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Streit der WocheDarf man Wagner lieben?

Er war Antisemit, sagen manche Forscher. Das habe nichts mit seiner Musik zu tun, entgegnen andere. Sicher ist: Richard Wagner wäre im Mai 200 geworden.

Deutsch, wuchtig, holografisch: Richard Wagner Bild: dpa

Er selbst hielt sich schon früh für einen Messias der Musik, einen Revolutionär und Ästheten des Zukünftigen.

Richard Wagner, der etwas schmächtig geratene Sohn eines Polizeiprotokollanten und einer Bäckerstochter beschloss schon in jungen Jahren Komponist zu werden und mit seinem Werk einmal alle anderen Komponisten in den Schatten zu stellen. Fantasien von Ruhm und Reichtum, die protegierende Hand des Komponisten Carl Maria Weber und ein unerschütterliches Selbstvertrauen taten ihr Übriges. Mit achzehn Jahren begann der junge Wagner, an der Universität Leipzig Musik zu studieren und nahm Kompositionsunterricht. Schon mit seinen ersten Kompositionen und Aufführungen konnte er erste Erfolge verzeichnen. Der Rest ist Musikhistorie.

Während der Genius Wagners heute unbestritten ist, brachte ihn sein glühender Antisemitismus bei der internationalen Rezeption in Misskredit. Dieser schlägt sich insbesondere in seinen Schriften nieder, zeigt sich jedoch auch bei der Figurencharakterisierung von Mime und Alberich aus dem „Ring der Nibelungen“, denen insbesondere Theodor W. Adorno und Saul Friedländer jüdische Stereotype zuschreiben.

„Das Judenthum in der Musik“

Dabei drehen sich die meisten Diskussionen seit Jahrzehnten insbesondere um Wagners 1850 erschienene Schrift „Das Judenthum in der Musik“. Darin stellt Wagner die These auf, dass „der Jude“ an sich unfähig sei, „weder durch seine äußere Erscheinung, seine Sprache, am allerwenigsten aber durch seinen Gesang, sich uns künstlerisch kundzugeben“. 1868 veröffentlichte Wagner den Aufsatz noch einmal, diesmal sind Judenhass und Demagogie noch schärfer formuliert.

taz
sonntaz

Die Antworten auf den Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 13./14. April 2013. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Während die Wagner-Forschung rund um den Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste Dieter Borchmeyer keine antisemitischen Stereotype in Wagners Werken zu finden glaubt und seinen journalistischen Antisemitismus als Modephänomen der damaligen Zeit verortet, halten Wagner-Spezialisten wie Hartmut Zelinsky oder Paul Lawrence Rose eine Trennung von Werk und Autor für unmöglich.

Für die Einen ist der Antisemitismus in Wagners Werk ein Faktum und diskreditiere sein Werk, Genie hin oder her. Andere wiederum relativieren diese Zuschreibungen frei nach Goethe: Man sieht nur, was man weiß.

Kein Wagner in Tel Aviv

Besonders in Israel sorgt Wagners Œuvre regelmäßig für Kontroversen und aus Rücksicht auf Holocaust-Überlebende wird per ungeschriebenem Gesetz kein Wagner gespielt. Die israelische Wagner-Gesellschaft ist indes bemüht, Inszenierungen von Wagners Werken auch in Israel stattfinden zu lassen. Zuletzt scheiterte ihr Vorsitzender Jonathan Livny jedoch mit seinem Versuch, im Juni 2012 ein groß angelegtes erstes Wagner-Konzert in Tel Aviv zu organisieren. Und auch der Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden, Daniel Barenboim, sah sich 2001 scharfer Kritik ausgesetzt, als er bei einem Konzert in Jerusalem als Zugabe einen Auszug aus Wagners „Tristan und Isolde“ spielen ließ.

