Druck auf WASG-Fusionsgegner wächst

Der WASG-Länderrat und die Linkspartei versuchen, die Gegner einer Verschmelzung der beiden Parteien zu isolieren. Oskar Lafontaine droht in Berlin, die beiden Parteien hätten historisch versagt, wenn sie nicht zusammengingen

BERLIN/DRESDEN taz ■ Die Linkspartei und ein Großteil der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit drängen auf eine Fusion. Am Wochenende versuchten sie, Druck auf die Fusionsgegner in den WASG-Landesverbänden Berlin und Mecklenburg-Vorpommern auszuüben. Der WASG-Länderrat verabschiedete einen Leitantrag, der für eine Verschmelzung der beiden Parteien eintritt. Oskar Lafontaine verlangte auf dem Berliner Parteitag der Linkspartei die Fusion. Die Berlin Wahlalternative will erst im Frühjahr in einem Mitgliederentscheid über eine Fusion entscheiden. In den Augen Lafontaines ist das ein Verrat am Wählervotum: „Wir sind gar nicht mehr frei darin, ob wir zusammengehen wollen“, sagte Lafontaine, der selbst WASG-Mitglied ist. Mehr als vier Millionen Wähler hätten das bereits bei der vergangenen Bundestagswahl „klar gemacht“.

Der rund 700 Mitglieder starke WASG-Landesverband Berlin plant bislang, eigenständig zur Abgeordnetenhauswahl im September 2006 anzutreten. Falls die Fusion platze, sagte Lafontaine unter starkem Beifall der Delegierten, „hätten wir historisch versagt“.

Auch der neu gewählte Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer, schob der WASG die Schuld an den stockenden Fusions-Gesprächen zu: „Wir, die Linkspartei in Berlin, haben alle Erwartungen des WASG-Bundesvorstands erfüllt. Die WASG Berlin hat sie in den Wind geschlagen.“ Lederer forderte deshalb die Bundesspitze von Linkspartei und Wahlalternative zum Eingreifen auf: „Hier muss Klarheit der Bundesebene her, sonst nichts. Keine schwammigen Begründungen, sondern ganz deutliche Aussagen.“ Die Delegierten dankten es ihm mit heftigem Applaus.

Still blieb es, als Rouzbeh Taheri vom WASG-Landesvorstand in seiner Gastrede konterte, Lederer habe „nicht die ganze Wahrheit“ über die fest gefahrenen Verhandlungen gesagt. Auf Basis des gemeinsamen Bundestagswahl-Programms bleibe eine Annäherung möglich. Beide Landesverbände sind einander in herzlicher Abneigung verbunden. Vor zwei Jahren gründete sich die dortige WASG in Opposition zur als „neoliberal“ geschmähten Politik der SPD/PDS-Senats-Koalition.

Nicht nur in der Hauptstadt verschärft sich der Ton zwischen den beiden Parteien. In Mecklenburg-Vorpommern votierten WASG-Mitglieder in einer Urabstimmung dagegen, bei der Landtagswahl im kommenden Jahr anzutreten – falls die Sozialisten „ihren neoliberalen Kurs in der Landesregierung“ fortsetzen. In dem Bundesland regiert die Linkspartei ebenfalls in einer rot-roten Koalition mit der SPD.

Der 45-köpfige Länderrat der WASG beschloss im sächsischen Markleeberg bei nur drei Gegenstimmen einen Leitantrag, der konkrete Schritte in Richtung Vereinigung benennt und Konkurrenzkandidaturen bei bevorstehenden Landtagswahlen ausschließt. Als Maxime dabei gilt „So schnell wie möglich – so langsam, sorgfältig und offen wie nötig“. Die Landesverbände sollen gemeinsame Regionalkonferenzen und weitere Veranstaltungen mit der Linkspartei organisieren. Kulturelle und historische Unterschiede und Vorbehalte könnten dabei diskutiert und aufgearbeitet werden. „Die Vereinigung soll von unten wachsen“, sagte WASG-Sprecher Murat Cakir der taz. Dabei will man offen für weitere soziale Bewegungen sein.

Zusätzlich aufgenommen wurde eine Passage, nach der Konflikte um die PDS-Orientierung auf Regierungsbeteiligungen „Thema des bundesweiten Parteibildungsprozesses“ sein sollen. Angespielt wird damit auf den Beschluss des Berliner Landesverbandes, nicht gemeinsam mit der Linkspartei zur Abgeordnetenhauswahl 2006 anzutreten. Die Berliner Vertreter seien im WASG-Länderrat relativ isoliert gewesen, bestätigte Sprecher Cakir. Man sehe zwar die Politik des rot-roten Berliner Senats kritisch. Wer aber die Konfliktlinien nur entlang der Frage Regierungsbeteiligung oder Fundamentalopposition sehe, verkürze die Probleme. Ein „politisch falsches Signal“ sei auch das Votum des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern gegen eine schnelle Fusion mit der Linkspartei. Dort hatte allerdings nur die Hälfte der Mitglieder überhaupt an der Urabstimmung teilgenommen. Ähnlich wie der „Bernburger Kreis“ in Sachsen-Anhalt wehrt sich eine Gruppe von etwa 45 WASG-Mitgliedern gegen das Zusammengehen. Cakir zeigte sich überzeugt, dass die WASG auch im Osten bald ein verlässlicher Partner der Linkspartei sein werde.

In der sächsischen WASG scheinen die Vorbehalte gegen eine Fusion mit der Linkspartei spätestens seit ihrem Parteitag in Freiberg beseitigt, der ebenfalls am vergangenen Wochenende stattfand. In relativ harmonischer Atmosphäre war von einem „gelungen Start“ die Rede. Gemeinsamkeiten sollten ausgebaut werden. Wie beim vorangegangenen Parteitag der Linkspartei kamen Gastredner der anderen Partei zu Wort. Die Zusammenarbeit laufe regional sehr unterschiedlich, war aus den WASG-Kreisverbänden zu hören, und hänge oft von persönlichen Sympathien oder Animositäten ab. MATTHIAS LOHRE
MICHAEL BARTSCH