Appelle wirken
: KOMMENTAR VON FLORIAN HARMS

Die Appelle aus Politik, Wirtschaft, Religion und Gesellschaft an die Entführer, Susanne Osthoff freizulassen, sind wichtig. Sie dienen nicht lediglich dazu, das bundesrepublikanische Gewissen zu beruhigen, alles Menschenmögliche für eine in Not geratene Mitbürgerin unternommen zu haben. Vielmehr darf die Wirkung eines solchen Aufrufs auf die Öffentlichkeit im Irak nicht unterschätzt werden – selbst wenn sie nur auf Umwegen greift.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Geiselnehmer – wer auch immer sie sein mögen – unmittelbar von dem Aufruf beeindrucken lassen, ist zwar verschwindend gering. Wer die Gnadenlosigkeit der meisten Kidnapper in zurückliegenden Entführungen im Irak zum Maßstab nimmt und zudem die Agitation religiöser oder nationalistischer Extremisten kennt, kann kaum hoffen, dass eine Mahnung zur Menschlichkeit diese fanatischen Köpfe erreicht. Der Irak ist dafür nicht das einzige Beispiel, auch der Kaukasus oder der Balkan haben unter der Geißel bedingungsloser Brutalität gelitten.

Und doch ist der Aufruf sinnvoll. Er zeigt der gepeinigten irakischen Bevölkerung, dass sich die westlichen Zivilgesellschaften für diesen Konflikt und seine fürchterlichen Auswüchse interessieren und an dem täglichen Drama im Irak Anteil nehmen. Susanne Osthoff ist ebenso ein unschuldiges Opfer wie tausende von irakischen Zivilisten.

Zudem kann der Aufruf auch konkrete Folgen zeitigen. Indem islamische Verbände sich ohne Wenn und Aber angeschlossen haben, entsteht ein geeinter Block der Menschlichkeit. Das übt moralischen Druck auf jene religiösen Würdenträger und politischen Führer im Irak aus, denen Einfluss auf gewalttätige Gruppen nachgesagt wird. Sie beobachten durchaus, wie die Öffentlichkeit westlicher Staaten auf ihr Handeln reagiert. Selbst wenn nur ein einziger dieser Protagonisten sich nun zum Eingreifen genötigt sieht, wäre der Appell bereits ein Erfolg.

Frankreich hat in „seinen“ Entführungsfällen Malbrunot/Chesnot und Aubenas vorgemacht, welche Dynamik öffentliche Mahnungen und Demonstrationen im Irak entfalten können. Deutschland scheint nun zu versuchen, denselben Weg einzuschlagen. Weitere Aktionen sollten folgen.