Wagner könnte heute als einer der wichtigsten Komponisten gelten, hätte sein glühender Verehrer Adolf Hitler keinen Weltkrieg angezettelt und seinen perfiden Plan zur Lösung der „Judenfrage“ ersonnen, während er zu Wagners Götterdämmerung in seinem Büro auf- und ab-marschierte. Und so kann die Frage nach Wagner schon fast als Gretchenfrage der Musik gelten.

Für Thomas Mann war Wagner „das Pumpgenie, der luxusbedürftige Revolutionär, der namenlos unbescheidene, ewig monologisierende, die Welt über alles belehrende Propagandist und Schauspieler seiner selbst“. Trotzdem fühlte Mann sich vom Klangrausch des Komponisten magisch angezogen. Richard Wagner ist polarisierend, ambivalent und kann wohl als der am meisten rezensierte Komponist überhaupt gelten.

Die sonntaz fragt sich nun: Darf man ihn lieben?

Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 13./14. April. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 10. April, eine Mail an: streit@taz.de

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27 Kommentare

 / 
  • R
    ridicule

    Zuvor meinte schon Kerstin Decker mit

    " Handgranaten für Prag"

    in der paper-taz dieser 'Frage'? nachgehen zu sollen.

     

    Daran amknüpfend meine Antwort:

     

     

    "Immer wenn ich Wagner höre, überkommt mich das Bedürfnis, in Polen einzumarschieren!"

     

    Aha - diese Paraphrasierung des Göbbels-Satzes "… wenn ich das Wort Kultur höre, greif ich zum Revolver" -

    ist Ihnen "der schönste wagnerfeindliche Satz";

    - den Sie kennen.

     

    Hm, über Geschmack, auch Ironie läßt sich bekanntlich nicht streiten.

    Über den nachfolgenden Rest schon.

     

    Jetzt.

    Woody Allen ist - anders als offensichtlich Sie - Musiker, ein veritabler Klarinettist.

    Sie - machen sich anheischig, als philosophisch gebildete Autorin sich an diesem Zitat-Aufhänger langzuhangeln;

    Wagner wie sie meinen gerecht(er) zu werden.

     

    Mit Verlaub, wie ich finde, letzteres eher nicht, jedenfalls nicht im Hinblick auf obiges Zitat.

     

    Denn - Spiegel?

    wer liest denn ernsthaft und -nehmend heute noch dieses verfocussierte Tischfeuerwerk?

     

    Also - es geht erkennbar um Musik,

    um die Musik Wagners und - lang tot hin oder her - die Rezeption wagnerscher Musik und ihrer Präsentation einschließlich wechselseitigem Rangewanze an, durch, mit und in Hitlerdeutschland.

     

    "Handgranaten, Bakunin" - alles in Ehren, aber das meint Woody Allen erkennbar und völlig zu recht nicht; sondern die perfide Instrumentalisierung von Musik - bis hin in KZ's.

    Und nicht - wie Sie insinuieren - eine Anfeindung Wagners a persona;

    jedenfalls geht es ihm, leicht erkennbar, darum, wenn überhaupt - eher gar nicht.

     

    Andererseits keine Projektion ohne tatsächliches oder vermeintliches Gegenüber auf der Projektionsfläche.

     

    Und dazu eignet sich Wagners Musik phantastisch. War er doch der wahrlich großmannssüchtige Großmeister der Emotionen/Schauder-ziehenden Musik.

    Die Nazis faselten als Pendant ja auch passenderweise immer von völkischer - Revolution. Vorneweg der Gröfaz.

     

    Ich weiß, wovon ich rede.

    Bin ich doch in eine seit Anbeginn wagnerbegeisterte Familie mütterlicherseits hineingeboren

    ( mein bäuerlich-geerdeter Vater aber schlief passenderweise im Hase Lodengrün ein);

     

    Antisemitismus bürgerlich? - bitte:

    " Mendelsohn-Bartholdy? Disharmonien nur, um sie aufzulösen!" - "Richard Tauber? - ja, aber bei der Stimme darf man sich nicht an die Operette&Schlager-Welt wegwerfen!"

