Handball Champions League: Scheitern mit Spektakel
Gegen Atletico Madrid verpassen die Füchse Berlin den Einzug ins Champions-League-Viertelfinale. Nun steht dem Vorzeigeverein ein großer Umbruch bevor.
BERLIN taz | Auch ein Pfosten taugt zum Sündenbock. So einem Torbalken kann man schon allerlei vorhalten. Lässt er doch zuweilen Bälle einfach so ungerührt abprallen und ins Feld zurückhüpfen, während die Zuschauer in der Halle eine Schockstarre überkommt.
Solcherlei ereignete sich am Sonntagabend in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Acht Sekunden vor der Schlusssirene stand das Torgestänge aus Sicht der einheimischen Fans an der falschen Stelle.
Wahrlich kein besonders guter Zeitpunkt. Denn Bartlomiej Jaszka zielte genau dahin, wo blöderweise der Torbalken war. Der Ausgleichstreffer für die Füchse Berlin fiel nicht, Atletico Madrid – dem Pfosten sei Dank – qualifizierte sich für das Champions-League-(CL-)Viertelfinale.
Im Achtelfinalrückspiel unterlagen die Berliner so dem Vorjahresfinalisten Atletico Madrid mit 26:27 – nach einem Unentschieden (29:29) im Hinspiel hätte dieses eine Tor zum Weiterkommen gereicht.
„Wir sind natürlich sehr enttäuscht. Es waren 120 Minuten großer Kampf und großer Handball“, sagte Füchse-Coach Dagur Sigurdsson nach der Partie.
Am Ende könnte dieser eine Fehlwurf für die Füchse mehr bedeuten als nur ein unglückliches Scheitern. Im DHB-Pokal ist man draußen, in der Bundesliga ist man derzeit Vierter – die erneute CL-Qualifikation (Plätze eins bis drei) scheint aufgrund des Restprogramms zumindest ein schwieriges Unterfangen.
Der Umbruch kommt
Dem Club, der in den vergangenen Jahren wegen seiner vorbildlichen Strukturen zum Vorzeigeverein wurde, könnte ein Wendepunkt bevorstehen. Einen Umbruch wird es wegen etlicher Abgänge ohnehin geben. Ob es den Berlinern gelingt, übergangslos Handball auf so hohem Niveau anzubieten, ist fraglich.
Dabei bot die Partie gegen Madrid noch mal großes Spektakel. Nach einem völlig missglückten Start (nach zehn Minuten lagen die Füchse 2:6 hinten) wechselte die Führung im Laufe des Spiels mehrmals. Ästhetischen Handball mit flüssigen Ballstafetten gab es wenig zu sehen, dafür Kampf, harte Abwehrreihen, das große Durchgewurschtel.
Nachdem die Berliner zwischenzeitlich 19:16 geführt hatten, rannten sie gegen Ende der zweiten Hälfte wieder einem Ein-Tor-Rückstand hinterher. Dann kam die Sache mit dem Pfosten.
Überblick verloren
Bei den Madrilenen glänzten vor allem Kiril Lazarov und Torwart José Hombrados, 40, der ein starkes Comeback feierte. Bei den Füchsen überzeugten vor 9.000 Besuchern in erster Linie Konstantin Igropulo (8 Treffer) und Iker Romero (4). Die Schiedsrichter Nenad Nikolic und Dusan Stojkovic behielten während der Begegnung leider nicht immer den Überblick.
Wer nun nach dieser Saison bei den Füchsen bleibt, ist indes leicht überschaubar, da etliche Spieler gehen. Johannes Sellin, Kapitän Torsten Laen, Evgeni Pevnov, Ivan Nincevic, Mark Bult und Börge Lund verlassen den Verein nach derzeitigem Stand.
Insbesondere bei den Nationalspielern Pevnov und Sellin (zu MT Melsungen) ist das unverständlich. Es hätte gelingen können, den immer stärker werdenden Pevnov zu halten.
Angebot ausgeschlagen
Warum Füchse-Manager Hanning nicht auf das Angebot eines Sponsoren einging, der das Bleiben des gebürtigen Usbeken ermöglicht hätte, weiß man nicht. Und Sellin, der aus der Jugend hochkam, stand von den Abgängen am ehesten für das Füchse-Modell.
Mit Fabian Wiede ist dafür ein anderer Nachwuchsspieler aufgerückt. Und dann kommen bald drei Schweden: Frederik Petersen (29, Linksaußen, vom HSV Hamburg), Mattias Zachrisson (22, Rechtsaußen, von IF Guif) und Jesper Nielsen (23, Kreisläufer, von IK Sävehof) verstärken den Kader zur neuen Saison, dazu der Tscheche Pavel Horak.
Jetzt aber schaut man erst mal auf das nächste Ligaspiel gegen den direkten Konkurrenten um die CL-Plätze, die SG Flensburg-Handewitt. Dort entscheidet sich wahrscheinlich schon, ob die Füchse noch die Chance haben, kommendes Jahr im Konzert der Großen mitzuspielen.
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