Gartenschau-Nachnutzung: Trendsport ohne Trainer
Die IGS beschert Wilhelmsburg neue Sportanlagen und damit Chancen der Stadtteilentwicklung. Bisher fehlen den dortigen Vereinen dafür aber die Übungsleiter.
Mit der Internationalen Gartenschau (IGS) sind in Wilhelmsburg auch neue Sport- und Freizeitstätten entstanden. Die Schwimmhalle Inselpark ist schon in Betrieb, die größte Skateranlage Norddeutschlands wurde in den Park integriert, die Blumenschauhallen sollen nach Ende der Gartenschau in eine Sporthalle vor allem für Basketballer umgebaut werden. Bereits seit 2012 ist eine moderne Kletterhalle in Betrieb und 2014 schließlich soll, mitten im IGS-Park, eine moderne Kanustrecke eingeweiht werden.
Anlagen, nach der sich viele Vereine in den innerstädtischen Quartieren, wo es kaum noch Platz für zusätzliche Sportflächen gibt, die Finger lecken würden. „Die neu entstandene Infrastruktur kann ein Impuls für die lokalen Sportvereine sein, vor die Tür zu gehen und den Park mit seinen Einrichtungen für attraktive Angebote zu nutzen“, schwärmt Beate Wagner-Hauthal, die Projektkoordinatorin Parksport bei der IGS.
Neue Angebote nötig
Doch die Annäherung verläuft nur zögerlich. Die vielen kleinen, ehrenamtlich betriebenen Sportvereine der Elbinsel scheinen mit der Fülle der sich neu bietenden Möglichkeiten schlicht überfordert. Denn eine sinnvolle Nutzung des Parks und seiner Anlagen ist ohne ganz neue Angebote nicht zu haben. „Die Tendenz geht in Richtung Trendsport wie Klettern und Skaten und Gesundheitssport für Menschen über 30, die Bewegungsangebote suchen, um fit zu werden oder es zu bleiben“, weiß Frank Fechner, Sprecher der „Hamburger Topsportvereine“, einem Zusammenschluss der 26 großen Hamburger Vereine, die 250.000 Mitglieder in ihren Reihen haben.
„Doch für solche Angebote haben wir nicht die ehrenamtlichen Kapazitäten und nicht die Übungsleiter“, klagt Cordula Radtke, Vorsitzende des Frauenfußballvereins 1. FFC Wilhelmsburg. Dabei wären „das genau die Angebote, mit denen sich das Geld verdienen lässt, um die klassischen Wettkampfsportarten quer zu subventionieren“, weiß Fechner.
Geld, dass die Wilhelmsburger Vereine gut gebrauchen könnten. Viele von ihnen sind chronisch klamm. Die Mitgliederzahlen sind rückläufig, die Zahlungsmoral vieler Mitglieder lässt zu wünschen übrig und Wettkampfsportarten wie Fußball, Handball oder Kampfsport bringen zu wenig Geld in die Kasse.
Deshalb sieht Beate Wagner-Hauthal in den neuen Angeboten für die lokalen Vereine „die Chance zum Umdenken“. Ein neues Angebotsprofil müsse neben Trend- und Gesundheitssport vor allem „etwas anbieten, was einen Treffpunktcharakter hat und soziale Zusammenhänge schafft“. So könnten auch Jugendliche erreicht und in eine Gemeinschaft integriert werden, die sich von den klassischen Vereinsangeboten nicht mehr angesprochen fühlen.
Vorbildcharakter könnte da der 2006 von dem ehemaligen Basketballprofi Marvin Willoughby, einem gebürtigen Wilhelmsburger, gegründete Verein Sport ohne Grenzen (SOG) haben, der Wettkampfsport, Sozialarbeit und Hausaufgabenhilfe miteinander verzahnt, mit Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen kooperiert und Basketballcamps sowie Streetball-Turniere organisiert. Unter seiner Mithilfe sollen die Blumenschauhallen zum Hamburger Rollstuhlbasketball-Leistungszentrum ausgebaut werden.
„Das, was hier derzeit entsteht, ist eine große Chance für den Stadtteil und seine Vereine“, glaubt Willoughby. Doch ob sie genutzt wird? „Wir Vereine wollen unsere Kräfte bündeln und einen Parksportverein gründen – doch dazu brauchen wir Leute, die sich engagieren“, umschreibt Cordula Radtke das große Ziel, betont aber auch: „Vereinsmühlen mahlen langsam.“
Kampagne geplant
„Die Anlagen und der Park werden bleiben, individuell oder eben auch von Vereinen genutzt, um darin Sport zu treiben“, weiß Wagner-Hauthal. Die Projektkoordinatorin plant dabei schon den Sprung über die Elbe. Eine Parksportkampagne, die derzeit startet, soll das Thema Bewegungsangebote in Grünanlagen über die IGS hinaus in die ganze Stadt tragen und mehr Sportbegeisterte an die frische Luft bringen. Unterstützt wird die Kampagne vom Hamburger Sportbund (HSB), dem Verband für Turnen und Freizeit (VTF) und den Topsportvereinen, für die Frank Fechner betont: „Wir entwickeln Angebote in ganz Hamburg und wollen den Parksport als neue Marke kreieren.“
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