    Anders - mein 'Wagner-Onkel':

    " Beatles? - so genial wie Beethoven!" 1963! - nach WK II nie wieder öffentlich aufgetreten: " Seine Spur verliert sich irgendwo im Osten" - so 'sinnigerweise' Springers Hamburger Abendblatt.

     

    Egal - auf meinem steinalten Mozart-Flügel (höhö) steht sein 'Groupie'Bild als Siegfried in Bayreuth, Met, Scala o.ä.

    Dem Herrn Kammersänger lauschte ich (wie die Passanten auf der Straße) schon weiland in Händel-Stadt - 'nachm Krieg' - zu Wagner rauf und runter - zum Glück aber auch zu Löwe, Schumann, Schubert - mit verblüffender Langzeitwirkung:

    2-Zentner-plus am Flügel singend

    - issen Wort, aber Hallo.

     

    Schon als unbeleckter Pöks war mir dadurch der Unterschied - auch dank meiner bayreuth-lauschenden RadioOma mit Partitur - sowas von frappant: dieser schaudernde aufwühlende bohrend-bombastische Sog hie, die offene einladende Musik mit Gesang/Stimme dort - selbst im Evangelimann; bis hin zur Intonierung und Stimm(ungs)gebung.

     

    Daß Wagner et fam. zudem ausgewiesene® Judenhasser war/en, speiste die gegenseitigen Vereinnahmungsgelüste von und in Nazi-Deutschland nur um so nachhaltiger.

     

    Daß Barenboim dennoch Wagner - und gar in Israel spielt, geht voll in Ordnung.

    Steht aber als De-Instrumentalisierung durch einen Berufenen - auf einem anderen Blatt.

    Hier aber geht es zu recht um eine historisch eingegrabene Kodierung!

     

    Woody - Allen Konigsberg - ging es vor allem um Ohren - Hören und das unabweisbare Gefügigmachen via Wagners Musik, Frau Decker,

    - Ohren/Hören -

    sorry, nicht um Augen, wessen auch immer.

     

    Salopp könnte man's auch so sagen:

    wer's kann, macht's und versteht's;

    - die anderen werden Lehrer, Journalisten usw und verbreiten sich darüber - mit ungewissem Erfolg.

     

    Nix für ungut.

    Wie immer - gern gelesen.

  • T
    Tristan

    @ suse

     

    "immer wenn ich wagner höre, habe ich das gefühl polen überfallen zu müssen."

     

    Gilt das auch für Franz Liszt? Von dem stammt nämlich die Bombast-Fanfare, mit dem in den Nazi-Wochenschauen die Siegesmeldungen angekündigt wurden.

     

    Ach ja, und wenn du die Bibel in der Übersetzung von Martin Luther liest - einem der fanatischsten Judenhasser der Geschichte - hast du wahrscheinlich das Gefühl, ein paar Juden umbringen zu müssen, gell.

  • S
    suse

    immer wenn ich wagner höre, habe ich das gefühl polen überfallen zu müssen.

     

    und mit verlaub gesprochen, die operwelt ist nun zu 99,9% wirklich kein ort der kritischen auseinandersetzung. geht man zum beispiel in die deutsche oper in berlin, wird man insbesondere bei wagner mit einem berlin konfrontiert, was man bereits für ausgestorben hielt. eine ansammlung von erika steinbachs und anderen kriegerwitwen, die sich über die farbe ihrer ausscheidungen (ganz linie 1) austauschen.

     

    selbst schlingensief sprach davon, dass ihn die inszenierung in bayreuth hat schneller sterben lassen ... insofern, lassen wir doch die finger von diesem scheusal.

  • F
    Fricka

    Ring DES Nibelungen!!!

  • A
    aujau

    Hat Wagner nicht bei Mendelsson geklaut und war er nicht der Dieter Bohlen der Romantik?

