Opernskandal in Düsseldorf: Nackedeis in Plastik-Kuben
Burkhard C. Kosminski hat an der Rheinoper Wagners Tannhäuser inszeniert - als NS-Kriegsverbrecherdrama. Der kalkulierte Aufreger ist gründlich daneben gegangen.
Ein Sturm empörter Buhrufe und demonstrative Abwanderungen unter Türenknallen brachten die „Tannhäuser“-Premiere am Samstagabend in der Düsseldorfer Rheinoper bereits nach knapp 30 Minuten an den Rand des Vorstellungsabbruchs.
Regisseur Burkhard C. Kosminski ist ein Opernneuling, dem man gestattet hat, sich an einem der größten Opernhäuser der Republik auf unbekanntem Terrain auszuprobieren, und das ausgerechnet mit einer Wagner-Oper. Kosminski ist in Düsseldorf kein Unbekannter, war er doch am benachbarten Schauspielhaus bis 2006 leitender Regisseur und lieferte dort solide Arbeiten ab, bevor er in Mannheim Schauspielchef wurde.
Mit dem Düsseldorfer „Tannhäuser“ will Kosminski sich aber offensichtlich für den Regie-Olymp der großen Aufreger empfehlen, was ihm – abgesehen von der berechneten Aufregung – peinlich misslingt. Denn es gebricht dem Opernanfänger sowohl an einer plausiblen These als auch an Gedankenschärfe, vor allem aber am Handwerk.
Tannhäuser ein Kriegsverbrecher?
Wagners zentralen Themenkreis um Schuld und Erlösung hievt er unter allerhand Verrenkungen in die Nazizeit und die Anfänge der Adenauer-Republik. Was ja ein uralter Hut ist, in Kosminskis Zu- und Ausrichtung auf zuverlässig ansprechende Schlüsselreize aber außerordentlich unappetitlich gerät. Gewiss braucht man für den Venusberg als Ort der Sünde in Zeiten von Patchworkbeziehungen und Speed-Dating neue Bilder, die diese rätselhafte Chiffre von Schuld ins Heute übersetzen.
Aber ist Tannhäuser ein Kriegsverbrecher? Und muss es die Gaskammer sein? Schon im Vorspiel wird eine Schar Nackedeis in Plastik-Kuben sichtbar, dann strömt Pyronebel herein, die Darsteller gehen zu Boden, stehen wieder auf und sinken erneut herab. Nach der Ouvertüre folgt eine stumme, nur durch Statistengeschrei belebte Szene, in der eine jüdische Familie entkleidet, rasiert und erschossen wird. Daraufhin hebt das Buhgeschrei an.
Der Rest des Abends ist pure Langeweile, steifes, nur durch gelegentliche Wälzkrämpfe unterbrochenes Herumgestehe der Protagonisten und eine Chorregie, die den Namen nicht verdient, baut Kosminski die Sängermasse nur säuberlich an der Rampe auf oder setzt sie artig auf Bänke. Ein Totalausfall. Und ein billiger, in Wahrheit aus kreuzbiederer Grundhaltung produzierter Skandal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen