken, ist Jágr neuerdings auch neben dem Eis ein Vorbild für die jüngeren Kollegen. Angeblich trinkt er nicht mehr, und von der Arroganz, die ihm einst nachgesagt wurde, ist nichts übrig geblieben: Geduldig lächelnd beantwortet er die Fragen der Journalisten, während des Trainings plaudert und scherzt er mit den Kollegen.

Läuterung in Sibirien

Die Läuterung von Jaromír Jágr begann in Sibirien. 2008 verließ er nach 17 überragenden Jahren die NHL und unterschrieb bei Omsk. Drei Jahre spielte er in der KHL und verdiente dort ungefähr doppelt so viel, wie er in der NHL hätte einstreichen können. Vor allem aber gab es, drei Zeitzonen von Moskau entfernt, keine Ablenkungen, nur Eishockey. „Sibirien hat mich verändert“, sagt Jágr. Und der Tod von Alexei Tscherepanow: Das 19-jährige Talent kollabierte während eines Spiels auf der Bank direkt neben Jágr und starb quasi in seinen Amen. Der tragische Vorfall habe ihm, hat Jágr später erzählt, gelehrt, immer das zu tun, was man liebt.

Wenn Jágr heute über die Bande klettert, geht nicht mehr wie früher ein Raunen durchs Publikum. Es scheint nicht mehr alles möglich, wenn er auf den Kufen steht. Sein Antritt ist nicht mehr so explosiv wie einst, an der Bande ist er nicht mehr so durchsetzungsfähig, aber er ist immer noch gut genug, der beste Scorer seines Teams zu sein. Wenn er gegen Calgary den Puck am Schläger führt, spürt man bis hinauf zu den billigen Plätzen unterm Dach der riesigen Arena den Respekt der Gegner, die zum Teil seine Söhne sein könnten: Sie halten etwas mehr Abstand, um nicht ausgetrickst zu werden.

Gegen Calgary aber bleibt Jágr blass. Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss. An diesem Abend muss Jágr überhaupt nicht springen. An diesem Abend ist alles ungefähr so, wie das Management der Stars sich das gedacht hat, als sie Jágr verpflichtete. Der Altstar dreht als Spiritus Rector ein paar hübsche Kringel übers Eis, zeigt ein, zwei Dribblings – und lässt den Nachwuchs das Spiel entscheiden. Lässt Loui Eriksson (27) das entscheidende Tor schießen, Jamie Benn (23) die Vorlagen geben und Cody Eakin (21) den Gegner verprügeln.

Denn in Dallas hofft man nicht nur, Jágr wird der Mannschaft helfen, nach vier Jahren endlich wieder einmal die Playoffs zu erreichen, sondern vor allem auch, die neu gefundene, vorbildliche Arbeitsauffassung des alten Mannes möge abfärben auf die jungen, talentierten Kollegen, vor allem auf Jamie Benn. Der ist 17 Jahre jünger als Jágr und spielte während des NHL-Streiks, der erst im Januar endete, für die Hamburg Freezers in der DEL. Anschließend unterschrieb Benn einen neuen Fünf-Jahres-Vertrag für 26 Millionen Dollar. Seitdem gilt er als zukünftiges Gesicht der Stars, die dringend nach einem Nachfolger für den legendären Mike Modano suchen.

Motivation ohne Ende

Momentan allerdings stiehlt der Oldie mit zehn Toren und acht Vorlagen dem Jungstar noch die Schau. Selbst im gesegneten Sportleralter ist er die viereinhalb Millionen Dollar Wert, die er in dieser Saison verdient.

Wie lang er noch spielen möchte, wird er gefragt. „Ich weiß es nicht“, sagt er. Vielleicht noch mit 50 Jahren für Rytíri Kladno, den Klub, bei dem er einst seine Profikarriere begann und der ihm mittlerweile selbst gehört, notfalls auch in der dritten tschechischen Liga. Und wenn es da nicht mehr reicht, hat er einmal gescherzt, dann macht er seine eigene Liga auf.

Die Dallas Stars bezahlen den alten Mann also für etwas, was er wohl auch umsonst tun würde. „Die Motivation ist dieselbe, die sie auch schon früher war: Ich liebe Eishockey“, hatte der tschechische Nationalheld nach der morgendlichen Trainingseinheit erzählt. „Es ist sehr schwer, etwas aufzugeben, das man so sehr liebt.“ Nach 25 Jahren als Profi, einer olympischen Goldmedaille, zwei WM-Titeln, zwei Stanley-Cups, nach 1.372 Spielen in der NHL, nach 675 Toren und 996 Assists kann es sich Jaromír Jágr leisten, Eishockey einfach deshalb zu spielen, weil es ihm Spaß macht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • N
    nicknack

    Der Artikel ist a bissle schlecht recherchiert. Alkohol hat Jagr soweit man das nachvollziehen kann nie getrunken. Jedenfalls nie in irgendwelchen nennenswerten Mengen, Bier schmeckt ihm angeblich gar nicht. Das mit dem Schnösel ist auch etwas übertrieben. Jagr hat zeitlebens mehr trainiert als andere in seinem Alter, dazu muss man sich nur die Trainingseinheiten auf Facebook anschauen, die er nach eigenen Angaben so in ähnlicher Weise macht seit er fünfzehn ist. Dabei davon zu reden, daß er sein Talent vergeudet habe ist natürlich kompletter Quatsch. Man muss sich nur die Statistiken anschauen, hätte er nicht 3 Jahre in Russland gespielt, wäre er wohl überall unter den ersten fünf Plätzen. Ich denke wenn man sich nur unzureichend informiert sollte man einfach nichts über jemanden schreiben, den der Rest des Artikels ist auch mehr oder weniger recht durchschnittlich.