  • K
    Kluchscheißer

    Nein, natürlich darf man Richard Wagner nicht lieben. Ganz abgesehen von dem grässlichen Antisemitismus und kruden politischen Ansichten war er ein egomaner Wicht, der skrupellos andere Leute ausgenutzt und benutzt hat, einem Freund die Frau ausspannte, völlig überdrehte Ansprüche stellte und und und.

     

    Wagner als Dichter ist ... gewöhnungsbedürftig. Wenn man sich auf seine Stabreimerei und die ungewöhnliche Wortwahl einlässt, die die Texte oft unverständlich macht (glücklicherweise werden die Opern heute meist mit Übertiteln gespielt, dann weiß man wenigstens ungefähr, worum es geht), findet man durchaus intelligente Sachen, aber oft sitze ich da und denke: Warum kriegt der Mann keinen geraden Satz heraus?

     

    Und die Musik -- ja, man darf sie lieben, muss aber nicht. Vieles ist einfach auf Überwältigung angelegt und erdrückt einfach durch "Masse". Generell behandelt er das Orchester besser als die Sänger, die instrumentalen Passagen klingen i.d.R. auch eingängiger. Seine Leitmotivtechnik ist genial, setzt aber eine Auseinandersetzung mit den Stücken voraus, denen sich wohl nur die Wenigsten hingeben wollen.

     

    Sei's drum: In diesem Monat werde ich mir den zyklischen Ring anschauen (4 Tage, 4 Opern, 16 Stunden Musik) und werde es (wahrscheinlich) genießen. Aber dann ist mein Bedarf wohl auch für die nächsten Jahre gedeckt.

  • `.°.´

    Darf man der (vom Antisemiten Martin Luther gegründeten) protestantischen Kirche angehören ?

  • K
    Kerstin

    Ich habe nicht den Eindruck, dass die Autorin des Artikels genug von klassischer Musik versteht, um Wagners Bedeutung für die Entwicklung der Musik, speziell der Oper zu erfassen. Richard Wagner ist in erster Linie Komponist und hat ein umfangreiches Werk hinterlassen, das regelmäßig auf allen großen Musikbühnen der Welt gespielt wird. Seine mutmaßlich antisemitischen Schriften zum "Judentum in der Musik" sind mir mit Verlaub egal; eine direkte Linie von ihm (gestorben 1883) zum III. Reich zu ziehen, ist albern und willkürlich. In meinen Augen und Ohren ist die Qualität seiner Musik der einzige Maßstab zur Beurteilung seines künstlerischen Ranges. Man muss sich eben die Mühe machen bzw. das Vergnügen gönnen, seine Opern zu hören, immer wieder zu hören und zu sehen. Wer das ernsthaft tut und sich auf ungewohnte Hörerfahrungen einlässt, wird die inquisitorische Frage, ob man Wagner lieben dürfe, nur absurd finden.

  • W
    Wolfram

    Wagners Antisemitismus ist sicherlich abstoßend, wer wollte das bestreiten, aber blieb wirklungslos und wurde nicht rezipiert, auch nicht von Hitler.

    Viel wirkungsvoller und einflussreicher war einer der wahrscheinlich "bedeutensten" deutschen Antisemiten, nämlich Martin Luther, aber der war ja ein Gegner des Papstum und da scheinen Aufrufe zu Mord und Brandstiftung doch eher lässliche Sünden zu sein und keiner Problemtisierung mehr wert, auch nicht in Luther-Jahren..... Wens interessiert, man lese "Von den Juden und ihren Lügen"

    http://www.sgipt.org/sonstig/metaph/luther/lvdjuil.htm

  • FF
    Fischers Fritze

    ja

  • M
    Mike

    Vor den Nazis waren quasi alle Antisemiten. Man wird sehr wenig Leute finden die keine waren, und wenn Sie es nicht waren, dann haben Sie sich drüber nicht geäußert.

     

    Der Antisemitismusvorwurf für Vor-Nazi-Leute ist schon etwas seltsam.

