Erste Klage gegen RWE

Der Druck auf RWE wegen der Stromausfälle im Münsterland wächst. Das NRW-Energieministerium verlangt vom Konzern detaillierte Aufklärung und es gibt ein erstes Gerichtsverfahren

VON ELMAR KOK

Der Stromausfall im Münsterland beschäftigt nun erstmals ein Gericht. Ein Bauer aus Ochtrup will in einem Verfahren ermitteln lassen, ob der Stromkonzern bei der Errichtung und Wartung seiner Strommasten geschlampt hat. Deshalb hat er vor dem Landgericht Steinfurt ein so genanntes selbstständiges Beweisverfahren beantragt. Damit will sich der Landwirt für ein mögliches, späteres Schadensersatzverfahren Beweise sichern.

Der Bauer will einen Schaden von rund 2.000 Euro geltend machen. Das Landgericht soll den Bochumer Gutachter Rolf Kindmann mit der Untersuchung beauftragen. Der sagt zwar, „bisher habe ich noch keinen Auftrag bekommen, aber ich gehe davon aus, dass das noch passieren wird“. Der 58-jährige Professor für Stahlbau sagt, „ganz Deutschland wird aus diesen Schäden lernen“. Trotz seines Alters sei ihm der Stahl, der laut Presseberichten brüchig geworden sein soll, „nicht so geläufig“. Der so genannte „Thomasstahl“, der in den fünfziger Jahren beim Mastbau eingesetzt worden sei, soll den heutigen Standards nicht mehr genügen. Kindmann freut sich auf seine Gutachtertätigkeit, er wolle „möglichst schnell herauskriegen, was die wirklichen Ursachen waren“.

Darum bemüht sich auch das Energieministerium in NRW. Ministerin Christa Thoben (CDU) hat gestern den Energieriesen RWE aufgefordert, dem Ministerium mitzuteilen, „ob und wie viele Hochspannungsleitungen noch sanierungsbedürftig sind“. Weiter verlangte sie vom Konzern Aufklärung darüber, wo die gefährdeten Masten stehen. Zusätzlich solle RWE einen Sanierungsplan für seine gefährdeten Stromnetze vorlegen und gegebenenfalls erläutern, welche Prioritäten er bei der Sanierung seines Netzes setzt.

Warum das Ministerium erst jetzt handelt, will auch Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag wissen. Priggen hat beantragt, die Stromausfälle in der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses des Landtags am kommenden Freitag zu behandeln. Schließlich habe Der Spiegel schon im Oktober 2003 über die Mängel an den Hochspannungsmasten berichtet. Damals leitete noch Axel Horstmann (SPD) das Energieministerium. Horstmann sagte gestern der taz, in seiner Ministerzeit habe es keine Probleme mit dem Stromnetz in NRW gegeben. Der Bericht, den die Energieministerin angefordert habe, interessiere ihn dagegen sehr. Der Sache müsse auf den Grund gegangen werden, so Horstmann. „Obwohl die Investitionen in die Netze in den Preiskalkulationen für den Verbraucher immer drin waren, stellt sich jetzt die Frage, ob der Konzern auch in das Netz investiert hat.“ Horstmann rät den Menschen im Münsterland, sich „in jedem Fall Schadensersatzforderungen vorzubehalten“. Er halte es momentan für offen, „ob es nicht doch eine Verantwortung des Konzerns gibt“.

Es könne sogar sein, dass der Konzern gegen das Energiewirtschaftsgesetz verstoßen habe, so der Grüne Priggen. Denn laut Spiegel-Bericht habe der Konzern die Sanierung der maroden Masten herausgeschoben. Angeblich sollen die Masten aus den fünfziger Jahren nur noch 40 Prozent ihrer theoretischen Belastbarkeit tragen können. Auch Konservative Politiker melden sich zu Wort, weil sie den RWE-Konzern für schadensersatzpflichtig halten. So sagte der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Hendrik Wüst (CDU) am Wochenende der Bild, es ergebe sich eine „glasklare Haftungspflicht“ des Konzerns für die im Münsterland entstandenen Schäden.

Bisher lehnt der Essener Energiekonzern jedoch jegliche Haftung für die Schäden ab. Er verwies darauf, 550 Millionen Euro für ein „vorsorgliches Instandhaltungskonzept“ ausgegeben zu haben. Damit habe der Konzern Mängel, die bei „Intensiv-Inspektionen“ erkennbar wurden, sofort behoben.

Wie es um das Netz des Energieriesen wirklich bestellt ist, weiß bisher nur das Unternehmen selbst. Auch die Bundes–netzagentur, zuständig für den Wettbewerb im Strommarkt, habe bisher keine Auskünfte zu den Stromausfällen im Münsterland erhalten, teilte eine Sprecherin der Bonner Behörde gestern mit. Die Bonner hatten den Konzern aufgefordert, zu den massiven Ausfällen des Netzes Stellung zu nehmen, das Unternehmen RWE wartet nach eigenen Angaben noch auf die Ergebnisse eines externen Gutachtens, das zur Stellungnahme nötig sei. Im Regelfall müssen die deutschen Netzbetreiber einmal im Jahr, am 30. Juni, der Agentur Auskünfte über Ausfälle in ihrem Netz geben.

Witschaft und Umwelt, Seite 8