     

    Freuen wir uns doch über den Fortschritt.

     

     

    PS: Vor 100 Jahren waren quasi alle Männer Hyper-Machos, haben sowieso alle gehasst die nicht ihrer Konfession sind, etc. etc.

     

    Wetten in 200 Jahren wird man auf uns auch schauen, und etwas finden was an uns unglaublich auszusetzen ist. Vielleicht äußern wir uns auch täglich über etwas was zum nächsten Völkermord in 50 Jahren führt. Wir wissen es nicht. Man kann Menschen nur an Ihrer Zeit messen, alles andere ist Tempiismus!

  • E
    Elvenpath

    Ja, Wagner war wohl Antisemit. Antisemitismus war früher eben weit verbreitet und absolut gesellschaftsfähig. Die meisten haben wohl auch nicht über ihren Antisemitismus nachgedacht, er wurde ihnen quasi mit der Muttermilch eingetrichtert.

     

    Wenn wir aber alle Errungenschaften (und deren Entwicklungen) ablehnen würden, die Menschen mit antisemitischem Gedankengut geschafft haben, würden wir uns weit ins Mittelalter zurück katapultieren.

     

    Lasst Wagner Antisemit sein, er wusste es nun mal nicht besser, er hat als Kind eine religiöse Gehirnwäsche erhalten.

    Seine Musik ist trotzdem genial. Ich liebe sie. Und das, obwohl ich weit links anzusiedeln bin.

     

    P.S.: Luther war auch Antisemit.

  • UR
    Uwe Roos

    Lieben ist der falsche Begriff. Ein Verhältnis zu Richard Wagner ist eine ambivalente Angelegenheit. Seine Musik ist fraglos wundervoll, berauschend und auch zuweilen pathetisch. Hier geschieht die Trennung zur historischen und politischen Person. Seine offensive Judenfeindlichkeit, sein Narzissmus und seine Egozentrik, überhaupt seine ganze Erscheinung verursachen negative Emotionen und offensive Ablehnung. Aber wie so oft, auch in der populären Musik (z. B. Frank Sinatra) koppeln wir das künstlerische Werk von der Person ab. Das ist kein Widerspruch, sondern eine Charakteristik die uns Menschen zu eigen ist.

  • G
    golm

    Die eigentliche Frage lautet: Darf man die Gesinnung und das Werk eines Menschen getrennt voneinander betrachten? Wer einer totalitären Weltanschauung anhängt, muss diese Frage eindeutig verneinen, alle anderen dürfen die Musik von Wagner lieben, weil sie in der Lage sind, zu differenzieren und sich ihre eigene Meinung zu bilden.

  • E
    elisa

    die Frage ist, wie schon mehrfach erwähnt, falsch gestellt. Man muss bei Kunstwerken zwischen dem Autor und seinen Schöpfungen trennen. Es ist möglich die historische Person Richard Wagner zu hassen, aber seine Musik lieben.

    Und liebe Anne-Sophie Balzer, er GILT heute als einer der wichtigsten Komponisten. Er reizte wie kein anderer die Grenzen der tonalen Harmonik aus, war Wegbereiter für die Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er ist auf dem Gebiet des Musiktheaters aus musik-/theaterwissenschaftlicher Sicht mit Beethoven auf dem Gebiet der Sinfonie vergleichbar: Alle nachfolgenden Komponisten, die nach Beethoven eine Sinfonie und nach Wagner ein musiktheatrales Werk komponieren wollten, mussten sich in irgendeiner Weise zu ihren Vorgängern verhalten.

     

    Bleibt zu erwähnen, dass der Artikel einige weitere Errungenschaften, wie das unsichtbare Orchester, den verdunkelten Zuschauerraum, das demokratische Publikum und seine theoretischen Schriften verschweigt. Und seine Teilnahme an revolutionären Umtrieben 1848.

     

    Nichtsdestotrotz sind seine antisemitischen Äußerungen zwar historisch kritisch zu bewerten, aber (auch von mir) des Hasses würdig.

  • D
    Dirk

    Dachte es ginge um Franz Josef Wagner von der Bild:-(

  • UZ
    und zu

    Diese Relativierungen, wie "Jeder ist nur ein Kind seiner Zeit" nerven mich kolossal.

     

    Natürlich war Wagner ein Kind seiner Zeit. So wie Martin Luther. Und Holger Apfel. Und Adolf Hitler.

    Oops.

     

    Der dann besser doch nicht.

    Oder?

     

     

    Jeder ist ein Kind seiner Zeit. Aber Millionen Kinder ihrer Zeit waren und sind keine sturen Antisemiten. Wagner war einer. Luther war einer. Hitler war auch einer.

     

    Warum sollten wir also an Wagner andere Maßstäbe ansetzen als an alle anderen?

  • R
    Realist

    Darf man Wagner lieben? Nein, natürlich nicht. Darf man Wagners Musik mögen? Ja klar!

     

    Überall dort wo Fan-Kult heimisch ist, also in allen Ländern mit Massenmedien, gibt es Leute die sich mit ihren Idolen identifizieren. Hier liegt das Problem, nicht in der Musik selbst.

  • A
    Antiheld

    Wagner war, wie Walt Disney und Henry Ford auch, glühender Antisemit. Wagner schrieb sogar das Buch "Judentum und Musik. Der Antisemitismus findet sich auch klar in den Werken Wilhelm Buschs, der ja ein Zeitgenosse Wagners war und nach dem sogar Schulen benannt wurden.

     

    Die Person, um die es sich in der Wagner-Diskussion dreht, ist nämlich selten Richard Wagner, sondern Adolf Hitler, der seinerzeit die Wagner-Festspiele "rettete", wohlmöglich auch, weil ihm der Antisemitismus Wagners zusagte.

     

    Die Frage ist nicht, ob man die Musik Wagners lieben darf, oder nicht, sondern ob man diesen Menschen in jeder großen Stadt mit einer eigenen Veranstaltungsreihe ehren muss, während man die "schwierige Historie", zu seinen Lebzeiten und posthum, verschweigt und man, in eitel Feierlaune, vielleicht auch etwas geschichtsvergessen wird. Antisemitismus wird auch dann nicht akzeptabel, wenn er 200 Jahre alt ist. Dieses lamoyante "Das war halt so.", was einen jeglicher Reflexion darüber entzieht, warum einem der Antisemitismus so erfrischend egal ist, dass man gleich gar nicht drüber nachdenken will, ist jedenfalls kein wirklich guter Charakterzug.

  • UM
    Ulli Müller

    Bei Wagner empfinde ich ähnlich wie Woddy Allen,

    mich überkommt solch ein Wunsch Polen oder ähnliches Land überfallen zu wollen!

  • N
    Nixi40

    Die Frage ist bereits von einigen Usern zu Recht in "Darf man Wagners Musik lieben?" korrigiert worden. Die Antwort ist ein entschiedens "JA,..." mit einer Einschränkung: ... wenn die dabei nicht so viel singen würden.

  • BG
    Bernd G.

    Was bei der Bewertung von historischen Personen oft vergessen wird ist der gesellschaftliche Hintergrund. Wagner war ganz Kind seiner Zeit, was sich unter Anderem durch seinen in den Werken durchklingenden Hang zum Dramatisch-Pompösen zeigt. Das Wort 'Antisemit' in der heutigen Gebrauchsform traf wohl zu der Zeit auf die Mehrheit der Bevölkerung Europas zu. Das macht seine Ansichten nicht weniger falsch, aber verständlicher. Unabhängig davon ist es ansich totalitär Menschen vorschreiben zu wollen was für Musik vertretbar ist und welche nicht (Abgesehen von Musik, die textlich die Rechte Anderer angreift- sie z.B. beleidigt etc.). Also ja, man kann und darf Wagners Musik lieben und es ist generell schwer seine moralische Schablone von 2013 auf Personen von vor zig Jahren anzuwenden.

  • M
    musici

    Grundsätzlich ist festzustellen: Antisemitismus gehörte im 19. Jahrhundert leider zum schlechten Ton und war salonfähig. Antisemitische Äußerungen gibt es auch von vielen anderen Geistes- und sonstigen Größen aus dieser Zeit. Wagner ist schlicht ein Kind seiner Zeit. Über seine musikalischen Leistunge sagt das rein gar nichts aus. Auch Hitler ist ein Kind seiner Zeit. Die Tatsache, daß er sich an der Musik Wagners berauschte, sagt ebenso rein gar nichts über die Musik Wagners aus.

     

    Um nun zur Taz-Frage zu kommen: Wenn man sich mit einem Komponisten/Dichter/Forscher etc. auseinandersetzt, sollte man sich natürlich alle Seiten seiner Persönlichkeit bewußt zu machen und nichts zu verdrängen. Die Frage der Taz "Darf man Wagner lieben" ist eine populistisch ungenaue Frage. Korrekt wäre "Darf man Wagners Musik lieben" - dies wäre mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Dafür daß Hitler oder sonst irgendein Diktator bestimmte Lieblingskomponisten hat, können diese in der Regel nichts. Wollte man alle solche Komponisten zu unerwünschten Komponisten erklären, so müßte man auch z.B. Lehar (Hitler) oder Schumann (Mengele) verbieten. Das ist lächerlich.

  • H
    Harald

    Sicher, Wagner hat sich klar von der Wiener Klassik abgesetzt und eine vergleichsweise neue, dato moderne, Musiksprache geschaffen.

     

    Wobei 'modern' zur Zeit Wagners vor allem hieß: schwülstig und kitschig bis zum geht nicht mehr, pathostriefend und reaktionär tümelnd.

     

    Seine 'heroischen Passagen' die das Wagner Bild in erster Linie prägen, sind der Urahn heutiger US Filmmusik á la Indiana Jones.

     

    Selber bin ich vom Gesamteindruck Wagner'scher Musik bis ins Mark angewidert. In ihrer tückischen, bombastischen Falschheit darf sie zurecht als die kulturelle Avantgarde betrachtet werden, deren Saat 60 Jahre später aufging.

  • N
    Nemorino

    Vielleicht sollte die Taz darauf verzichten, sich mit einem Werk wie dem Wagners zu befassen, das ihr Fassungsvermögen offenbar übersteigt. Man muß ja nicht alles diskutieren. Es wäre der Taz und Wagner geholfen, würde man auch schweigen können. Zumal es andere Themen gibt, für die die Taz sicher kompetent ist.

  • DU
    der Uli

    Und - darf man Justin Biber lieben, Heino oder David Bowie?

     

    Würde mir Wagners Musik gefallen (was nicht der Fall ist), könnte ich dennoch seine Person verabscheuen (was ebenfalls nicht der Fall ist). Werk und Künstler sind trennbar - sonst müsste auf jeder Veröffentlichung ein Lebenslauf nebst Unbedenklichkeitserklärung (ob entnazifiziert oder entstalinisiert oder schlicht entblödet) angebracht werden.

     

    Was allerdings nervt, ist "der Hügel" - und das auch nur, weil Steuergelder für ein Konzert ausgegeben werden. New Kids on the Block und Tina Turner haben Geld eingespielt und Steuern gezahlt, Michael Jackson und Carlos Santana mussten nie subventioniert werden.

     

    Aber egal: Wem das gefällt, dem soll das gefallen dürfen.

    Nur nichtt so laut

  • F
    Fisch

    @taz:

    Warum überspitzen Sie diese Frage denn so, dass man sie fast nur mit einem klaren "Nein" beantworten kann?

     

    Es geht doch wohl nicht darum, ob man Wagner lieben darf/kann, sondern darum, ob man seine Musik lieben darf/kann!